Seit den ersten Folgen „Westworld“ bin ich gefesselt, wenn die Erzählung sich hin zu Ghost Nation und ihren Charakteren verlagert. In der aktuellen Episode „Westworld“ dürfen wir fast ausschließlich dem Pfad Akechetas folgen – und der ist tiefgründig und schmerzhaft.
New Voice Inside
Wir befinden uns in der Gegenwart. Akecheta bringt William, den Man in Black, in sein Lager, in dem sich auch Maeves Tochter befindet. Was Maeves größter Albtraum war, nämlich dass ihre Tochter von den Indianern gefangen genommen und verschleppt wird, scheint eingetroffen zu sein. Nur, dass es das eigentlich nicht ist. Denn wie wir nun erfahren, gehört Ake zu den Erwachten, sogar zu den allerersten, die es im Park überhaupt gab.
Ake versucht Maeves Tochter die Angst vor ihm zu nehmen und erzählt ihr – und damit gleichzeitig auch uns – welcher Weg hinter ihm liegt. In einem sich fast über die gesamte Episode erstreckenden Rückblick sehen wir, dass Ake einem friedlichen Stamm angehörte und nicht immer schon von furchteinflößender Kriegsbemalung gezeichnet war. Er lebte mit seiner Frau und Familie glücklich zusammen, bis er eines Tages in ein Dorf kam, in dem alle Hosts ausgeschaltet wurden – an dem Tag, als Dolores ihren Feldzug antrat und alles um sich herum, Arnold eingeschlossen, auslöschte. Was er hier fand, war „the maze“, ein Symbol, das eine Stimme in ihm weckte und das er von nun an wie auf einer Mission unter den Hosts verbreitete.
Doch die Zeichnung seines Charakters reichte für den Zweck des Parks nicht aus, sodass er schließlich in die Kontrollstation zurückgeholt und neu aufgesetzt wurde. Diesmal als brutaler Kämpfer eines skrupellosen Stamms, der den Abdruck blutiger Hände im Gesicht trägt. Er erkundete den Park immer wieder auf neuen Wegen, bis er eines Tages auf einen „Neuankömmling“ traf: Da ist er ja! Zuletzt von William entkleidet und gefesselt auf ein Pferd gesetzt, sitzt Logan zusammenhanglose Halbsätze vor sich her sagend nun an einen Baum gelehnt, während das Pferd mittlerweile verendet ist. Diese Szene hat etwas so Ursprüngliches an sich: Logan traf bereits vor Eröffnung des Themenparks auf Akecheta, am Abend, als die Überzeugungskraft der Hosts ihn zur Investition seines Vaters treiben sollte und es tat. Und jetzt bringt eben dieser Logan Ake dazu, von nun an nur noch nach einer Tür aus dieser Welt hinaus zu suchen.
Ake findet heraus, dass seine Frau stets in seinem „alten“ Stamm ist und entführt sie, denn diese kann sich nicht mehr an ihn erinnern und würde ihm niemals freiwillig folgen. Ihre Erinnerung an ihn kehrt allmählich zurück und gemeinsam versuchen sie schließlich einen Weg aus dieser falschen Welt, hinein in die richtige zu finden. Doch kurz bevor sie ihr Ziel erreichen, wird Kohane von den Parkmitarbeitern gefunden, abtransportiert und ihre Rolle im Park durch einen anderen Host ausgetauscht. Ake ist wieder allein und lernt, dass seine letzte Chance auf eine Vereinigung mit ihr jenseits des Todes liegt. So lässt er sich in einem Kampf absichtlich umbringen und gelangt ins Mesa, wo man nicht glauben kann, dass dieser Host bereits neun Jahre lang nicht geupdatet wurde.
„We only update them when they die.“
Flower growing in the darkness
Doch leider soll sich Akechetas Leidensweg weiter erstrecken, denn als er das Mesa erkundet, findet er seine Frau: ausrangiert und abgestellt in den tiefsten Tiefen von Delos. Seine einzige Chance: Wieder zurück in den Park, die anderen beschützen und zum Erwachen bringen und irgendwann dieser falschen Welt entfliehen. Maeves Albtraum, der sich durch ihre Erinnerungen zieht und in dem Ake um ihr Haus schleicht, ging in Wirklichkeit also aus keinem mordgetriebenen Vorhaben hervor, sondern hat lediglich sein regelmäßiges Überwachen aus Schutz und Sorge dargestellt.
„Keep watching a little longer.“
Es wird deutlich, dass Ake nicht nur einer der ersten erwachten Hosts ist, sondern auch einer der Hosts mit dem meisten Bewusstsein von allen. Und so trifft er eines Abends auf Ford, der in einer blutigen Aktion zahlreichen Indianern die Schädeldecke abtrennt, um darunter das Maze-Symbol zu finden. Und was gibt dieser weise alte Mann Ake mit auf den Weg? Dass dieser zu gegebener Zeit die Wahrheit verbreiten und die Seinen in eine neue Welt führen soll. Und nachdem er Ford schließlich an eingetroffenem Tag tot auffindet, weiß er, was zu tun ist.
Spread the Truth
Während Ake seine Geschichte erzählt, scheint Maeves Tochter Vertrauen zu ihm zu fassen und den Schutz, den er ihr verspricht, anzunehmen. Und während William noch nahezu reglos am Boden liegt, trifft Grace, also Emily im Lager ein und verlangt, ihren Vater mitzunehmen. Dies wird ihr nur gewährt, da sie verspricht, dass sie ihn leiden lassen wird.
Find us
Maeve liegt im Mesa unter’m Messer (hihi). Lee Sizemore versucht alles, sie zu retten, doch der „behandelnde Arzt“ findet sehr schnell heraus, wie wertvoll dieser Host ist und schmeißt Lee raus. Wie gut, dass Maeve aber mittlerweile ziemlich gut auf sich selbst aufpassen kann und bereits weitere Befehle verteilt hat. So einfach ist sie nicht aus der Parkgeschichte zu schreiben.
Für mich ist „Kiksuya“ eine der eindrucksvollsten Episoden „Westworlds“. Das mag daran liegen, dass für mich eine absolute Faszination von indigenen Völkern ausgeht. „Kiksuya“ ist ein Wort der Lakota-Sprache, das so viel wie „erinnern“ heißt und den Grundstein für diese Folge „Westworld“ legt. Akecheta erinnert sich an die emotionale Reise, die er im und außerhalb des Themenparks bereits beschritten hat. Eine Reise vollen Bewusstseins, aber mit wenig Handlungsmacht. So beginnt er allmählich die anderen Hosts zum Erwachen zu bringen und die Rebellion von innen heraus zu starten.
Der langwährende Ausflug in Ghost Nation hat mir deutlich besser gefallen als der nach Shogun World, bei dem wir zwar auch die emotionale Verbundenheit zwischen zwei Hosts betrachten konnten, der jedoch mehr auf Effekte denn auf Tiefgründigkeit ausgerichtet war. Hier erleben wir nicht nur eine Reise durch das Dasein von Akecheta, wir erleben auch eine erneute Reise durch den Park und dürfen wieder ein Plättchen mehr in das mehr als 1000-teilige Puzzle einsetzen. Gepaart mit der wunderschönen Musik, die Ramin Djawadi uns schenkt (insbesondere „Heart Shaped Box“, das im Original von Nirvana ist und der Song, der den Abspann einleitet) und der eindrucksvollen Maske hat mich diese Episode mehr als überzeugt – nicht zuletzt natürlich aufgrund von Zahn McClarnon und seinem unheimlichen schauspielerischen Talent. Allein wie er die Sprache einsetzt, lässt mich erschaudern und gleichzeitig staunend die Szenen genießen. Extrem viele Detailaufnahmen bringen uns nah an den Host heran, während uns die unendlichen Weiten der Landschaftsaufnahmen wieder seine Verlorenheit im Park vor Augen führen.
Doch so viel Aufschluss uns diese Folge „Westworld“ auch gibt, so viele Fragen wirft sie gleichzeitig auch wieder auf: Wer hat das Maze Symbol am Tag der Auslöschung neben dem Whiskey, der doch sowohl für James Delos, aber auch für William steht, auf dem Tisch liegen gelassen? War es für Akecheta bestimmt oder ist dies, wie nichts in Westworld, bloß ein Zufall? Wie viele andere Alphas gibt es noch im Park? Wird William nicht vielleicht doch Unrecht getan, denn ist nicht er hier der gebrochenste Charakter von allen? Interessant finde ich, dass Dolores, die in dieser Episode nur ein einziges Mal und das „tot“ gezeigt wird, als „death bringer“ bezeichnet wird – neben Arnold, dem „creator“. Ich glaube, hier, zwischen den Lebenden und den Verdammten, gibt es noch so vieles mehr, das wir nicht verstehen. Und ich freue mich drauf, mehr herauszufinden.
Bilder: HBO
Die letzten drei Folgen waren wirklich stark – endlich, möchte man meinen. Zumindest gefällt mir, dass es endlich deutlich konkreter in der Erzählung wurde (nach dem eher schwachen Japan-Ausflug in E05).
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