Sowohl in unserer Gesellschaft als auch in vielen Filmen und Serien spielen Journalist:innen nicht selten eine tragende Rolle. Man denke nur an die diversen Superheld:innen, die im wahren Leben als Journalist:innen unterwegs sind – Peter Parker aka Spider-Man als freier Fotograf für den „Daily Bugle“, oder Clark Kent aka Superman als Redakteur beim „Daily Planet“. Oder denken wir an Karen Page in den Netflix-Marvel-Serien „Daredevil„, „The Defenders“ und „The Punisher“, wo sie zunächst als Assistentin von Daredevil Matt Murdock arbeitet und später als Redakteurin zum „New York Bulletin“ wechselt, von wo aus sie ihren eigenen Kampf gegen das Verbrechen organisiert. In den Marvel-Comics gibt es die Figur schon seit 1964 und hat dort verschiedene weitere Rollen eingenommen, unter anderem als Radio-Moderatorin Paige Angel. Praktischer Nebeneffekt: So sind die verkleideten Superheld:innen immer dort, wo etwas los ist. Das Bild hat sicherlich auch etwas mit dem Zeitgeist zu tun, schließlich hatten Journalist:innen vor 20, 30 Jahren ein ganz anderes Standing als heute. ‚Früher‘ war Journalist:in ein angesehener(er) Beruf, natürlich auch mit Ausnahmen, aber es hatte schon ein Gewicht. Heute hat sich’s fast ins Gegenteil verkehrt, wenn man auf aktuelle Umfragen zum Image von Berufen schaut. In Zeiten von Bürgereportern hat der berufsstand in gewisser Weise auch an Wert eingebüsst, wobei es andererseits auch mehr denn ja auf seriösen, hintergründigen und fundierten Journalismus ankommt, wie ich finde.
In unserer Rubrik AWESOME 5 möchte ich jetzt aber nicht über Journalist:innen in Serien sprechen (wer da mehr wissen will, kann hier bei sueddeutsche.de, beim Deutschlandfunk oder bei KATAPULT reinschauen), sondern über Serien, die sich mit der Rolle des Journalismus auseinander setzen, die hinter die Kulissen schauen und die Tätigkeit, Verantwortung und Rolle von Journalist:innen beleuchten. Das ist dann hier nur eine Auswahl, aber meiner Meinung nach eine ziemlich gute, um die wichtigsten Vertreter dieser Gattung zusammenzufassen. Inspiriert hat mich die Recherche übrigens unser befreundeter Blog journalistenfilme.de, bei dem wir für diverse Podcasts („Good Night, and Good Luck“ und „Bruce Almighty“) zu Gast waren, dessen Autor Patrick Torma aber auch schon bei uns zu Gast im Podcast „Gefaltetes N“ war. Sein Blog journalistenfilme.de sei jedem ans Herz gelegt, der sich mit Journalismus und Film einmal ausführlich auseinandersetzen möchte. Er hat zum Beispiel auch eine tolle Übersicht über Journalistenfilme bei Netflix veröffentlicht – hier ist der Beitrag zu finden. Kommen wir jetzt aber zur Auswahl der 5 besten Journalisten-Serien aus meiner Sicht.
The Morning Show (Apple Original)
Hinter die Kulissen der Produktion einer Morningshow blickt dieses Apple Original aus dem Jahr 2019. Mit „The Morning Show“ startete Apple seine eigene Streamingplattform Apple TV+, mit prominenten Gesichtern in den Hauptrollen: Jennifer Aniston, Reese Witherspoon und Steve Carell. Die 1. Staffel dreht sich um die Morningshow-Moderatorin Alex Levy, die damit zurecht kommen muss, dass einerseits ihr Moderationskollege Mitch Kessler kurzfristig die Show verlassen muss, weil ihm sexueller Missbrauch innerhalb des Produktionsteams vorgeworfen wird, und dass sie andererseits selbst beim Sender auf der Kippe steht. Der Sender möchte lieber ein frisches, junges Gesicht und damit frecher werden, um neue Zielgruppen anzusprechen. Damit entfacht sich eine explosive Mischung hinter den Kulissen, zwischen Senderleitung und Leitung der Nachrichtensparte, zwischen Produktions- und Moderationsteam, bis hinein in den privaten Bereich der einzelnen Akteure. Serienschöpfer Jay Carson spielt dann sehr schön mit den Machtverhältnissen und Abhängigkeiten in so einem Produktionsumfeld, bezieht externe klassische Medien mit ein, aber auch die Neuen Medien. So gibt es Seilschaften zwischen der Produktionsleitung der Sendung und der Redaktionsleitung einer Tageszeitung, und wir erfahren viel darüber, wie sich beide Seiten abstimmen und mit Nachrichten versorgen, damit jeder seine Story und seinen Vorteil hat. Dazu gibt es Einblicke in die Aufgaben einzelner Crew-Mitglieder, die Geschichten ranschaffen müssen, Interview-Partner einstimmen und vorbereiten und vieles mehr. Insgesamt ein schöner Ansatz, die Rolle von Journalisten und journalistischen Formaten seriell darzustellen. Hervorzuheben ist natürlich auch die extrem hochwertige Produktion mit einem glänzend zusammengestellten und aufgelegten Cast – da macht das Zuschauen einfach Laune. Übrigens: Im September 2021 startet die 2. Staffel.
Home Before Dark (Apple Original)
Noch ein Apple Original, und damit noch eine sehr hochwertig produzierte Serie: „Home Before Dark“ stammt aus dem Jahr 2020 und erzählt die Geschichte des Mädchens Hilde Lysiak, die schon als Neunjährige als Journalistin tätig wurde. Ihr Vater arbeitete bei den „New York Daily News“, ehe die Familie nach Selinsgrove zog, wo er sie immer mit zu Recherchen nahm. Sie brachte dann eine eigene Zeitung heraus und veröffentlichte dort selbstrecherchierte Artikel. Darauf basiert „Home Before Dark“. Auch hier zieht Hilde (heißt in der Serie mit Nachnamen Lisko) mit ihrer Familie von Brooklyn in die kleine Heimatstadt des Vaters. In der Serie begibt sie sich bei einem Jahre zurückliegenden kriminalfall auf Recherche, unterstützt von ihrem Vater. Für uns Zuschauer ist das ganz schön, weil Vater und Tochter immer wieder die Werte und Verantwortung des Journalismus diskutieren. Es geht um Quellenrecherche, um deren Glaubwürdigkeit, um Informantenschutz und verschiedene Möglichkeiten der Recherche. Es zeigt aber auch, was denjenigen, die den Journalismus konsequent betreiben, widerfahren kann, von Anfeindungen bis Bedrohung. Hier und da nervt das altkluge kleine Mädchen zwar, aber insgesamt ist die Story an sich durchaus sehenswert und hat einen gewissen Charme. Auch hier gilt der Tipp: Eine zweite Staffel wurde gerade veröffentlicht.
The Newsroom (HBO)
„The Newsroom“ fokussiert sich konsequent auf das klassische Bild des Anchor Mans und seiner Nachrichtensendung. Es geht um seriösen, investigativen Journalismus, den das Produktionsteam bei ACN Networks Tag für Tag aufs neue leben und verteidigen und den Kontrast zum Sensationsjournalismus, der es mit der Wahrheit vielleicht nicht ganz so genau nimmt, dafür aber Quote bringt. Wir sind immer sehr dicht dran an den Akteuren dieser Nachrichtensendung, sitzen bei den Redaktionsmeetings mit am Tisch, werden in die Zweifel und Gedanken der einzelnen Figuren mit einbezogen und erleben das Dilemma zwischen seriöser, aber vielfach trockener Information und Quotendruck. Gesteigert wird dieses Dilemma einerseits durch die persönlichen Beziehungen innerhalb des Teams – so wird die Ex-Freundin des Anchor Man Will McAavoy (gespielt von Jeff Deniels) als Produzentin der Nachrichtensendung eingestellt – aber auch in der 2. Staffel durch eine Story, bei der die Redaktion auf falsche Beweise hereinfällt und damit eine Falschmeldung veröffentlicht. Immer wieder fließen in die Serie auch reale News aus der Entstehungszeit der 3 Staffeln zwischen 2012 und 2014 mit ein, was Oscar-Preisträger und Serienschöpfer Aaron Sorkin dazu nutzt, „The Newsroom“ noch glaubwürdiger und realer wirken zu lassen. Mich hat bei der Serie am Ende nur der schwülstige Ton in den Dialogen gestört. Das war dann alles schon sehr getragen und überdramatisiert formuliert, das hat mir den Spaß insgesamt ein wenig verdorben. Trotzdem ein Tipp und definitiv sehenswert.
Kir Royal (ARD)
Auch einen Klassiker wollte ich in dieser Liste berücksichtigen, und der Zufall will es, dass es sich dabei sogar um eine deutsche Serie handelt. „Kir Royal“ stammt aus dem Jahr 1986 und dreht sich im Klatschreporter Baby Schimmerlos, gespielt von Franz Xaver Kroetz, der sich in der Münchner Schickeria aufhält und auf der Suche nach Storys für die Münchner Allgemeine Tageszeitung ist. Umgekehrt wollen die Akteure der Münchner Partyszene Baby Schimmerlos nutzen, um Publicity zu generieren. Die Serie stammt von Helmut Dietl, der mit den sechs Folgen die Münchner Abendzeitung aufs Korn nahm und sich für einige Charaktere Anleihen bei echten Personen gönnte. Für die Produktion bekam er einen Grimme-Preis. „Kir Royal“ erhielt großartige Kritiken, war aber beim Publikum nicht der große Straßenfeger. Für Journalisten geht die Serie aber im Prinzip als Pflichtprogramm durch. 2012 gab’s mit „Zettl“ (mit Michael Bully Herbig in der Hauptrolle sowie Dieter Hildebrandt und Senta Berger, die ihre Rollen aus „Kir Royal“ fortführen) ein Anschlussprojekt im Kino, das aber sowohl an der Kinokasse als auch bei den Kritikern floppte.
Lerchenberg (ZDF)
Eine Art Comedy komplettiert dann diese AWESOME 5-Liste zu Journalismus-Serien. „Lerchenberg“ stammt vom ZDF, spielt beim ZDF (deswegen Lerchenberg) und nimmt den Sender auch ordentlich aufs Korn. Dabei geben sich sowohl das ZDF als auch die Hauptfigur Sascha Hehn, gespielt von Sascha Hehn, wunderbar selbstironisch. Sascha Hehn präsentiert sich als alternder Moderator, der sich selbst aber für den besten Moderator auf der Welt hält. Das ZDF sieht das anders, will ihm aber ein neues Format spendieren. Dafür soll Redakteurin Sybille Zarg sorgen, ein junges Nachwuchstalent, das prima innovative Formate entwickeln kann, aber oft an den Senderstrukturen scheitert. Mir hat gefallen, wie ZDF und Sascha Hehn mal so überhaupt keine Scheu davor haben, richtig bissig und ironisch über sich selbst herzuziehen. Passendes Beispiel: Sascha Hehn schlägt vor, jemanden zu bestechen, um voran zu kommen. Sybille lehnt das ab, worauf Sascha Hehn meint: „Mit der Einstellung werden Sie’s beim ZDF aber nicht weit bringen.“
Und sonst…
Wer weitere Serien-Formate sucht, kann noch „The Hour“, „Good Girls Revolt“ und „Zarah“ mit auf die Watchlist nehmen. „The Hour“ ist eine britische Serie, die in den 50er Jahren spielt und von der Entwicklung des Nachrichtenformats „The Hour“ erzählt. Die BBC-Serie kam so mittelmäßig an, was wohl auch daran lag, dass sich die BBC selbst in dem Format ziemlich feierte und eine mögliche kritischere Haltung vermissen ließ.
In „Good Girls Revolt“ geht es um eine Sammelklage gegen „Newsweek“ aus den 1970er Jahren, die mit systematischer Diskriminierung zu tun hat. „Zarah“ porträtiert eine Journalistin namens Zarah Wolf, die sich in den frühen 1970er Jahren für die Emanzipation der Frauen einsetzt – in einer männerdominierten Redaktion eines sexistischen Boulevard-Blattes. Die Serie ist eine ZDF-Produktion aus dem Jahr 2017 und kommt gerade wieder in die ZDFmediathek.
Bilder: ZDF, ARD, HBO, Apple
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