Aus jüngster eigener Erfahrung weiß ich: Als werdende Eltern kann man sich kaum vor guten Ratschlägen schützen. Mein Highlight wird wahrscheinlich der Taxifahrer bleiben, der in einem früheren Leben mal Arzt in einem fernen Land gewesen sei und uns erst einmal belehrte, dass ich als Schwangere auf keinen Fall roten Tee trinken dürfe. Gut, dann eben doch wieder GinTonic.
Werdende Eltern sind aber nicht nur ein gutes Ziel für Einmischungen aller Art (und Unternehmen, die einem winzige Klamotten, Spucktücher, Still-BHs, Babybetten, Babyautositze, Babyschlafsäcke, Kinderwägen, Windeln, Heizstrahler, Wickelkommoden, kleine Badewannen, Öle, Lotions, Schnuller und noch vieles, vieles, vieles mehr verkaufen möchten), also nicht nur dafür sind werdende Eltern eine beliebte Zielgruppe, sondern auch (wie mir scheint vermehrt) für Serienschaffende. Und das wiederum mittlerweile eher in Form der ungeschönten Wahrheit und weniger oft in Form der perfekten Familie, wie wir es vor allem aus dem letzten Jahrtausend kennen.
Klar kann man sich auch die Camdens, die Ingalls oder die Bradys zum Vorbild nehmen, aber wer einen Blick auf ein weniger flauschig-geschöntes, weniger unerreichbares und auch aktuelleres Bild von werdenden Eltern und jungen Familien werfen möchte (auch um sich anschließend gegenseitig versichern zu können, dass es bei einem selbst bestimmt nie so schlimm werden wird), dem kann ich folgende Serien wärmstens empfehlen.
Andere Eltern
Wir starten mit einer deutschen Serie: „Andere Eltern“ erzählt im Stil einer Mockumentary von einer Gruppe werdender Eltern, die sich aufgrund der akuten Kita-Knappheit in Köln zusammenschließen, um ihre eigenen Kita zu gründen.
Schon die Namensfindung erfordert längere Diskussion und auch im weiteren Verlauf führt es natürlich immer wieder zu kleineren und größeren Auseinandersetzungen, dass sich bei aller Verschiedenheit jeder möglichst stark einbringen möchte. Da ist die eher alternative und ihr Kind auf Festivals mitnehmende alleinerziehende Musik-Produzentin, die Masern-Party-Mutter, der Home-Dad und auch das Paar, bei dem es bisher noch überhaupt nicht mit dem Schwangerwerden geklappt hat und bei dem der Mann stark an eine Mischung aus Stromberg und dem „Switch Reloaded“-Hitler aus „Obersalzberg“ erinnert. Eine ebenso bunte wie meinungsstarke Mischung. Ob die Kita am Ende überhaupt eröffnet wird, seht ihr am besten selbst.
„Achtsamkeit ist der Blockwart unseres Jahrhunderts.“
„Andere Eltern“ ist erfrischend und manchmal auch beängstigend, wenn zu grübeln beginnt, ob man genauso werden wird, oder auch, weil man Leute (er)kennt, die schon so sind. Die zweite Staffel ist im März erschienen, hier der (spoilerarme) Trailer:
Catastrophe
Dass man aus dem Plot von „Knocked Up“ eine ganze Serie (und noch dazu eine sehr gute!) machen kann, wer hätte das gedacht! Sharon und Rob treffen sich in einer Bar in London, verbringen ein paar leidenschaftliche Tage und Nächte miteinander und trennen sich dann nicht allzu schweren Herzens wieder, da Rob zurück nach Boston muss. Dort sitzt er gerade beim Date mit einer anderen Frau, als Sharon ihn anruft und erklärt, schwanger zu sein.
Mit Realismus, Zynismus aber auch viel Herz versuchen es Sharon und Rob fortan in London miteinander, meistern die Herausforderungen einer Risiko-Schwangerschaft sowie die täglichen Probleme rund um Job, Geld und Sippschaft.
Kann man sich verlieben, weil oder vielleicht obwohl man durch ein ungeplantes Kind praktisch dazu gezwungen ist? „Catastophe“ zeigt in vier Staffeln auf kurzweilige und manchmal auch richtig herzergreifende Weise, wieviel mehr als die rosa Brille zu einer Beziehung gehört, wie man partnerschaftliche Kompromisse schließen kann, die sich nicht danach anfühlen, und wie nötig es ist, dass man seinen Humor nicht verliert.
MaPa
Eine weitere deutsche Produkten liefern uns ProSiebenSat.1 beziehungsweise deren Streamingdienst Joyn+ in Zusammenarbeit mit dem rbb mit der SadCom „MaPa“. Googlet man den Begriff „SadCom“, hat ihn ProSieben oder deren Agentur zwar wohl nicht erfunden, zumindest dürfte „MaPa“ aber die erste deutsche Produktion sein, die sich selbst dort einordnet.
Triggerwarnung: Tod eines Elternteils
Metin Müller, gespielt von Max Mauff, muss nicht nur mit dem plötzlichen Tod seiner Freundin klarkommen, sondern sich von heute auf morgen auch als Alleinerziehender um die gemeinsame 1jährige Tochter Lene kümmern. Kein leichter Plot und sicher nicht für alle Schwangeren (oder vor allem deren Partner) ein Wunschthema, und ich will nicht verschweigen, dass einem „MaPa“ stellenweise richtig das Pipi in die Augen treibt. Aber die Serie ist eben auch ironisch und komisch und nudelt vor allem nicht die gleichen Themen auf die gleiche Art durch wie so viele andere Sitcoms, und die kleine Lene ist nebenbei bemerkt auch einfach nur zuckersüß mit ihrer Mini-Assi-Palme.
Schöner Nebeneffekt: Während man zwischen „ich-heul-nicht“ und lachen wechselt, ist man beim Blick auf den geliebten Menschen neben einem einfach nur unheimlich froh, dass er da ist, und hofft, dass das noch sehr lange so bleiben wird.
Milcheinschuss
Eltern sein heißt, mit dem Baby stundenlang durch die Gegend zu fahren, bis es endlich eingeschlafen ist, und dann dem Dealer, in dessen Hood man leider gerade parkt, Drogen abzukaufen, damit er besagtes Baby nicht weckt.
Audrey und Jeremy sind gerade Eltern einer kleinen Tochter geworden, deren Name, Stevie, schon den ersten Anlass für Stirnrunzeln bei den anderen Teilnehmern der Elterngruppe gibt. So sehr Audrey scheinbar alles falsch macht, was es falsch zu machen gibt, so sehr möchten aber alle Eltern nur von den eigenen Problemen mit der neuen Situation rund um diese hilflosen, schreienden, manchmal nur mit Mühe lieb zu habenden kleinen Wesen ablenken. Und sich selbst davon, dass sich das Leben natürlich radikal ändert, so sehr man sich vorher auch schwört, dass man Kind, Job, Beziehung, Freund, Privatleben etc. weiterhin alles prima unter einen Hut bekommen wird.
„Milcheinschuss“ ist manchmal drastisch, Eltern zufolge durchaus realistisch und doch auch durchgehend lustig, und impft die Message ein, dass man nicht perfekt sein muss und seinen eigenen Weg gehen darf.
The Beginning of Life
Neben Mockumentary und Sit- und Sadcom passt finde ich noch eine Dokumentation: „The Beginning of Life“ zeigt in sechs Folgen allerlei Wissenswertes über Babys und Kleinkinder, von der Geburt bis in die ersten Lebensjahre. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Babys einen unheimlich guten Geruchssinn haben, so dass sie schon direkt nach der Geburt den Weg zur Milch der eigenen Mutter finden?
„Being a mother really humbled me. Because I realized that everything I knew was from science, from evidence, was in my head. But when I became a mother, it was my head, my heart and my hands, all had to work together.“
Dass so ein kleiner Mensch in den ersten Jahren soviel und so schnell lernt, wie nie wieder danach in seinem Leben, ist aus meiner Sicht ebenso spannend wie angsteinflößend – bedeutet das doch, dass man gerade in diesen Jahren als Elternteil besonders gefordert ist und entsprechend wohl auch Gefahr läuft, nicht alles richtig zu machen. In „The Beginning of Life“ teilen Wissenschaftler, Lehrer sowie (werdende) Eltern ihr Wissen und helfen so zukünftigen Mamas und Papas vielleicht dabei, ein bisschen entspannter auf die Zeit nach der Geburt zu blicken.
„The Beginning of Life“ läuft bei Netflix.
Und sonst so
„Workin` Moms“ gehört eigentlich auch noch in diese Liste, es war ein Kopf an Kopf rennen, daher noch die Erwähnung an dieser Stelle. Wie man Kind und Karriere unter einen Hut bekommt und dabei die Beziehung nicht auf der Strecke bleibt, ist das Hauptthema, die Serie ist wirklich urkomisch, auf die beste Art, die es gibt. „Workin´ Moms“ läuft auf Netflix und *whoop whoop* die vierte Staffel startet Mittwoch! Hier der Trailer:
Wenn ihr noch weitere Empfehlungen habt, gern in die Kommentare!
Bilder (Artikelbild v.l.n.r.): Netflix (oben); Joyn, Joyn/ Carolin Weinkopf, Amazon (unten)
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