A24 – dieses Kürzel wird manchen Leser:innen bekannt sein, vielen aber auch nicht. Daher eine kurze Erklärung. Es handelt sich hierbei um den Namen eines amerikanischen Unternehmens, das sich auf die Produktion von Spielfilmen und Serien, sowie dem Vertrieb von Eigen- und Fremdproduktionen verschrieben hat. Es finden sich sogar einige wenige Dokumentationen in dem Portfolio. Eine inhaltlich feste Ausrichtung gibt es nicht, aber vorwiegend handelt es sich um Produktionen, die einen – teils wilden – Independant-Charme in sich tragen oder ihn sogar vollmundig zelebrieren. Man spürt, dass die originären Ideen nicht für ein Mainstream-Publikum geglättet wurden, sondern dass sich die Macher ungefitert ausleben dürfen. Der Überraschungserfolg des knallbunten Spielfilms „Everything Everywhere All At Once“ (u.a. drei Oscars in den Hauptkategorien) verbindet dabei beide Kinowelten von Independant und Mainstream höchst erfolgreich miteinander und kann auch als Aushängeschild für das Unternehmen angesehen werden.
Ich arbeite mich derzeit Stück für Stück durch den gesamten Katalog hindurch. Egal ob Produktion oder „nur“ Verleih. Ich habe eine kleine A24-Sucht entwickelt. Mein Facebook-Profil, auf dem ich alles poste, was ich mir so anschaue, zeugt davon. Hier und da und überall ist seit einiger Zeit etwas von A24 zu lesen. :-)
Euphoria
Remakes stehe ich immer äußerst skeptisch gegenüber. Hier haben wir ein solches Remake, das auf der gleichnamigen Serie aus Israel basiert. Leider habe ich das Original noch nicht gesehen und kann somit keine Vergleiche ziehen. Bei dieser Serie handelt es sich um ein Teenager- bzw. Coming-of-Age-Drama. Alle Themen dieser Lebensphase finden Erwähnung: Liebe, Trauer, Wut, Sexualität, Drogen. So weit, so normal. Herausragend an dieser Serie ist die Intensität, die durch die sehr lebensnah gestalteten Charaktere transportiert wird und die immens stark geschriebene Geschichte. Der Serientitel gibt quasi einen Vorgeschmack auf das, was viele Charaktere im Verlauf der Serie auf verschiedenste Art und Weise verspüren. Allerdings muss man sich als Zuschauer:in bewusst darüber sein, dass die unbarmherzige Dramaturgie die Charaktere und die Zuschau:innen immer und immer wieder in abgrundtiefe Seelengefilde hinabstürzen lässt. Es ist ein stetes Auf und Ab der Emotionen. Sehr nah und sehr lebensecht. Kein leichter Stoff. Mir fällt dabei der Titel eines Musikalbums von Tom Waits ein: „Glitter & Doom“. Daher möchte ich an dieser Stelle unbedingt eine Trigger-Warnung aussprechen: Körperliche und seelische Gewalt, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, Drogenmissbrauch.
Umfang: 2 Staffeln + 2 Sonderfolgen (wird fortgesetzt)
IMDB-Bewertung 8,3
Sunny
Japan und Roboter – eine oftmals klischeehafte Mischung. Unsere Geschichte ist in einer nicht allzu fernen, durchaus denkbaren Zukunft angesiedelt, in der Haushaltsroboter gang und gäbe sind. Unsere Protagonistin ist diesen elektronischen Helfern nicht unbedingt wohlgesonnen. Nachdem sie erfahren musste, dass ihr Ehemann und ihr Sohn bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kamen, bekommt sie kurzerhand von der Firma ihres Mannes, bei der er arbeitete, einen der besagten Haushaltroboter der neuesten Generation geschenkt und erfährt als erstes, dass ihr Mann in der Firma an genau solchen Robotern gearbeitet hat und nicht etwas als Entwickler von Kühlschränken, wie er ihr immer erzählt hat. Ihre anfängliche Ablehnung wandelt sich in Akzeptanz und Zuneigung, weil eben dieser Roboter das letzte ist, was ihr von ihrem Mann geblieben ist und weil auch etwas vom Geist ihres Mannes in ihm stecken könnte. Gleichzeitig erwächst daraus ein Crime-Mystery-Thriller, auf der Suche nach den Geheimnissen, die hinter der vermeintlichen Entwicklung von Kühlschränken stecken.
Durchaus mit vielen ernsthaften (Hintergrund-)Elementen ausgestattet, weiß diese Serie gleichzeitig mit sympathischer Lockerheit zu überzeugen. Schon allein das putzige Design des titelgebenden Roboters lässt erstmal nichts Böses vermuten.
Umfang: 1 Staffel (Miniserie)
IMDB-Wertung: 6,6
The Sympathizer
Der Vietnamkrieg, ein bekanntes Thema in der Weltgeschichte, dient als Ausgangspunkt für diese Miniserie, in der ein nordvietnamesischer Spion, unser Protagonist, in Südvietnam seinen ideologischen Pflichten nachkommt und kurz vor dem Fall Saigons, gemeinsam mit seiner Zielperson nach Amerika fliehen soll, um dort seinen Spionagedienst fortzuführen. In Amerika angekommen integriert er sich unerkannt und zweifelt immer mehr an seiner ursprünglichen Gesinnung.
Ein ernstes Thema, viele tragische Momente unter Freund und Feind, aber gleichzeitig ein überraschend hoher Humoranteil, der von subtil-schwarzhumorig, bis hin zu absurd-überhöht (Episode vier) daherkommt.
Ein kleines Highlight dieser Serie ist Robert Downey jr., der gleich in mehreren Rollen eine immense Spielfreude an den Tag legt und somit dem humorigen Unterbau kräftig anfüttert.
Umfang: 1 Staffel (Miniserie)
IMDB-Wertung: 6,8
Beef
Eskalation steht hier auf dem Programm. Mitunter hektisch und schwarzhumorig. Eine schicke Dramedy. Und die erste Eskalationsstufe lässt nicht lange auf sich warten, denn unsere beiden Protagonisten starten eine zünftige Roadrage, weil unsere Protagonistin auf einem Parkplatz das Nervenfass unseres Protgonisten zum Überlaufen bringt. Hier prallen nicht nur zwei labile Nervengerüste aufeinander, sondern auch zwei soziale Schichten und beide versteifen sich immer mehr auf ihr jeweiliges Gegenüber als absolutes Feindbild, wobei die Vernunft vollständig auf der Strecke bleibt. Der dabei entstehende Kleinkrieg erinnert dabei durchaus an den Spielfilmklassiker „Der Rosenkrieg“.
Umfang: 1 Staffel (Miniserie)
IMDB-Wertung: 8,0
I’m Sorry
Werden in den meisten A24-Titeln eher ernsthaftere Töne angeschlagen, so schlägt diese Serie erfrischend aus der Art. Extrem kurzweilig, nimmt sie nicht nur den elterlichen Alltag auf die Schippe, sondern kommt auch durchaus politisch unkorrekt daher und stößt der amerikanischen Prüderie gehörig vor den Kopf. Da sitzt die Familie direkt in der Eröffnungsszene gemeinsam am Tisch, und die Kindergartentochter erzählt von ihrem kleinen Vagina-Loch, während die Mutter beruhigend erklärt, dass dieses Loch mit der Zeit noch viel größer wird, damit die späteren Babys dort hindurch passen. Und das alles, während der Vater peinlich berührt und etwas hilflos dabei sitz. An anderer Stelle offenbart das Töchterchen dann, dass es ein anderes Mädchen aus dem Kindergarten nicht mag, weil es dunkle Haut hat und sagt, dass sie ihre eigene helle Haut viel schöner findet. Auch entwickelt die Tochter auf einmal Angst vor Nazis, nachdem Mutter ihr erklärt hat, dass Hitler so böse wie Voldemort aus den Harry Potter Romanen ist, nur in echt. Und auch die Erwachsenen geraten ständig in Situationen, die stets zwischen derber Offenheit, Festnäpfchen und peinlichen Offenbarungen schwanken. An dieser Stelle sei kommentarlos der Titel „Arschwürfel“ von Episode 3 genannt. Grafisch wird die Serie dabei nie. Es sind immer nur die Dialoge, die das entsprechende Kopfkino bei den Zuschauer:innen in Gang setzen.
Wenn man solchen Humor mag, ist man praktisch die ganze Serie über am Schmunzeln. Falls nicht, wird man diese Serie vermutlich mit dem Vermerk „flacher Fäkalhumor“ ad acta legen. Ich mag es! Vor allem weil die Dialoge dabei eine sehr sympathische Liebenswertigkeit und Lebensfreude versprühen.
Umfang: 2 Staffeln
IMDB-Wertung: 8,0
Bilder: A24
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