Nicht nur israelische Serien landen immer wieder Achtungserfolge und werden an manchen Stellen als US-Remake erfolgreich – bestes Beispiel ist „Homeland“ (hier gibt’s Tipps zum israelischen Original). Auch das jüdische Leben selbst wird für Serienmacher und Streamingdienste immer interessanter. Zuletzt wagte man sich auch häufiger in die ultraorthodoxe Welt der Juden – mit mitunter beeindruckenden Ergebnissen.
Die TOP 5 zeitgenössische Serien über (ultraorthodoxes) jüdisches Leben und die Kultur des Judentums
An Serien zur ultraorthodoxen Community lockt sicher das Unbekannte einer geschlossenen Gesellschaft – Christiane Laudage hat das hier in der Jüdischen Allgemeinen ausführlicher dargestellt. Es muss aber nicht immer gleich ultraorthodox sein – hier kommen die derzeit besten Serien zum jüdischen Leben und zur jüdischen Identität. Weitere Empfehlungen von Serien, in denen die Jüdische Kultur immer wieder einmal thematisiert wird, aber nicht im Mittelpunkt steht, sind zum Beispiel die Comedy „The Kominsky Method“ (hier geht’s zum ausführlichen Serientipp), das fiktive Historien-Drama „The Man in the High Castle“ (hier geht’s zum ausführlichen Review) oder auch die Sitcom „Seinfeld“. Aktuellster Tipp ist die Serie „Die Zweiflers“, die charmant das alltägliche jüdische Leben in Deutschland erzählt – hier geht’s zum Serientipp. Wer weitere Tipps für entsprechende Serien hat, gerne ab damit in die Kommentare unter diesem Artikel.
„Netflix‘ Unorthodox“: Tiefe Einblicke in die ultraorthodoxe jüdische Community der Satmarer in Williamsburg
Eine junge Frau zieht von New York nach Berlin, um sich aus der räumlichen Enge ihrer Familie zu befreien und ein neues Leben anzufangen. So weit, so unspektakulär. Finden auch einige Figuren in der Geschichte „Unorthodox“, die Alexa Karolinski und Anna Winger in der neuen Netflix-Produktion gleichen Namens erzählen. Warum New York verlassen? Warum nach Berlin ziehen? Spannend wird die Geschichte durch die Umstände, die Esty (gespielt von Shira Haas), eben diese junge Frau dazu bewogen hat, diesen Schritt zu gehen. Denn sie flüchtet vor den ultra-orthodoxen Zuständen in ihrem Lebensumfeld in Williamsburg, einer Hochburg der Satmarer. Von der Enge und den Zwängen dieser Seite des Atlantiks und der Weite und Lockerheit auf der anderen Seite erzählen diese vier Folgen – vielfach in beeindruckender Art und Weise. Regie führt Maria Schrader, die für die Darstellung von „Unorthodox“ einen Emmy bekam. Die Serie bekam außerdem den Deutschen Fernsehpreis, den Grimme-Preis und die Romy.
Das Besondere: An vielen Stellen wirken die knapp vier Stunden Story wie ein Historienfilm oder eine Dokumentation, allerdings versetzt in die Jetzt-Zeit. Wir sehen die einfache Ausstattung der Wohnungen, die typische Kleidung der Männer und Frauen, die Tücher, die Scheitl, die Schläfenlocken, die Schtreimel. Man fühlt sich Jahrzehnte zurückversetzt – bis eine der Akteure die Umgebung verlassen muss, um einkaufen zu gehen oder andere Dinge zu erledigen. Ein optischer Kulturschock, irgendwie. Es ist aber einfach faszinierend, diese Welt vorgeführt zu bekommen, in sie einzutauchen, teilweise minutenlang Ritualen zu folgen. Das sind zugleich die emotionalen Highlights der gelungenen Mini-Serie „Unorthodox“ – ausführlich beschrieben habe ich sie hier im Review zur Serie, verfügbar bei Netflix.
„Rough Diamonds“ auf Netflix: Die Verbindung der ultraorthodoxen jüdischen Community mit dem Diamantenviertel in Antwerpen
„Rough Diamonds“, ein belgisches Netflix-Original, spielt im Diamantenviertel von Antwerpen – und beschäftigt sich nicht nur mit dem Diamantenhandel an sich, sondern auch mit den Machstrukturen, den äußeren Einflüssen und den Verstrickungen von Ermittlungsbehörden und Politik. Klar, dass dabei auch orthodoxe jüdische Familien eine große Rolle spielen, schließlich wurde der Diamantenhandel in Antwerpen lange Zeit von jüdischen Familien geprägt und koordiniert. Und so bekommen wir einen teilweise sehr intimen, genauen Blick in die jüdisch-orthodoxe Welt, so dass sich ein spannendes Gesamtbild für acht interessante Folgen ergibt. Auch wenn die Story an sich fiktiv ist (worauf Netflix am Ende des Abspanns noch einmal ganz explizit verweist), fusst sie auf vielen realen Wirklichkeiten, was mich dann natürlich wieder anspricht als jemand, der viel mit Antwerpen verbindet. Im Zentrum der Serie steht die Familie Wolfson, eine Gründungsfamilie des Antwerpener Diamantenhandels und entsprechend angesehen. Insgesamt ist die Serie am wirkungsvollsten, wenn sie sich auf die Familie und die Folgen von Geheimnissen und Groll konzentriert. Die Showrunner waren bestrebt, eine differenzierte, humanisierende Darstellung einer Gemeinschaft zu präsentieren, die oft weitgehend abgeschottet ist aus der breiten Öffentlichkeit – das haben sie geschafft, wie ich hier im Serientipp ausführlich darstelle. Aktuell gibt es eine Staffel, verfügbar bei Netflix.
„Transparent“ auf Amazon Prime Video: Transgender und Geschlechteridentitäten treffen jüdische Identität
Kaum eine Serie hat mich im Ansatz aus thematischer Sicht und nach Sichtung der Teaser und Trailer so wenig interessiert wie „Transparent“. Das Thema hat mich irgendwie gar nicht gepackt. Und dann diese erste Folge: Wie selbstverständlich wird man dann von drei Geschwistern Ali, Josh und Sarah nach und nach abgeholt und mit nach Hause genommen zum Vater der Drei, der zu einem wichtigen Essen eingeladen hat, weil er etwas verkünden möchte. Alle vermuten, dass es irgendwas mit Krebs oder so zu tun haben muss, aber es kommt dann doch irgendwie anders. So ganz offenbart sich Familienvater Morton Pfefferman seinen Kindern nicht – aber wir als Zuschauer bekommen’s am Ende präsentiert. Von da an entwickelt sich über vier Staffeln eine absolut unterhaltsam und clever inszenierte Story, die merkwürdigerweise vielfach als Comedy präsentiert wird – ist es meiner Meinung nach definitiv nicht. „Transparent“ ist viel mehr Drama, finde ich, und wird gekrönt mit einer Musical-Folge, die viele der Transgender- und Identitätsfragen aus den vier Staffeln aufgreift, im Verlauf allerdings zu einem religiösen Schwerpunkt (der meiner Meinung noch gut einen Schwerpunkt einer 5. Staffel hätte werden können) wechselt. Jill Soloway spielt mit klischeehaften Bildern des Judentums, stellt Fragen, wird mitunter extrem provozierend. Etwa wenn Sarahs Kinder davon sprechen, dass Maura durch den Holocaust umgekommen ist – weil sie mitbekommen haben, dass Maura verbrannt wurde. „Das ist ein anderer Ofen“, heißt es da durchaus zynisch in der Serie. Oder wenn es im Schlusssong zur Abrechnung von Shelly Pfefferman und später des gesamten Casts mit dem vorherrschenden Bild vom Judentum kommt – Shelly spricht singt da vom leidenden Judentum, vom Wehklagen, von der immer noch durch den Holocaust geprägten Identität – und fordert zu einem neuen Denken auf; eben dass es einen Joyocaust brauche. Das ist natürlich recht extrem, und auch wenn es im Song selbst heißt „We’re crossing the line“, ist das tatsächlich schon eine sehr provozierende Form des Überschreitens, was zumindest für eines sorgen wird – dass man darüber spricht. Zu sehen ist die Serie bei Amazon prime Video – hier gibt es ein ausführliches Review der finalen Folge sowie hier diverse Serientipps, wer ähnliche Serien schauen möchte.
„Matrjoschka“ auf Netflix: Die Geschichte der Juden auf der Erzählebene und einer Metaebene
Die 2 Staffeln von Netflix‘ „Matrjoschka“ spielen nicht nur vordergründig mit der kulturellen Identität des Judentums, sondern vor allem auch auf einer Metaebene – was die Serie so spannend macht. Hauptfigur Nadia erlebt in Staffel 1 ihren 36. Geburtstag immer wieder, versucht natürlich das Rätsel zu lösen, warum das so ist, schöpft Hoffnung, scheitert, gibt sich fast auf. In Staffel 2 begibt sie sich auf Zeitreise, um bemerkt, dass sie in den Körper ihrer Mutter schlüpfen kann, die mit Nadia selbst schwanger ist – ganz spannender Ansatz. Wir bekommen hier aber noch viel mehr über die Geschichte von Nadias Familie erzählt – zu Zeiten des Nazi-Regimes, mit dem Diebstahl der Habseligkeiten der Familie und vieles mehr. Nadia selbst setzt sich in den 2 Staffeln aber auch intensiv mit der Historie auseinander – Emily Burack hat für „heyalma“ diverse Momente zusammengestellt. Jeffrey Salkin deutet für „Religion News Service“ die Geschichte der Serie mit den vielen Hahtod- und Todeserfahrungen als Spiegelung der jüdischen Identität – hier schön nachzulesen. Und mehr zur Verbindung der Serie mit der jüdischen Historie stellt Lior Zaltzman für „Kveller“ her. Die 2 Staffeln gibt es auf Netflix.
„Shtisel“: Das charedische Umfeld in Jerusalem kennenlernen
Klar, auch die mehrfach preisgekrönte Serie „Shtisel“ muss in diesem Zusammenhang genannt werden. Die Serie hat 2013 quasi die Bewegung angestoßen, ins Leben von ultraorthodoxen Juden zu schauen. Die Serie zeigt das Leben der Familie Shtisel in ihrem streng charedischen Umfeld im Jerusalemer Stadtteil Geula. Die Serie, die von Ori Elon und Yehonatan Indursky geschaffen wurde, bietet einen tiefen Einblick in die Traditionen, Konflikte und inneren Kämpfe der Charaktere. Die Handlung dreht sich hauptsächlich um die Mitglieder der Shtisel-Familie, angeführt von Shulem Shtisel, einem Witwer und Rabbi, der seine Gemeinde leitet. Die Serie beleuchtet die Herausforderungen, denen die Shtisel-Familie gegenübersteht, während sie versucht, ihren religiösen Überzeugungen und den sozialen Erwartungen gerecht zu werden. Shulem versucht, eine Ehe für seinen Sohn Akiva zu arrangieren, der jedoch davon träumt, ein Künstler zu sein, und sich in die moderne Kunstszene verliebt. Ein weiterer wichtiger Charakter ist Giti Weiss, Shulems Tochter, die mit den Belastungen des Mutterseins und ihrer Ehe zu kämpfen hat. Die Serie erforscht auch die Beziehung zwischen Giti und ihrem Bruder Zvi Arye, der nach Jahren der Abwesenheit zurückkehrt und das Leben der Familie kompliziert.
„Shtisel“ bietet eine einfühlsame Darstellung der orthodoxen jüdischen Gemeinschaft und stellt Fragen nach Identität, Familie und Tradition. Die Charaktere sind vielschichtig und die Serie zeigt ihre inneren Konflikte und Sehnsüchte. Die authentische Darstellung der ultraorthodoxen Lebensweise und die visuell beeindruckende Darstellung von Jerusalem verleihen der Serie eine besondere Atmosphäre. Auch deswegen war „Sjtisel“ bisher so erfoglreich: Die Serie wurde für ihre exzellente Schauspielerei, tiefgründigen Charaktere und ihre Fähigkeit, universelle Themen in einem einzigartigen kulturellen Kontext zu behandeln, hoch gelobt. Sie hat international Anerkennung gefunden und wurde sowohl von Kritikern als auch von Zuschauern geschätzt. 3 Staffeln mit insgesamt 33 Folgen gibt es aktuell, leider ist die Serie derzeit bei keinem Streamingdienst zu sehen. Besonderheit: Bei „Shtisel“ handelt es sich um eine israelische Serie.
Bilder: Netflix, Amazon Prime Video
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