Streng genommen werden ja alle Serien durch ihre Fans gerettet, sind schließlich Zielgrupppen-Potenziale, Quoten und Verläufe ausschlaggebend dafür, ob eine Produktion fortgesetzt oder abgesetzt wird. Aber es gibt auch diese Momente, in denen vor allem klassisch-lineare Fernsehsender eigentlich den Entschluss gefasst hatten, eine Serie fallen zu lassen, die Fangemeinschaft dann aber derart aktiv geworden ist, dass man den Sender hat umdenken lassen oder sich ein anderer Distributor hat finden lassen, der die Geschichte fortsetzt. Und sei es auch nur mit einem abschließenden Film.
Gerade in der Vernetzung einer globalisierten Welt sind die Potenziale um so größer und die Wege um so leichter, aktiv zu werden. Vor allem Online-Petitionen sind mittlerweile beinahe normaler Status geworden, sobald eine einigermaßen beliebte Serie überraschend abgesetzt wird. So werden noch immer vehement unter anderem eine zweite Staffel für „Cowboy Bebop“ (151.000 Unterzeichnungen), eine dritte Staffel für „Dirk Gently“ (161.000 Unterzeichnungen) oder auch eine weitere für „Projekt Blue Book“ (35.000 Unterzeichnungen) gefordert. Nur weil viele das offenkundig wollen, heißt das noch lange nicht, dass etwas gemacht wird. Immerhin haben sich 1,8 Millionen(!) Menschen für ein Remake der achten Staffel „Game of Thrones“ ausgesprochen. Manchmal liegt das auch an fehlender Konsequenz, wie bei dieser Petition, die wütende Christ:innen eingerichtet haben, um Netflix dazu zu bringen die Amazon-Prime-Video-Serie „Good Omens“ wegen Blasphemie abzusetzen. Der Fehler wurde mittlerweile bemerkt und behoben…
Aber es gibt sie dann doch, die positiven Fälle von Fan-Aktivismus, die Weiterführungen, Comebacks oder immerhin gebührende Abschlusskapitel für vorzeitig beendete Serien-Formate haben einbringen können und als Hoffnungsschimmer für all jene Petitionen und Aktionen dienen, die gestartet werden, ob nun aus sinnvollen oder sinnfreien Gründen. Hier fünf prominente Beispiele, die ich für besonders gelungen empfinde und zeigen, dass Fans nicht erst seit dem Internet-Zeitalter eine gewisse Macht abseits der Fernbedienung besessen haben.
„Star Trek: The Original Series“
Das wusste ich tatsächlich auch noch nicht, aber „Star Trek“ (also die Originalserie damals ohne jeglichen Beititel) sollte nach einer schwächeren zweiten Staffel von NBC eingestampft werden. Es ist dem Einsatz von Bjo und John Trimble zu verdanken, dass nicht nur die Kultserie selbst fortgesetzt wurde, sondern auch ein gigantisches Franchise rund um die Enterprise entstehen konnte. Wer weiß, ob wir sonst neue Serien wie „Star Trek: Strange New Worlds“ oder „Star Trek: Lower Decks“ überhaupt schauen könnten.
1968 wurden Fans von den Trimbles aufgefordert, Briefe an den Sender zu schicken, um eindringlich darauf hinzuweisen, dass „Star Trek“ keineswegs nur von mittellosen Kindern geschaut werden würde, sondern eine echte, solvente Fan-Gemeinschaft hat aufbauen können. Der Sender lenkte ein, so dass eine dritte Staffel auf Sendung gehen konnte. Auch wenn „Star Trek“ nach dieser final eingestellt wurde, konnte die nun signifikante Staffelmenge dazu führen, dass die Serie in Wiederholungsschleifen gelangte und so über Jahre hinweg einen Kultstatus hat aufbauen können, der Ende der 70er zum animierten TV-Comeback und vielen weiteren späteren Produktionen führen sollte.
„Fans decided to take action, and we did it very well, thank you very much! So well that NBC came on, in prime time, and made a voice-over announcement that Star Trek was not canceled… so please stop writing letters.“ (Bjo Trimble)
„Jericho“ – Der Nuss-Anschlag
2007 lief die erste Staffel von „Jericho – Der Anschlag“, unter anderem mit dem späteren „(Fear) The Walking Dead“-Star Lennie James in einer der Hauptrollen. Der Sender CBS war nicht zufrieden mit den Quoten und stellte die Serie nach gerade mal einer Staffel ein. Im Staffelfinale hatte ein Hauptcharakter die vermeintliche Aufgabe mit „Nuts!“ beantwortet – genau dem sind die Fans gefolgt und haben nicht nur Anrufe und Mails an den Sender, sondern auch 20 Tonnen Erdnüsse geschickt. Daraufhin hat CBS die Daten nochmal gecheckt und gemerkt, dass mit Videorekordern und Online-Streams doch deutlich mehr zugesehen haben. Hier der Verlauf im Detail:
Auch hier sollte die Rettung nicht lange anhalten. Eine zweite Staffel wurde zwar noch produziert, jedoch nach 22 Folgen in der ersten Season lediglich mit sieben Episoden. Es folgte aber noch eine mehrteilige Comicbuch-Reihe und letztlich haben die Fans bewirkt, dass die Geschichte überhaupt fortgesetzt wurde.
„The Expanse“
SyFy hat „The Expanse“ nach drei Staffeln abgesetzt, was nicht nur dazu geführt hat, dass unter anderem George R.R. Martin Amazon-Gründer Jeff Bezos geschrieben haben soll, damit dieser die Sendung über Prime Video weiterführe, sondern auch die Massen in Bewegung gesetzt hat. Unter anderem haben Leute Geld gesammelt, um Banner mit der Aufschrift „#SaveTheExpanse“ durch die Luft fliegen zu lassen. Amazon Studios CEO Jennifer Salke hat dazu gesagt:
„There were airplanes circling us, I was having cakes delivered, there was a whole thing happening. And then really smart people, whose opinions I really value creatively, started reaching out to me, saying, ‚Have you seen this show?'“
Die online koordinierte Aktion ist hier nachzulesen und hat letztlich erfolgreich dazu geführt, dass Amazon die Serie aufgenommen und drei weitere Staffeln produziert hat.
„Lucifer“
Ein weiteres Beispiel für den Wechsel von linearem TV zu Streamingplattformen bietet „Lucifer“. Die Sendung hat nämlich nicht nur hierzulande in Sachen Streaming-Anbieter wilder Wechsel hinter sich (zunächst waren die Folgen bei Amazon zu sehen), sondern auch in der US-Original-Ausstrahlung. Sender Fox hatte die ersten drei Staffeln ausgestrahlt, dann jedoch den Stecker gezogen, was die Fans in Aufruhr gebracht hat. Netflix sprang kurzerhand aufgrund des Feedbacks aus der Communnity ein und hat nicht nur die vierte sondern noch zwei weitere Staffeln übernommen, um die Serie gebührend abzuschließen. Ein prominentes Beispiel, das fortan dafür führen sollte, dass Streamingplattformen und allen voran Netflix ständig darum gebeten worden sind, vom klassischen TV abgesetzte Formate rettend aufzunehmen.
„Brooklyn Nine-Nine“
Die Zeitreise-Serie „Timeless“ wurde gerademal drei Tage nach der Absetzung von einem anderen Network aufgenommen, „Brooklyn Nine-Nine“ hat dafür lediglich 24 Stunden benötigt. Am 10. Mai 2018 hatte Fox bekanntgegeben, die Serie nach der fünften Staffel einzustellen. Das Echo im Social Web war derart stark und negativ, unter anderem mit Promi-Einwänden von Lin-Manuel Miranda, Mark Hamill und Guillermo del Toro, dass Sender NBC sich das Format schnappte und drei weitere Staffeln ausgestrahlt hat. Nine-nine!
Co-Creator und Showrunner Dan Goor ließ über diesen verrückten Tag verlauten:
„The Twitter response was like, ‚Oh, wow, people are really responding to this. And every time I refreshed it, I was getting tens of thousands of likes, which was crazy to me…People really responded to the fact that it’s a very diverse cast, that it feels very inclusive, that the jokes aren’t at the expense of characters.“
Weitere Beispiele?
Es gibt noch viele andere Beispiel von direkten oder indirekten Erfolgsgeschichten, bei denen Fan-Aktivismus zu weiteren Inhalten der Lieblingsserie geführt hat. Sei es der zusätzliche Abschlussfilm, den Netflix der aus Kostengründen abgesetzten Serie „Sense 8“ gewährt hat, oder den „Veronica Mars“-Film, der per Crowdfunding finanziert worden ist. Geld hat auch eine Rolle bei „Futurama“ und „Family Guy“ gespielt, wo gigantische DVD-Verkäufe der Staffeln zur Fortsetzungen geführt haben. Werbekunden haben teilweise auch zur Finanzierung beigetraten, wie Subway, das nicht nur bei der Aktion „Save Chuck“ involviert war, wo Tausende Fans Sandwiches auf den Namen Chuck bestellt und im Netz gepostet haben, sondern wohl auch bei „Community“, wo wir immerhin den ersten Teil der „Six seasons and a movie“-Zeile erhalten haben. Wo bleibt der Film?!?!? Ein aktuelles Beispiel wäre noch „Manifest“, eine NBC-Serie, deren Verbreitungsrechte Netflix kürzlich erwarb und aufgrund der guten Zahlen jetzt wohl eine vierte Staffel produzieren lassen will.
Es ist schön zu sehen, dass wir Zuschauer:innen doch eine gewisse Macht haben. Letztlich regiert Geld die Welt wie so oft, aber man kann mit öffentlichem Nachdruck zumindest gewisse Blicke leiten. Habt ihr noch positive Beispiele für Fan-Aktivismus dieser Art? Dann ab in die Kommentare damit!
Bilder: StarTrek.com / Bjo Trimble, CBS, Amazon Prime Video, Netflix, NBC.
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