Man muss das Serienglück nicht immer in der Ferne suchen, wenn es doch manchmal direkt vor einem liegt. Nachdem der Winter bei Netflix und Co. meiner Meinung nach etwas dürftig ausfiel, schielte ich bereits auf weitere Anbieter und Channels, um mein Streamingportfolio zu erweitern. Ein Blick in die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen hielt mich aber davon ab, denn hier verbergen sich tatsächlich sehr sehenswerte Serienperlen, die längst nicht mehr den Vergleich mit etablierten Produktionen zu scheuen brauchen. Ein cineastischer Look, aufstrebende Darsteller:innen und vielseitige Inhalte zeichnen sowohl die inländischen als auch die internationalen Formate aus. Hier sind meine ganz persönlichen Favoriten, die ihr derzeit kostenlos in den Mediatheken der ARD und ZDF findet – reinschauen lohnt sich.
Unbroken
Krimis – das serielle Steckenpferd unserer Nation – laufen üblicherweise immer nach demselben Schema ab. Nach einem oder mehreren Mordfällen begeben sich die Ermittler:innen auf Spurensuche. Anders der sechsteilige Thriller „Unbroken“, der Opfer und Ermittler in einer Person vereint und clever mit den Erwartungen des Publikums spielt. Die von „Tatort“-Schauspielerin Aylin Tezel verkörperte Polizistin Alex wird darin kurz vor der Geburt ihres Kindes entführt und erwacht sechs Tage später ohne Erinnerungen und tragischerweise auch ohne Baby. Fest davon überzeugt, dass ihr Kind noch am Leben ist, begibt sie sich eigenmächtig auf eine spannende Suche nach den Tätern. Dabei wird jeder Beteiligte zum Verdächtigen und selbst Alex zweifelt irgendwann an ihrem eigenen Verstand. Neben der fesselnden Handlung und der gelungenen Bildgestaltung, ist es vor allem Aylin Tezels Darstellung geschuldet, dass die Serie so überzeugt. Sie geht sowohl physisch als auch psychisch bis zum Äußersten und liefert damit ein unvergessliches Serienerlebnis ab.
„Unbroken“ ist in der ZDF Mediathek verfügbar.
Pure
Deutlich heiterer, aber nicht weniger ergreifend geht es in der britischen Comedyserie „Pure“ zu. Die Romanadaption erzählt von der chaotischen Mittzwanzigerin Marnie, die an einer Zwangsstörung leidet – sie hat ständig schmutzige Gedanken. Das geht soweit, dass sie oftmals kaum in der Lage ist, normale Gespräche zu meistern, ohne dabei an Sex zu denken. Also beschließt sie ihr Heimatort in der schottischen Provinz zu verlassen und einen Neuanfang in London zu wagen. Hier lernt sie neue Menschen kennen, die alle auf ihre eigene Art und Weise etwas Besonderes sind. Was zu Beginn noch nach einer lustigen Laune aussieht, entpuppt sich im Laufe der sechs Folgen als ernstzunehmende psychische Störung mit der die sympathische Hauptdarstellerin zu kämpfen hat. Denn obwohl sie ihre Mitmenschen nicht immer fair behandelt, leidet man mit der von Charly Clive gespielten Marnie mit.
„Pure“ ist in der ZDF Mediathek verfügbar.
Breaking Even
Der Wirtschaftsthriller „Breaking Even“ ist in vielerlei Hinsicht ein echtes Highlight. Der Serie gelingt es eine packende Geschichte um ein deutsches Automobilunternehmen zu erzählen und den Zuschauer:innen einen vielseitigen Cast zu präsentieren. Die Story liest sich wie ein Titelthema eines Wirtschaftsblatts: Die Familienfirma Lindemann ist auf dem Weg ein selbstständig fahrendes Fahrzeug auf den Markt zu bringen, dass dem Traditionsbetrieb die Zukunft sichern soll. Als bei einer nächtlichen Testfahrt eine Fahrradfahrerin angefahren wird, droht das Projekt zu kippen. Das Unternehmen setzt die Betriebsanwältin Nora (toll gespielt von Lorna Ishema) daran, die Umstände des Unfalls aufzudecken, dabei fördert sie immer mehr zwielichtige Familiengeheimnisse ans Tageslicht. Eingebettet in stimmungsvollen, düsteren Bildern deckt dieser ungewöhnliche Thriller mehrere interessante Facetten eines deutschen Mobilitätsunternehmens ab, die 100 Jahre in die Vergangenheit reichen. Leider wurde erst kürzlich mitgeteilt, dass es keine weitere Staffel geben wird, sodass einige Fragen am Ende offenbleiben.
„Breaking Even“ ist in der ZDF Mediathek verfügbar.
Magnus – Trolljäger
Der norwegische Comedyspaß „Magnus – Trolljäger“ ist vermutlich die skurrilste Serie, die man in den Mediatheken findet. Sie handelt von dem Hobbyerfinder und Polizist Magnus, der gemeinsam mit seinem depressiven Partner versucht einen Mord an einer jungen Frau aufzudecken. Als er glaubt, dass Trolle involviert sein könnten, hält ihn sein Vorgesetzter für verrückt und suspendiert ihn. Mit Hilfe eines Jungen aus der Nachbarschaft und einer gehörigen Portion Ideenreichtum, ermittelt er fortan auf eigene Faust. Zugegeben, nicht jeder Gag zündet und nicht alle Trickeffekte überzeugen, aber wer sich darauf einlässt bekommt endlich mal unkonventionelle Serienkost serviert. Insbesondere die zahlreichen Horror- und SciFi-Elemente machen aus der kurzweiligen Serie eine kleine Sensation.
„Magnus – Trolljäger“ ist in der ARD Mediathek verfügbar.
Die Toten von Marnow
Die achtteilige Krimi-Serie „Die Toten von Marnow“ folgt zwar den bekannten Mustern des Genres, punktet aber mit vielschichtigen und interessanten Figuren und einer traumhaft schönen Kulisse. Das Ermittlerduo Lona und Elling geht einer Mordserie nach, die zu einem zwielichtigen Pharmaunternehmen führt, dessen fragwürdiges Handeln weit in die Vergangenheit in der DDR zurückreicht. Die Macher haben die Protagonisten mit allerlei Sorgen versehen, sodass diese eine weit ausgelegte emotionale Bandbreite an den Tag legen. Während Frank von Schulden geplagt wird, hat Lona mit den Dämonen ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Nach „Das Geheimnis des Totenwaldes“ ist dies der nächste qualitativ hochwertige Krimi im Angebot der ARD Mediathek.
„Die Toten von Marnow“ ist in der ARD Mediathek verfügbar.
Gerne hätte ich noch die Politsatire „Years and Years“ aufgenommen, aber die Serie mit Emma Thompson ist derzeit leider nicht mehr in der Mediathek verfügbar. In der Regel stehen die Serien sechs Monate zum Abruf bereit. Regelmäßig kommen neue Formate hinzu, sodass sich immer wieder ein Blick ins Programm der Öffentlich-Rechtlichen lohnt.
Bilder: ARD, ZDF
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