Eine Studie der University of Texas sorgt aktuell für Schlagzeilen. Thema der Arbeit, die auf einer Befragung von 300 Menschen im Alter 18 bis 29 Jahren basiert, ist das Phänomen Binge-Watching (viele Folgen einer Serie am Stück hintereinander schauen). Das Ergebnis der Studie lautet:
They found that the more lonely and depressed the study participants were, the more likely they were to binge-watch TV, using this activity to move away from negative feelings. The findings also showed that those who lacked the ability to control themselves were more likely to binge-watch. These viewers were unable to stop clicking „Next“ even when they were aware that they had other tasks to complete.
Zusammen gefasst: Menschen, die einsam sind und zu Depressionen neigen, tendiere eher dazu Binge-Watching zu betreiben.
Diese Erkenntnis überrascht nicht sonderlich. Viele Menschen nutzen Medien, um aktiv ihre Stimmung zu beeinflussen (das sogenannte Mood-Management), also sich beispielsweise nach einem anstrengenden Tag mit einer Comedy-Serie zu entspannen. Darüber hinaus eignen sich Medien natürlich auch, sich seiner Umwelt zu entziehen und dem Alltag zu entfliehen (Eskapismus), was tatsächlich zu Problemen führen kann, sofern man seinen Alltag dadurch nicht mehr bewältigen kann.
Famke Janssen über Netflix:
Soweit kann ich der Studie folgen und auch zustimmen. Problematisch wird es jedoch, wenn man die Kausalität dieser Beziehung umdreht. Also Binge-Watching als den Ursprung von Depressionen und Einsamkeit verteufelt, wir kennen das aus der Berichterstattung zu Computerspielen in den vergangenen Jahren. Die Huffington Post springt leider auf diesen Zug auf und titelt „Binge-Watching Netflix Is Making You Feel Lonely And Depressed“. Interessanterweise stellt der Autor dieses Artikels selbst fest, dass Einsamkeit und Depressionen auch zu anderen exzessiven Handlungen führen kann (beispielsweise Alkoholgenuss) – also an erster Stelle eben doch Problematiken des Individuums stehen und nicht umgekehrt.
Zugegeben: Dass viele dazu neigen die Binge-Watching Studie so zu interpretieren, liegt auch an Zitaten der Autorin der Studie „A Bad Habit for Your Health? An Exploration of Psychological Factors for Binge-Watching Behavior“. Yoon Hi Sung sagt:
„Even though some people argue that binge-watching is a harmless addiction, findings from our study suggest that binge-watching should no longer be viewed this way, (…) When binge-watching becomes rampant, viewers may start to neglect their work and their relationships with others. Even though people know they should not, they have difficulty resisting the desire to watch episodes continuously“
Ihre Formulierung, dass Binge-Watching keine harmlose Tätigkeit ist, also gefährlich sein kann, führt schnell zu der oben beschriebenen Missinterpretation und der umgedrehten Kausalität. Viel mehr sollte das Fazit dieser Studie sein, dass exzessive Verhaltensweisen, sei es der Medienkonsum oder andere Aktivitäten, immer dann problematisch sind und ein Symptom tiefgehender Probleme sind, wenn dadurch das private und berufliche Leben in Mitleidenschaft gezogen werden.
Interessant ist diese Studie aber dennoch, schließlich hat sie recht, dass Dienste wie Netflix sehr leicht ein problematisches Nutzungsverhalten ermöglichen und wir uns darüber auch bewusst sein müssen. Das ruft das Stichwort Medienkompetenz auf den Plan, was wir aber lieber an einer anderen Stelle noch einmal vertiefen wollen.
Zum Abschluss noch etwas Positives und die Erkenntnis, dass Binge-Watching in Maßen viel Spaß machen kann, wie unser Interview aus dem letzten Jahr mit Taylor Schilling und Kate Mulgrew beweist:
via: EurekAlert
via: HuffingtonPost
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