Nach seinem Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurde es erst ganz laut und dann ganz leise um Jan Böhmermann. Wir erinnern uns: Extra3 veröffentlicht Mitte März ein eigentlich sehr harmloses Lied über Erdogan („Erdowie, Erdowo, Erdowann“) – und der bestellt prompt den deutschen Botschafter ein und fordert eine Erklärung, eine Rechtfertigung für diese böse, böse Tat.
Das lässt der Satiriker Jan Böhmermann nicht so im Raum stehen und zeigt uns allen mal, was man in Deutschland wirklich nicht darf. In seiner Sendung Neo Magazin Royale trägt er ein Schmähgedicht vor, zugegeben, inhaltlich recht provokant. Der Witz daran ist aber, wie Böhmermann das Ganze verpackt. Er steckt es in einen Zusammenhang, aus dem man es nicht einfach loslösen und die Worte und Sätze alleinstehend bewerten kann. Er illustriert eine Beleidigung, was man nicht zuletzt an der Wahl der größten Klischees und Vorurteile erkennen kann.
Doch mit dem, was danach kommt, hat wohl keiner so richtig gerechnet. Die ARD löscht das Video aus der Mediathek, Bundeskanzlerin Merkel entschuldigt sich bei der türkischen Regierung für das Gedicht, die deutsche Regierung erteilt die Ermächtigung, dass Ermittlungen gegen Böhmermann eingeleitet werden dürfen, Böhmermann erhält eine Unterlassungsklage und dem Moderator drohen weitere juristische Konsequenzen. Und dann wird es plötzlich ganz still um ihn. Er sagt seine Sendung Neo Magazin Royale ab und auch auf Twitter, einem Kanal, auf dem er sonst sehr aktiv unterwegs ist, kann man 20 Tage lang keine Zeile von ihm lesen. Doch jetzt ist er zurück!
Passend zum internationalen Tag der Pressefreiheit – wir erinnern uns noch einmal, Pressefreiheit, eine Freiheit, die wir in Deutschland im Vergleich zu manch anderen Ländern genießen, auf die sich Böhmermann aber in diesem Fall leider irgendwie nicht verlassen konnte – meldet er sich wieder zu Wort. In einem Interview mit der Zeit äußert er sich das erste Mal öffentlich zu den Ereignissen und hat klare Worte für Frau Merkel.
„Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um die Meinungsfreiheit geht. Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai WeiWei aus mir gemacht.“
Und Böhmermanns Worte haben Berechtigung. Erst bezeichnete Merkel Böhmermanns Schmähgedicht als „bewusst verletzend“ – später bereute sie die Aussage schon selbst wieder. Vermutlich hat sie da dann auch gemerkt, dass Böhmermann mit dem Gedicht zu erklären versuchte, „was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert“. Irgendwie schon fast wieder komisch, dass genau das voll nach hinten losgegangen ist. Um eine ernsthafte Beleidigung ging es Böhmermann nie.
„Es geht und ging nie um Beleidigung, ich habe mir den Text ja eben gerade nicht zu eigen gemacht.“
Im Interview verdeutlichte er noch einmal, das Gedicht sei „nur ein Teil der Nummer und sollte nicht aus dem Zusammenhang gerissen und einzeln betrachtet werden“. Wurde es aber. Mit krassen Folgen. Er und seine Familie standen sogar unter Polizeischutz, er lebte in völliger Abschottung.
„Präsident Erdoğan zu beleidigen ist mir zu doof. Ich denke, das hat man auch dem reichlich bescheuerten Schmähgedicht angemerkt. […] Jeder, der dieses Gedicht aus dem Zusammenhang nimmt und losgelöst von der ganzen Nummer vorträgt, hat nicht alle Latten am Zaun.“
Böhmermann, ein Rassist?
„Die für mich schmerzhafteste Vorstellung ist wirklich, dass mich jemand wegen dieser Nummer ernsthaft für einen Rassisten oder Türkenfeind halten könnte.“
„Ich habe einen rumpeligen, aber komplexen Witz gemacht, mehr isses ja nicht. Und jetzt wird eben im Namen des Volkes verhandelt: Witz gegen Bundesregierung. Ich bin gespannt, wer zuletzt lacht.“
Schön, dass er sich nun endlich wieder zu Wort meldet. Seit dem Wochenende unterhält er uns auch wieder mit Tweets – in alter Manier. Und bezieht natürlich auch zu seinem Interview direkt Stellung.
Jetzt hält sich Böhmermann ernsthaft für Ai Weiwei. Also entweder ist der völlig verblödet oder ich!
— Jan Böhmermann (@janboehm) 3. Mai 2016
Die Kartoffeln kochen.
— Jan Böhmermann (@janboehm) 3. Mai 2016
Am 12. Mai kehrt er dann auch endlich mit Neo Magazin Royale wieder ins Fernsehen zurück. Und ich bin mir sicher, da hat das Schweigen dann endgültig und so richtig ein Ende. Schön, dass du wieder da bist, Böhmi!
via: Zeit Online & Welt Online | Bild: Marc Beckmann/OSTKREUZ
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