Seit Donnerstag haben nun auch die Briten eine Serie, bei der ein Transgender die Hauptrolle spielt. Und sie wurde mit Spannung erwartet, die Reviews in England sind dahingehend zwiegespalten. Hinsichtlich der grundsätzlichen Thematik sind alle Rezensenten absolut begeistert, wenn man die Sitcom als „normale“ Sitcom betrachtet, sind die 30 Minuten der Pilotfolge nicht gerade die Neuentdeckung des britischen Humors. Wer hat Recht? Beide Seiten. Ist das wichtig? Nein.
Die Story
Die Pilotfolge startet direkt vor dem sehr soapigen Intro mit der eigentlichen Schlüsselszene der Folge. Es werden keine Gefangenen gemacht, die Serie will keine Zweifel aufkommen lassen, worum es in der Serie gehen soll und was das Alleinstellungsmerkmal der Serie sein wird. Wir sehen Judy und Leo bei ihrem ersten Date in einem Restaurant. Und Judy beginnt das Date mit folgenden Worten: „I was born with a penis.“. Die Kamera geht auf Leos Gesicht, welches etwas versteinert ist und Judy wendet sich an den Kellner, der den Satz ebenfalls erstmal verdauen muss, und entschuldigt sich, dass die Bestellung wohl noch etwas warten muss. Ach, schaut doch selbst:
Nach dem nun folgenden Intro beginnt die eigentliche Folge, die einen Tag früher ansetzt. Leo sitzt zuhause und berichtet seinem Bruder, dass er mal wieder seinen Job verloren hat. Dieser macht sich erst ein wenig lustig über seinen großen Bruder, verspricht dann aber, ihrer Mutter nichts zu erzählen. Dass er sich an sein Versprechen nicht halten wird, war schon während der Unterhaltung der Beiden klar. Abends gehen beide Jungs in die nahegelegene Kneipe, da man dort nach Aussage von Leos Bruder die schönsten Frauen der Stadt aufreißen kann. Was ihm dann auch recht schnell gelingt und dazu führt, dass Leo sich an die Bar zurückzieht und einen Drink bestellt.
Judy ist auch in dieser Kneipe und beide kommen an der Bar ins Gespräch und sind sich gleich sympathisch, sie lachen viel zusammen und haben eine gute Zeit. Und sie verabreden sich für eben jenes Date am nächsten Tag, bei dem wir eben schon am Anfang kurz reingesneaked haben.
Das Date selbst beginnt auch in der Tat mit jener Schlüsselszene. Leo findet aber recht schnell seine Sprache wieder und seine ersten Worte darauf lauten: „So you were born in the wrong body“.
Am Ende des Dates bringt Leo Judy zu ihrem Auto und am Ende küssen sie sich auch. Beide berichten dann zuhause von ihrem Date, Judy ist vollkommen überrascht wie Leo reagiert hat und das er sie erzählen ließ und ihr wirklich zugehört hat. Sie scheint sehr glücklich. Auch Leo kommt mit einem Lächeln nach Hause. Er berichtet nur kurz vom Date, um dann auszuholen: „Mum, Dad … there is something you have to know“. Man erwartet also den großen Schockmoment für die Mutter, um einen Cliffhanger für die zweite Folge zu haben.
Aber Leo sagt etwas anderes: „She could be the One!“.
Stereotypische Klischees …
Soweit, so kitschig. Zumindest das Ende. Das ist es auch, was die professionellen Reviewschreiber negativ anmerken. Zudem bemängeln sie die Stereotypen, die um Leo und Judy aufgebaut werden. Leos Mutter ist kontrollierend, reagiert meist über und macht sich ständig Gedanken um ihre Söhne, vorrangig Sorgen um Leo. Judys Mutter ist hauptsächlich weird.
Beide Geschwister, Judy hat eine Schwester, haben bisher nur eine Aufgabe, sie sind der lustige Sidekick in den familiären Szenen. Aber witzige. Dann hätten wir noch Leos Vater, der wahrscheinlich als erstes Judy mögen wird, da er die gute Seele im Hause darstellt, der seiner Frau aber (noch) nicht in den Rücken fällt.
Und passend zum Klischee reagiert Leo so, wie man es als Zuschauer erhofft, er dreht sich sogar nach dem ersten Abschied ohne Kuss wieder um, um dann doch noch die Hoffnung der Zuschauer zu erfüllen, die von der Geschichte und ihren beiden Hauptdarstellern ziemlich schnell eingenommen werden. Wir sind nunmal in einer Romanze. So muss da sein.
Wie sich die Story über die erste Staffel entwickeln könnte, scheint auch ziemlich klar. Beide werden sich aneinander annähern, das erste Mal Sex haben, zwischendurch werden sich die Familien kennenlernen und es wird erste Streitigkeiten geben. Natürlich wird Leos Mutter am Anfang ihre Probleme mit Judy haben, aber am Ende sehr wahrscheinlich ihren Sohn ermutigen, zu seinen Gefühlen zu stehen, nachdem sie sich kurzzeitig mal trennen, da Leo ein Problem bekommt, wie seine Umgebung auf Judy reagiert. Ist aber nur eine Vermutung.
… aber es funktioniert
Die normalen Zuschauer aber, zu denen ich mich auch zähle, schwärmen von der Pilotfolge. Denn auch wenn die Figuren teilweise sehr klischeehaft sind, sie funktionieren. Vor allem Rebecca Root und Harry Heeple haben die gewisse Chemie zwischen sich, die das Paar gleich sehr sympathisch wirken lässt. Die Kommunikation klappt auch schon ohne Dialoge, allein durch Augenklimpern und Stirnrunzeln.
Wobei die Dialoge sehr angenehm sind und teilweise so typisch britisch, was auch immer jeder darunter versteht, dass ich zwei, dreimal in mich hinein lachen musste. Vor allem während der familiären Diskussionen in Leos Familie. Die haben da so ein Familienritual mittels eines imaginären Tagebuchs, wenn sie ein familiäres Problem besprechen müssen. So umgehen sie wohl die direkte Anrede.
Transgender – keine besonderen Unterschiede
Was für mich vorher ungemein interessiert war, war, wie sie das Thema Transgender in die Geschichte einbauen. Mit erhobenen Zeigefinger? Gesellschaftskritisch? Aus meiner Sicht haben sie sich für „einfach so“ entschieden. Es macht für die Grundstory – die Liebesgeschichte zweier Menschen – keinen echten Unterschied, dass wir hier mit Judy eine Transgenderfrau haben. Es hätte auch das Alter sein können oder andere offensichtliche Unterschiede, die der Story die gewisse Würze geben.
Und so sollte es auch sein.
Ich empfinde diese Lösung als sehr angenehm und angemessen. Es ist dennoch wichtig, dass wir hier eben dann doch eine eher ungewöhnliche Geschichte präsentiert bekommen, die sehr charmant rüber kommt. Die Zeit war reif.
Wertung
Für die Thematik, dass man mit Rebecca Root eine Transgender in der Hauptrolle präsentiert, die eine Transgender spielt, hätte die Folge eigentlich die doppelte Kronenzahl verdient. Die durchaus berechtigten Kritiken hinsichtlich der stereotypischen Klischees für eine Sitcom & Romanze kann man aus meiner Sicht bei der Bewertung der Pilotfolge durchaus mal unter den Tisch fallen lassen. Ein wenig zumindest.
Die Geschichte wird charmant präsentiert, die Figuren funktionieren und es gibt zahlreiche humorvolle Dialoge. Vor allem unterhält die Pilotfolge ungemein und man freut sich schon jetzt auf die weiteren Folgen.
Foto: BBC2
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