Vor einigen Tagen wurden die Nominierungen für die Emmys 2016 bekannt gegeben. Wir haben über die ellenlange Nominierungsliste berichtet, sowohl über positive wie über negative Überraschungen. Ich habe einige Tage die Nominierungen auf mich wirken lassen, und ich muss sagen, dass ich einige Dinge nicht verstehe. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Emmys grundlegend reformiert werden müssen.
Warum? Dafür muss ich ein wenig in der Historie der Emmys graben. Die Emmys stammen aus einer Zeit, in der das Fernsehen so etwas wie das schwarze Schaf unter den Entertainment-Kanälen war. Das Kino war en vogue, das Fernsehen spielte eine untergeordnete Rolle. Serien im Fernsehen? Noch schlimmer, quasi die Steigerung von „nur Fernsehen“. Doch diese Perspektive hat sich in den letzten Jahren komplett gewandelt. Produktionen fürs Fernsehen, oder später dann natürlich für die Streaming-Dienste und Video-on-Demand-Anbieter, sind immer hochwertiger geworden, stehen heute teuren Kinoproduktionen in nichts (oder nicht mehr viel) nach. Immer mehr etablierte Filmschauspieler wagen Ausflüge ins Serienfach, Hollywood-Regisseure finden ihre Freude am seriellen Erzählen, Komponisten von Blockbuster-Scores vertonen große Geschichten folgenweise.
seriesly AWESOME Kommentar
Einmal im Monat gehen wir in unserem seriesly AWESOME Kommentar auf ein aktuelles Serienthema ein. Ein AWESOMER bezieht darin Stellung und stellt seine persönliche Meinung zu diesem Thema dar. Natürlich seid Ihr alle eingeladen, über die Kommentarfunktion Eure Meinung kundzutun. Die Redaktion freut sich auf den Austausch mit Euch.
Wo bleibt die dritte Serien-Kategorie?
Der „Fernsehpreis“ Emmy hat mit dieser Entwicklung jedoch nicht Schritt gehalten. Seit 1951 wird die beste Dramaserie ausgezeichnet, seit 1962 gibt’s einen Emmy für die beste Comedy. In den 70er Jahren kamen die Miniserien dazu, Anfang der 90er Jahre der Fernsehfilm. Heute hat sich aber gerade die Serienlandschaft so kolossal erweitert, das meiner Meinung nach diese vier Kategorien nicht mehr reichen – mehr noch: Sie treffen nicht mehr den Kern der Serienlandschaft. Eine Serie ist eben nicht nur Drama oder Comedy: Es gibt auch jede Menge dazwischen – und darüber hinaus. Die vielen Superhelden-Serien zum Beispiel finden fast überhaupt nicht in den Nominierungslisten statt – mitunter sicher auch, weil sie eben weder eine reine Comedyserie sind noch ein klassisches Drama erzählen. Sie enthalten Teilelemente davon, sind aber eben auch eine vollkommen neue Kategorie, die Wert darauf legt, phantastische Geschichten zu erzählen.
Wir hier bei sAWE.tv haben die AWESOME Serien in drei Bereiche unterteilt: Comedy (Aha!), Drama (Passt!), und – SciFantasy! Wo sich eben Jessica Jones und Daredevil widerfinden, aber auch The Walking Dead, Wayward Pines oder Game of Thrones. Diese Kategorie als dritte Hauptseriensparte bei den Emmys einzuführen, macht bei Betrachtung der aktuellen Entwicklung auf dem Serienmarkt absolut Sinn. Und die Einteilung schafft Platz für neue Serien, gerade in der Drama-Kategorie, wo sonst die üblichen Verdächtigen Jahr für Jahr die Nominierungslisten blockieren für andere großartige Dramaserien, die im TV- oder Streaming-Programm eher ein Nischendasein fristen, aber aufgrund ihrer Geschichte, ihrer Produktion und ihrer Dramaturgie sicher eine Nominierung verdient hätten. Ich denke da an The Leftovers, an Rectify oder The Knick.
Wir wollen nicht immer die gleichen Serien sehen!
Das ist nämlich noch das andere Problem, das die drei ausrichtenden Academys mit dem Emmy haben. Anders als beim Oscar, wo ein Film in einem Jahr der große Abräumer sein kann, im Folgejahr aber andere Filme eine Chance haben, liegt es bei Serien in der Natur der Sache, dass sie Jahr für Jahr mit neuen Staffeln an den Start gehen. Klar ist auch: Wird eine Serie einmal nominiert und hält ihre Qualität, ist sie nach derzeitigem Prozedere ein sicherer Kandidat für die Folgejahre. Nur weiß man ja im Prinzip nach dem ersten Emmy, den eine Serie in der Hauptkategorie bekommen hat, dass sie irgend etwas Gutes an sich haben muss. Deswegen muss sie nicht in den Folgejahren auch immer wieder nominiert werden. Der Emmy ist dazu da, auf sehenswerte, hochwertige Fernsehproduktionen aufmerksam zu machen. Mit der heutigen Produktionsweise von Serien blockieren aber eine handvoll Serien diesen Anspruch Jahr für Jahr.
House of Cards, Homeland, Game of Thrones – klar sind diese Serien gut, und dass weiß jetzt auch jeder, also bitte mal von der Liste streichen und zeigen, was der Serienmarkt sonst noch an AWESOME Serien zu bieten hat. Das ist nämlich eine ganze Menge.
Ich bin da ganz bei dir – und froh, dass wir hier die richtige Kategorisierung gefunden zu haben scheinen… ;)
Es ist natürlich nicht leicht, jedes Format in Schubladen zu stecken, aber manchmal tut es schon weh, wenn man eh weiß, welcher Kritiker-Liebling mal wieder abräumen wird (vor allem Abschieds-Awards zum Serienende sind dämlich!). Müssen wir halt unsere eigenen Awards machen…
Abschiedsawards, da kann ich dir (fast) zustimmen. Klar, Breaking Bad hat es mMn sowas von verdient, vor allem nach der groooßartigen 5. Staffel. Aber durch Cranstons Übermacht hatte Jon Hamm ja keinerlei Chancen. Im nächsten Jahr hat man dann ihm seinen Abschiedsaward gegeben.
Aber bei der Comedysparte bin ich immer super unzufrieden. Da hätte Parks & Rec einen Abschiedsaward gewinnen sollen, wenn sie sonst schon immer leer ausgegangen sind.
Auch eine neue Kategorie, wie von Michael vorgeschlagen, wäre eine tolle Sache. Aber ich denke, dass das nicht passieren wird. Ich glaube, dass die Verantwortlichen irgendwie ein Mind Set haben, was ihnen sagt: SciFantasy ist uns nicht ernst genug. Was natürlich Schwachsinn ist. Immerhin nominieren sie ja auch wie blöd GoT. Aber GoT ist ja eh so ein Thema ;)
Gerade Jon Hamm bzw. „Mad Men“ ist genau mein Beispiel für einen dermaßen unangebrachten Abschiedsaward…. ;) Aber klar, wenn eine Staffel gut ist, ist sie gut und sollte so behandelt werde („Breaking Bad“).
Würde so eine „Sonderbehandlung“ die ganzen SciFi Fantasy Serien nicht erst recht in ein „Award Ghetto“ schicken? „Oooh, sie sind nicht gut genug um bei den echten Kategorien mitzuspielen. Ist ja auch nur Fantasy.“ Hinzu kommt, wenn ein Actionthriller wie „24“ oder eine Fantasyserie wie „Game Of Thrones“ es mehrfach schaffen in die „Drama“ Kategorie aufgenommen zu werden (und sogar zu gewinnen), sollte es eigentlich für andere nicht-klassische Dramaserien auch möglich sein.
In Sachen „Platzbesetzern“ stimme ich zu. Es ist schon merkwürdig, wie manche Serien selbst bei schlechten Staffeln Jahr für Jahr für Jahr nominiert werden. Hinzu kommt auch oft ein ziemlich fragwürdiger Fokus auf all diese Premium Cable Multimillionen-Dollar-pro-Folge Serien mit Hollywoodstars in den Hauptrollen, während die normale Networkserie oft nur noch bei den Comedies oder den technischen Kategorien zu finden ist. (Wenn überhaupt.) Da scheint es mir oft, als ob sich die Jury vom falschen Glanz blenden lässt und eher Production Values und Starpower mit echter Qualität gleichsetzt.
Das Problem sind glaube ich einfach die verschwimmenden „Grenzen“. Klar, „GoT“ ist Drama, aber auch nur, weil es so Mainstream ist. Viele Formate haben ja bereits Probleme, in „Comedy“ oder „Drama“ eingeteilt zu werden und landen bei unterschiedlichen Awards in anderen Kategorien („Orange Is The New Black“ z.B.). Schwere Sache, aber ich denke, mit mehr Aufteilung würde man entsprechend mehr Fokus auf andere Bereiche legen. Aber klar „Best SciFantasy Show“ klingt zunächst mal nicht so geil wir „Best Drama Show“… :)
Ja, diese Dramedy Sache ist schon sehr kompliziert geworden, seitdem die Serienmacher ihren Zuschauern mehr zutrauen und so manche Serie es wagt, in fließenden Übergängen lustig und dramatisch zu sein. Die aktuelle Laufzeitregel (1 Stunde = Drama, halbe Stunde = Comedy) ergibt keinen Sinn.
Trotzdem, wenn man die Fantasyserien in ihre eigene Kategorie abschiebt, wo soll das enden? „Best Actionthriller“? „Best Crime Show“? „Best Drama With Comedy Elements?“ Ist GoT, bei dem Machtspielchen und Soapelemente ja eher im Vordergrund stehen als Drachen und Magie, dann ein Kandidat für „Drama“ oder „SciFantasy“? Wieviel Fantasy muss eine Fantasyserie haben? Zählt schon eine Actionshow mit einem Blinden, der ein hervorragender Ninja ist oder muss er erst in jeder Folge gegen Mutanten und Aliens kämpfen? Zählt „The Last Man On Earth“ als Science Fiction, weil es in der Zukunft, nach dem Ende der Menschheit spielt? Und was ist mit Comedies wie (das leider mal wieder völlig übersehene) „Galavant“ oder das demnächst kommende „Powerless“? Brauchen wir eine eigene Kategorie für lustige SciFantasy?
Und soooooooo viele, wirklich preisverdächtige Fantasyserien gibt es auch nicht. Wird man also nach Popularität gehen und die Fantasykategorie jedes Jahr mit GoT, den Netflix Marvels und evtl noch „The Walking Dead“ füllen? (Die in meinen Augen auch nicht wirklich würdige Kandidaten sind.) Dann hat man auch wieder das Problem mit den „Platzbesetzern“, denn wie viele Jurymitglieder sind tatsächlich „Nerd“ genug, um über den Tellerrand hinaus zu blicken und weniger erfolgreiche oder auf Hochglanz polierte Serien zu beachten?
Nö, ich glaube was wirklich gebraucht wird, ist tatsächlich „nur“ eine experimentierfreudigere Jury, die auch gerne mal bereit ist, Neuankömmlinge den alten Hasen vorzuziehen und nicht immer nur jedes Jahr die selben Kreuze macht.
Ja, das stimmt, dann sähe so ein Voting-System bald aus wie das Menü von Netflix oder die neuen Sondersendungen von dieser ultimativen Chart-Show – wuäh!
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