Fynn Kliemann bei den Öffentlich-Rechtlichen – wie passt das zusammen? Und was passiert in seinem Format „Die Lieferung“ überhaupt? Und was guckt er selbst, wenn er gerade nicht programmiert, bastelt, dreht, musiziert oder komponiert? Darüber haben Leonie und ich mit Fynn Kliemann im Interview gesprochen. Wer Fynn Kliemann kennt, der weiß, dass da nicht unbedingt ein ganz normales Interview bei rauskommt. So war‘s auch bei uns, aber lest oder hört selbst: Wer gerne liest, bekommt hier unser Interview im Fließtext, die Podcast-Fans unter Euch können in unseren Audio-Mitschnitt reinhören, den es hier bei Soundcloud gibt, oder auf den sonst bekannten Plattformen bei Spotify und Apple Podcast. Mehr zur Sendung an sich gibt es hier in diesem Beitrag.
Leonie Singer: Hallo Fynn, schön, dass Du da bist. Wir sprechen heute über Dein neues Format „Die Lieferung“. Sag‘ doch mal ein bisschen was über Dich und beschreib‘ uns Dein neues Format.
Fynn Kliemann: Ich würde mich als Webdesigner bezeichnen als Priojob, aber ich tüddel‘ auch in vielen anderen Sachen rum, ich mache Musik, bin viel im Internet unterwegs, mache viele Filmchen auf Youtube, und jetzt haben wir uns bei mir im Wohnzimmer ein neues Format ausgedacht, das haben wir „Die Lieferung“ genannt, wo wir jeden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit Sachen bekommt, von denen man nicht weiß, was sie sind, und dann müssen meine Freunde und ich das irgendwie lösen. Ich hab‘ nämlich so einen verrückten Freundeskreis, und wir sind alle, das haben wir dann festgestellt, professionelle Actionsportler, und gleichzeitig haben wir aber auch alle irgendwie was richtiges gelernt, nämlich zum Beispiel Ingenieur oder sowas. Und diese Kombination fand ich irgendwie so spannend, dass wir irgendwie Bock haben, einen Rückwärtssalto in irgendeinen Fluss zu machen, aber gleichzeitig ausrechnen können, wie sich Trägheit dabei auswirkt, und diese Kombination fand ich irgendwie cool, und da haben wir uns das Format ausgedacht – was wir da machen können, nämlich alle zusammen eine Woche lang in eine Hütte einsperren und jeden Tag irgendwas geliefert bekommen.
Steckbrief: Fynn Kliemann
Geboren: 1. Mai 1988 in Zeven
YouTube: Fynn Kliemann Heimwerkerking
YouTube: Kliemannsland
Youtube: Fynn Kliemann Musik
Auszeichnungen: 1 Live Krone Bester Newcomer 2018, nominiert für 1 Live Krone Bester Künstler 2020
Michael Braun: Und das heißt dann, die Leute, die bei Dir dabei sind, die kennst Du auch alle schon?
Fynn: Genau, genau. Bis auf Silke kannte ich alle, Silke haben wir quasi dazugecastet, die fand ich schon immer cool bei Instagram, ich habe da immer zugeschaut, was sie so treibt, und die Kombi war dann ganz geil. Alle anderen sind vorher schon Freunde gewesen.
Michael: Die hat man dann also auch schonmal bei anderen Formaten gesehen, die hattest Du also schonmal woanders dabei?
Fynn: Die kommen einfach aus dem Freundeskreis. Wir haben mit den meisten schonmal irgendwas gedreht zufälligerweise, denn bei mir sind Freunde und Kollegen eigentlich immer irgendwie das gleiche.
Leonie: Das Format war dann also deine Idee, und wie kann man sich vorstellen, dass so etwas dann bei ZDFneo landet?
Fynn: Da rufst Du jemanden an und sagst dem ‚Guck mal, das haben wir uns ausgedacht, habt Ihr da Bock drauf?‘. Und bisher haben alle Leute, die wir immer angerufen haben, irgendwie ‚ja‘ gesagt, ‚kommt mal vorbei‘. Und dann gab‘s so‘n bestimmten Punkt, da wäre ich auch einfach rausgewesen, denn ich wollte auf jeden Fall, dass das authentisch wird, ich wollte auf keinen Fall wissen, was da kommt. Also, wenn ich weiß, welche Lieferung da kommt oder wo das genau ist, dann ist das ja tierisch langweilig. Und ab dem Zeitpunkt haben wir dann ein Team zusammengestellt, mit dem Kliemannsland haben wir ja unsere eigene Produktionsfirma aufgebaut in den letzten Jahren, und damit haben wir dann angefangen, das Projekt zu produzieren.
Michael: OK, wenn Du dann jetzt ZDFneo angesprochen hast, dann ist es eben da gelandet. Aber warum genau da? Es hätte ja auch noch eine große Auswahl anderer Sender gegeben.
Fynn: Mit Tim zusammen führe ich diese Produktionsfirma, da sind ja auch noch viele andere dabei, und wir haben überlegt, zu wem das passen könnte und wo das auch lustig platziert wäre, das ist ja auch immer so eine Sache. Es geht ja auch immer ein bisschen darum, wo kann man sich das vorstellen, und für mich ist am Ende des Tages ja immer die Mediathek interessant, denn dieses lineare Fernsehprogramm… na gut.
Leonie: Veröffentlichungstag wird Silvester sein… wie kam es dazu?
Fynn: Jaja, genau. Das haben die vorgeschlagen. Bei Ausstrahlungsterminen hat man gar nichts zu sagen. Also, das gilt nicht nur fürs ZDF, das gilt für alle Sender und Streamingdienstleister. Du sagst ‚Hey, sollen wir das zusammen machen‘ – ‚Ja gut, okay‘, und dann geben die einen Zeitrahmen vor, wann die das denn bringen wollen. Da kann man höchstens sagen: ‚Das geht nicht, weil da streame ich meine Arschvergrößerung auf Instagram, da ist der Fokus ganz woanders‘. Da könnte es natürlich sein, dass sie die Ausstrahlung nochmal verlegen, aber sonst geht da nichts.
Michael: Aber ist ja vielleicht auch ganz nett, wenn man dann sagt an Silvester: ‚Was mache ich denn bis zur Party?‘, wenn ich denn eine mache, da gucke ich mir einfach noch 5 Stunden die Sachen an, die Ihr da bastelt – ist ja vielleicht auch ganz witzig. Ist vielleicht auch nochmal eine Anregung dabei, was man an Silvester dann selber bastelt, je nach dem, was man zu Hause rumfliegen hat…
Fynn: Ja klar…
Leonie: Du hast ja schon gesagt, dass Du auch das ZDFneo-Projekt mit Deiner Produktionsfirma umgesetzt hast, aber wie ist das dann, wenn man’s umsetzt – gibt es da für Dich einen Unterschied, wenn Du für ZDFneo drehst statt für YouTube?
Fynn: Ja, also wenn wir jetzt selbst was produzieren, dann ist das immer Scheiß auf alles. Da haben wir gar keine Regeln, da drücke ich irgendeinem Kumpel eine Kamera in die Hand und dann legen wir los. Es gibt kein Skript, und ich habe aber auch nullkommanix Qualitätsansprüche in Form von Bild, Grading… Ton sollte nicht ganz beschissen sein, sonst ist mir wirklich alles komplett egal. Ich glaube ganz, ganz fest an Inhalte und ganz wenig an Vorgaben, was Qualität angeht. Am Ende des Tages ist die Geschichte immer das Interessante und die Art, wie das rüberkommt. Und je freier das ist, und je freier das vor allen Dingen produziert wird, desto besser ist das Feeling dabei, glaube ich, und umso lieber guckt man das, egal, ob das verwackelt ist oder dunkel oder so, das ist mir persönlich immer egal. Und klar, da ist natürlich der Unterschied, da haben die natürlich am Ende des Tages auch Vorgaben und Vorstellungen, wie das werden soll, vor allen Dingen aber sicherheitsrechtliche Schritte, die man da beachten muss – sowas schmeckt mir auch immer gar nicht, deswegen habe ich auch ein großes Team drumherum – ich gehe dann immer da rein und sage, also wenn Ihr Vorgaben stellt, dann bin ich raus und dann räumt dahinter irgendwer auf und sagt ‚Pass auf, wir finden hier einen guten Mittelweg‘, so dass da keiner abspringt und so uncool, wie man immer denkt, dass die Öffentlich-Rechtlichen sind, sind sie ja auch gar nicht, sie sind da ganz entspannt, die haben da auch Bock drauf. Die würden das auch viel freier machen, wenn sie dürften und so. Man muss sich hier und da an die Regeln halten, die ja am Ende auch nur für den eigenen Schutz da sind, und ich versteh‘ das am Ende des Tages auch schon, aber ja, da gibt’s natürlich einen Clash und natürlich vor allem auch Generationen, die aufeinander treffen. Aber ich glaube, beide Seiten haben’s gelernt, dass man voneinander profitieren kann und viel lernt.
Michael: Ich habe jetzt auch schon ein paar Sachen im Trailer gesehen und auch schon einige Fotos, da sind ja auch echt abenteuerliche Sachen dabei, die ihr da gebastelt habt – dass man da von Seiten ZDFneo Sorge hat, das kann man sich dann schon vorstellen. Hast Du denn selbst auch die Folgen schon gesehen?
Fynn: Ich hab‘ den Rohschnitt gesehen, ich finde aber auch immer – und das ist bei dieser Hausboot-Geschichte auch das gleiche – wir haben nicht ohne Grund ein großes Team dabei, und der Grundaufbau, und der Schnitt, und die Ausarbeitung der Story, das muss laufen. Wenn ich das mache, ist das immer blöd. Das ist schon sinnvoll, dass das jemand macht, der dann auch komplett frei arbeiten kann, ohne dass einer immer dabei steht und sagt, wie es gemacht werden soll. Ist immer das Problem, wenn man selbst da mit drinsteckt, dann wird das immer so eine selbstverliebte Scheiße, wo Du darauf achtest, wie Du aussiehst oder sowas, und das kann so eine Serie gar nicht gebrauchen.
Michael: Wenn die Sachen dann ausgestrahlt sind, im Block in der ZDFmediathek und dann wöchentlich bei ZDFneo, kannst Du Dir dann auch ein Folgeformat vorstellen oder habt Ihr da noch gar nicht drüber gesprochen?
Fynn: Nö, noch gar nicht drüber gesprochen – mal gucken.
Leonie: Jetzt sind wir ja ein Serienblog, und uns würde natürlich brennend interessieren, was so Deine Serienvorlieben sind – oder bist Du mehr der Filmfan?
Fynn: Naja, also, ich guck‘ immer nur so extrem peripher – shame on me. Ich hab‘ immer einen Laptop auf dem Schoß und arbeite halt dabei, das heißt, die meisten Serien und Filme sind an mich verschenkt, außer es gibt so richtig krasse Filme, für die gehe ich dann auch ins Kino. Und ansonsten Zuhause – bei uns läuft es abends echt immer so: Franzi pennt und ich arbeite und dann läuft King of Queens – das ist jetzt schon seit zehn Jahren oder so jetzt so. Das wird sich auch niemals ändern. Danach ziehen wir um, gehen irgendwann ins Bett und dann gucke ich Dokus über physikalische Anomalien. Und diese Kombination, Astrophysik oder Erfindung gerade in der Quantenmechanik, oder Nanotechnologien, das gucke ich seit Ewigkeiten. Viel Astrophysik, viel über Antriebsarten, wie reist man irgendwo hin, und was zur Hölle passiert in unserer Milchstraße – das sind ja am Ende auch Serien, so ein bisschen nerdige, aber ich kann jedem nur diese ganzen Quarks & Co. Geschichten ans Herz legen, da passiert sehr viel, das ist das beste, was es gibt.
Michael: Du hast ja vorhin noch ein anderes Projekt angesprochen, ‚Das Hausboot‘, das auf Netflix laufen wird. Das ist ja im Prinzip auch so eine Sache mit einer Basis, aus der man gar nichts draus machen konnte, und dann habt ihr da ja relativ viel reingesteckt – ich habe das immer gehört im Podcast von Olli Schulz und Jan Böhmermann, dass da immer wieder neue Sachen aufgetaucht sind, die irgendwie kaputt waren oder so. Sind da auch Leute dabeigewesen in diesem Format, und kannst Du zu dem Format was sagen?
Fynn: Gleiches Team, ist auch Kliemannsland-Produktionsfirma. Also beim ZDFneo-Projekt sind dann schon andere Cutter oder so dabei, das ist anders zusammengestellt worden, das ist ja auch ein viel größeres Team, wir hatten Corona, und quasi einen Dreischichtbetrieb. Wir haben 12 Stunden und noch länger gedreht, und da waren schon die ganze Zeit Kameras dabei. Und beim Hausboot haben wir schon Termine gemacht: ‚Guck mal, heute wird voll viel umgebaut, wir sind in der Werft, das und das passiert, das wird angeschweißt, Olli und ich müssen das noch entscheiden und die Interieurdesignerin kommt – Kamera, komm mal bitte auch‘. Hausboot hat im Grunde Bernd alles gedreht und dann gab’s mit Regina eine Redaktion, wenn Du so möchtest, und ab und zu war ein Tonassistent dabei. Und das war immer dann, wenn wir gesagt haben, ‚heute passiert viel, wir kommen mal zusammen‘, und es war oft so. Ist aber auch eine reine Doku, und das andere ist ja schon ein Format mit einer Struktur, bei der Doku haben wir ja zwei Jahre Materialschlacht hinter uns.
Leonie: Wie stark ist denn bei ‚Die Lieferung‘ dieser Wissenstransferaspekt, Du hattest das ja vorhin schon angedeutet, und weil Ihr ja auch eine Wissenschaftlerin dabei habt, die am Ende auch noch Wissen vermittelt und Sachen erklärt, und kam das von Dir?
Fynn: Naja, ich wollte am Anfang eigentlich immer den Lesch haben, das haben wir immer so in den Raum geworfen. ‚Wie witzig wär‘ das, wir kriegen irgendeinen Scheiß und dann muss der Lesch irgendwas dazu sagen, was man damit hätte machen können‘. Aber da haben alle auch schon gesagt‘ Boah, der hat da bestimmt kein‘ Bock drauf auf so einen wilden Haufen und so‘, und das war einfach nur so eine fiktive Idee und ich fand das irgendwie witzig, und eigentlich bin ich ja viel größerer Fan von Josef M. Gaßner, das ist ja sein Kompagnon, mit dem er auch diese Sendung macht, der most-underrated Physiker in Deutschland muss man sagen, und die beiden streiten sich immer, und der Lesch geht da immer rein und Josef hat immer die klugen Statements, und deswegen habe ich schon vor sechs, sieben Jahren eine Facebook-Fanpage für ihn gebaut, die Josef M. Gaßner Fanpage, hat bis heute vier oder fünf Mitglieder und ich. Und den wollte ich, weil ich dachte, ich muss Josef treu bleiben, auch wenn Lesch jetzt hier so’n Höhenflieger ist, und dann haben die vom ZDF gesagt: ‚Beide haben kein Bock‘. Dann habe ich aber auch sehr schnell verstanden – ich meine, die machen echte Sendungen über echte Dinge, wir machen ja auch viel Quatsch, und wir brauchten jemand viel lockeres, jemand viel cooleres, der das alles mit viel mehr Humor nehmen kann, und die haben wir dann erfolgreich gefunden.
Leonie: Schön, das heißt, für wen eignet sich jetzt ‚Die Lieferung‘, wer soll sich das angucken, also außer alle?
Fynn: Jaja, ich glaub‘ schon, da drin sind Sachen für jede Art von Tüftler und die, die es gerne werden wollen. Ich find’s immer cool, wenn man so mitfiebert und sehr schnell merkt, ‚Oh Gott, wie dumm sind die denn‘. Das finde ich immer sehr sympathisch und das denke ich ja bei sehr vielen Sendungen auch, dass ich da draufgucke und denke ‚Ey, ist der dumm, der kann ja garnix‘. Und das ist ja voll spannend, ich finde so lästern über Fußballvereine, Musik und so weiter – sich gegenseitig streiten und etwas besser wissen als jemand anderes ist voll der wichtige Treibstoff fürs Leben. Und ich glaube, das kann man bei uns auch sehr gut. Da sind ein paar Heiopeis bei uns dabei, die können was oder wissen wirklich, was passiert, und haben wirklich Ahnung von der Materie, und jemand wie Brian und ich sind halt auch dabei und geben unseren Senf dazu. Wir sind halt eher die Praktiker, das sieht man darin auch. Ich glaub‘, für jeden, der so Lust auf mitfiebern und rausfinden und basteln im Allgemeinen hat, da ist man sehr gut mit beraten.
Bilder: Tino Sieland / Ole Hellwig / ZDFneo / Kliemannsland
Kommentiere
Trackbacks