Das, was Jürgen Domian schon sein ganzes Leben beschäftigt, ist der Tod. „Ich habe über nichts so viel nachgedacht und bei nichts so sehr mit mir gehadert wie beim Tod – damit, dass alles endlich ist.“ – sagt Jürgen Domian zu Beginn eines Films, der von ihm selbst handelt. „Domian – Interview mit dem Tod“, heißt die Doku-Reportage über den Late Night-Talker, die am Wochenende samt anschließender Talkrunde ihre Premiere gefeiert hat. sAWE.tv war in der Essener Lichtburg dabei.
Schwer zu sagen, was man von einem Film erwartet, der jemanden porträtiert, der seit rund 20 Jahren Nacht für Nacht eine Call-In-Show moderiert. Sich die Sorgen der Menschen anhört, mit ihnen diskutiert, ihnen Trost spendet, aber auch mit ihnen lacht. Irgendwie wird man ihn bei der Arbeit zeigen, prominente Freunde zu Wort kommen lassen, ihn für sein nächtliches Engagement loben. Doch es kommt anders – von Anfang an.
Domian spaziert durch die Nacht, spricht mit sich selbst, spricht mit dem Tod. „Interview mit dem Tod“ ist ein Buch, dass der 58-Jährige vor einigen Jahren geschrieben hat und das jetzt auch Namensgeber für den Film war. In der Doku gibt es immer wieder Dialogfetzen aus diesem Buch, wohl dosiert eingestreut. Dann sehen wir Domian im WDR-Studio. Ohne große Aufregung präpariert er das Studio, richtet Bildschirm und Hintergrundwand ein, schminkt sich für die Sendung. Wir sehen das Team bei der Arbeit und spüren, wie Domian auch nach 20 Jahren immer noch an seiner Arbeit hängt; wie er einerseits im Interview steckt, andererseits aber immer mit einem Ohr bei den Gesprächen in der Redaktion dabei ist – leicht nervös, angeregt, gespannt. Der Film erzählt das in aller Ruhe, ohne weitere Kommentare oder Dialoge. Überhaupt nimmt sich Regisseurin Birgit Schulz ausreichend Zeit, um Platz zum Nachdenken zu schaffen. Ruhige Kamerafahrten zeigen zwischen den Geschichten immer wieder Landschaften, Räume, Menschen.
Neben der Dialogebene mit den Zitaten aus dem Buch und der Domian-Sendung gibt es zwei weitere Ebenen in dem Film: Domians Privatleben, und Porträts von neun ehemaligen Anrufen, deren bewegende Geschichten noch einmal präsentiert werden. Und es werden die Hörer gezeigt, die um 1 Uhr nachts wach sind und Domian hören: der Tankstellen-Mitarbeiter in der Nachtschicht, der Bäcker, der eine Stunde früher aufsteht, um zu Arbeitsbeginn Domian zu hören, die Brummifahrerin, die um 1 Uhr in Dortmund startet und für die Domian kurz hinter Paderborn leider schon zu Ende ist. Dabei wird alles auf angenehme Art zusammengeführt, alle Geschichten greifen ineinander. Gerade noch sehen wir Domian in seinem Studio, in ein Gespräch vertieft, da sehen wir auf einmal den Anrufer persönlich. Jetzt erzählt dieser dem Zuschauer seine Geschichte noch einmal, visuell stark umgesetzt durch Bilder aus dem direkten Umfeld der Personen. Jetzt bedeutet das Zuhören allerdings nicht eine Stunde Leid, die man ertragen müsste, sondern es gibt zwischendurch auch durchaus Amüsantes. „Wir haben überlegt, welche Hörer-Geschichten interessant waren, und dann die Hörer kontaktiert, ob sie bereit wären, mitzumachen“, erklärt Jürgen Domian im sich an die Premiere anschließenden Talk.
Man steckt noch in der einen Hörer-Geschichte drin, da ist man nach einem Schnitt in Domians Wohnung. Er erklärt, dass die Nacht und die Dunkelheit wichtig sei, damit seine Sendung funktioniere. Nachts wäre man eher bereit, Dinge preiszugeben. Er selbst kommt nach der Sendung nicht zur Ruhe – er treibt Sport, liest, um dann irgendwann mit Schlafmaske ins Bett zu gehen. Unter den Nachtschichten hat Domian aber immer schon gelitten: „Wir sehen uns ja nachts öfter mal, wenn ich in meiner Sendung an Dich übergebe, und ich weiß, wie sehr Dir diese späte Stunde zu schaffen macht“, sagt 1LIVE-Mann Mike Litt, der den Talk auf der Bühne in der Lichtburg moderiert. Trotzdem muss Domian da durch – zumindest noch ein Jahr lang, ehe Ende 2016 dann Schluss sein wird. Seinen mentalen Ausgleich holt sich Domian in Lappland – dort verbringt er seine Sommer. Die Stille und die dämmerigen Nächte – in der Sommerzeit geht die Sonne dort nicht unter – sind das, was er dann sucht.
Die Zuschauer werden mitgenommen dorthin, und auf der Reise durch Lappland beginnt Domian dann ganz Privates zu erzählen. „Das war nicht leicht, mit dem Team unterwegs zu sein in der für mich sonst so kostbaren, ruhigen Zeit“, sagt er. Aber es war wichtig. Denn plötzlich wird der Zuschauer zu Domian. Er hört sich Jürgens Probleme an: sein Hadern mit dem Glauben, seine Probleme in der Kindheit, seine Bulimie. Jürgen wird quasi zum Anrufer, der Zuschauer zum Angerufenen – ganz schön gemacht.
Natürlich erfahren wir in dem Film nicht viel Neues über Domian – nicht über die Sendung, nicht über den Menschen. Vieles hat man schon gehört, vieles schon gesehen. Aber es war sicher auch nicht der Anspruch des Films, neue Seiten von Domian zu zeigen. Hier werden vielmehr einzelne Elemente, die Domian als Menschen und Sendung ausmachen, perfekt zusammengefügt, um ein komplettes Bild zu ergeben – von Domian.
Kommentiere
Trackbacks