Was war Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau stolz, als der WDR bekannt gab, dass Dortmund Tatort-Stadt wird. Mittlerweile wird es dem Dortmunder Stadtoberhaupt dann aber doch zu viel: In einem Brief an den Intendanten des WDR, Tom Buhrow, hat er seine Verärgerung über den „Dortmund“-Tatort“ zum Ausdruck gebracht: „Ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn Sie den Dortmund-Tatort einstellen und Kommissar Faber und sein Team in den vorzeitigen Ruhestand schicken würden.“ Vollkommen zu unrecht, wie ich finde.
Mit Beginn der „Tatort“-Folgen aus Dortmund habe in Dortmund eine gewisse Vorfreude geherrscht über die Aufnahme in jenen Kreis der Kommunen, in denen die unterschiedlichen Kripo-Teams einer TV-Institution wie dem „Tatort“ ihrer Arbeit nachgehen. Schon im Vorfeld ließ er seine Vision davon verlauten, wie seiner Meinung nach ein Fall des Dortmunder Tatorts aussehen müsste: „Junger Wissenschaftler aus der Region schafft über die Hochschule den Aufstieg, gründet ein Start-up-Unternehmen, hat bahnbrechenden Erfolg – und finstere Typen heften sich an seine Fersen“.
Damit wird auch schnell klar, wie manche Stadtoberhäupter und ihre Marketingabteilungen den Tatort mutmaßlich bewerten: Als Werbeplattform für die eigene Stadt, als hochwertig produzierten Imagefilm fürs eigene Umfeld. „Guckt mal, so toll ist unser Dorf, und so prima haben wir die vielen Krisen gemeistert.“ Ist aber nicht so, zumindest nicht mit dem WDR im Boot. Der zeigt die Region nicht so, wie manche sie gerne sehen würden. Das gefällt natürlich nicht jedem, vor allem dann nicht, wenn er in der Region politisch agiert.
Zorn sorgt für Zorn
Doch spätestens mit der jüngsten Folge mit dem Titel „Zorn“ hat der WDR eben selbigen des Dortmunder Stadtoberhauptes auf sich gezogen. „Nicht zuletzt nach der Ausstrahlung der Dortmunder Folge von Sonntag, 20. Januar, muss ich meine früher getätigte Aussage, dass ein „Tatort“ die Stadt adelt, revidieren. Was sich in vorherigen Folgen schon angedeutet hat, lässt sich nach der Folge von Sonntag nur als fortwährendes Mobbing gegenüber einer Stadt, einer Region sowie den dort lebenden Menschen bezeichnen“, schreibt der Oberbürgermeister dem WDR.
Nein, lässt es sich nicht. Es überzeichnet sicher ein wenig die Gegebenheiten in der Region, es zeigt aber kein unrealistisches Bild. „Die Macher dieser Folge geben die Menschen einer Region der Lächerlichkeit preis, in dem sie diese Bier trinkend in Trainingsanzügen vor heruntergekommenen Häusern herumstehen lassen. Mehr Klischee geht nicht.“ Nein, das ist kein Klischee. Dafür müsste der OB auch einfach nur mal selbst vor die Tür gehen und sich in den Vororten und den drumherumliegenden Städten umsehen. Oder den Dienstwagen stehen lassen und die U-Bahn nehmen. Es ist, wie es ist. Und es ist für mich auch kein Mobbing, wenn diese Region so dargestellt wird. Ich empfinde es viel eher als Mobbing, wenn behauptet wird, es sei Mobbing, die Region und die Menschen so darzustellen. Damit stellt Sierau die für ihn klischeehafte und für mich nicht unrealistische Darstellung in ein negatives Licht – wo sie meiner Meinung nach nicht hingehört.
Dabei ist es für ihn selbst gerade gut genug, Klischees zu bedienen, wenn sie positiv besetzt sind. In seiner Werbung für Dortmund als Tatortstadt hatte er noch gesagt: „Wir reden nicht lange um den heißen Brei herum, sondern sagen, wie es ist.“ Da war es für ihn auch gerade gut genug, den Rheinland-Krimi selbst mit einem Klischee abzuwerten: „Das ist nicht so oberflächlich wie bei den Rheinländern, die nach dem ersten Kennenlernen so tun, als hätten sie zusammen im Sandkasten gespielt.“
Mit Klischees gegen Klischees
Durch die Verbreitung dieser „Ruhrpott-Klischees“ aus den 80ern disqualifiziere der WDR die Menschen und sich selbst als produzierender Sender, meint Sierau: „Es ist eine plumpe Darstellung ohne jedwede regionalen Kenntnisse. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge sollten ansatzweise passen, wenn die Bilder schon nicht aus Dortmund, sondern aus Duisburg stammen. Die letzte Zeche in Dortmund wurde 1987 geschlossen. Die prägende Zeit der Montanindustrie ist Geschichte. Im Ruhrgebiet gibt es so etwas wie einen Strukturwandel – aber die Vorurteile und Klischees der Drehbuchschreiber und verantwortlichen Redakteure des WDR sitzen fest und lassen diese Sichtweise offenbar nicht zu.“
Ein Krimi sei keine Dokumentation, schreibt Sierau dann doch in seinem Brief. Aber auch ein Krimi-Drehbuch sollte ein Mindestmaß an Bezug zur Realität vorweisen, meint er. „Das Bild, das am Sonntag über die Orte der Handlung in Dortmund und Marl sowie über die gesamte Region zu bester Sendezeit bundesweit vermittelt wurde, ist an Klischeehaftigkeit nicht mehr zu überbieten. Es ist maximal lächerlich.“ Nein, es hat ein Mindestmaß an Realität. Mindestens, sogar. Die meisten Menschen der Region werden sich vermutlich mehr damit identifizieren können als mit einem Hochglanz-Abziehbildchen einer Möchtegern-Hightech-Stadt, in der Daten die neue Kohle sein sollen.
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