Ich frage mich wirklich, was mich damals geritten hat, nach der dritten Staffel von “Downton Abbey” etwas auf Abstand zur Serie zu gehen. Die nachfolgenden Staffeln vier und fünf inklusive der Weihnachtsfolgen habe ich zwar direkt aufgenommen, aber noch keine einzige Minuten davon gesehen. Dennoch habe ich mich vor ein paar Tagen dazu entschlossen, die finale sechste Staffel direkt zu verfolgen, dafür ist mir dieses Format dann doch zu wichtig. Vor Jahren bin ich durch Zufall auf die DVD der ersten Staffel gestoßen, kurz vor der originalen Ausstrahlung der zweiten Staffel, und dachte mir, kannste dir ja mal anschauen. Es hatte damals nur eine Folge gedauert, bis ich dieser ganz besonderen Stimmung der Serie verfangen war.
Und nun eben die finale, die letzte Staffel. Schade. Ich habe mir daher letzte Woche im groben Überflug über die Staffeln vier und fünf einen Überblick verschafft, was ich alles verpasst habe um nicht bei jeder Szene in Staffel sechs auf Pause zu stellen, um in Internet nach Antworten zu suchen, auf die Fragen, die sich ergeben, da ich das Vorwissen eben nicht habe.
Die letzte Staffel zu „Downton Abbey“ wird daher doch recht zeitnah hier mit einem Review versehen. Als Double Feature. Einfach mal so. Und heute geht’s los.
Upstairs
Die finale Staffel beginnt standesgemäß mit dem ersten Ausritt der rotgekleideten Oberschicht des Landes. Allesamt Männer. Fast. Lady Mary ist als eine der wenigen Damen mit an Bord bzw. auf dem Sattel. Als zukünftige Verwalterin und Erbin des herrlichen Landsitzes gehört sie natürlich in diesen erlauchten Kreis und darf an diesem gesellschaftlichen Ereignis teilhaben. Aber nicht nur ihr Vater beäugt sie aufmerksam, auch eine uns noch nicht näher bekannte Person hat ihre Augen direkt auf Carsons „Lieblingstochter“. Und wir werden nach dem Ausritt, der für Lady Mary auch kurz im Matsch endet, in Kenntnis gesetzt, was die bezaubernde junge Dame mit dem schönen starken Akzent von unserer Ladyschaft will: 1.000 GBP. Wofür? Unbezahlte Rechnungen für die letzte Hutlieferung? No, not really. Für ihr Schweigen, denn Sie habe Beweise, wenn auch gestohlene, die belegen, dass Mary mit Tony Gillingham nicht nur Tee getrunken hat, damals, in dem Hotel in Liverpool. Man erinnert sich.
Mary natürlich auch, allerdings gibt sie zu verstehen, dass sie nicht gewillt ist, auf diesen Erpressungsversuch einzugehen. Wie sie später recht nachvollziehbar Anna erklärt, wäre sie dann ein Leben lang vom Schweigen der Dame abhängig, die immer wieder, wenn es ihr passt, in Downton Abbey vorbei kommen könnte, um neues Geld zu verlangen. Tagelang sinniert Mary darüber, wie sie die Dame loswerden könnte, einmal schafft es die Dame unter fadenscheinigen Vorwänden sogar ins Schlafzimmer von Mary, aber der gordische Knoten wird schlussendlich von ihrem Vater gelöst. Mit 50 GBP. Und einer deutlichen Warnung. Mary ist mehr als überrascht, ihr Vater nicht minder, da sie ihrem Vater aber ihre Beweggründe zur bisherigen „Verhandlungsführung“ und ihrer Entscheidung nichts zu zahlen mitteilte, ist sich dieser sicher, dass das Landgut in Zukunft in guten, nämlich in den Händen seiner ältesten Tochter ist.
“I’ve learned that my eldest child is a child no more and quite tough enough to run this estate. Indeed, she could run the kingdom if called upon to do so.” (Lord Grantham)
Geld ist nämlich schon lange nicht mehr im Überfluss vorhanden. Dies ist sogleich das große Thema – unten wie oben – das unsere Gutsbewohner die zwei Folgen überschneidend beschäftigt. Einer Unterredung zwischen Lord Grantham und Mr. Carson können wir entnehmen, dass seine Lordschaft darüber nachdenkt, nicht nur die offenen Stellen nicht neu zu besetzen, sondern auch zukünftig Personal einzusparen. Auch Downton müsse mit der Zeit gehen. Und heutzutage kann man einen derartigen Landsitz nicht wie weiland 1850 führen. Zumindest nicht mit dem damaligen Bestand an Dienstpersonal. Auch wenn es Lord Grantham und Carson in der Seele weh tut, beide wissen, dass man sich zu gegebener Zeit mit dieser Tatsache befassen muss. Ein drohendes Zeichen gibt’s bereits, ihr Nachbar musste sein Landgut und viele persönliche Sachen wie Familiengemälde verkaufen und versteigern. Etwas, was man am dunklen Horizont für Downton Abbey auch erwarten könnte. Noch hoffen wir, dass sie sich dieser Entwicklung entziehen können.
Lady Edith, mein persönlicher Liebling seit Staffel Eins, hat mit der Führung des geerbten Verlages keinen einfachen Stand, da die Männerwelt 1925 noch nicht gewillt ist, die Ideen und Vorschläge einer Frau entgegen zu nehmen. Das führt dazu, dass sich Edith mehr als ihr lieb ist in London aufhalten muss. Was wiederum dazu führt, dass sie sich kaum um ihre Tochter Marigold kümmern kann. Nicht unbedingt ungewöhnlich zu jener Zeit der Kindermädchen, aber dennoch auch dem Zuschauer ein kleines „Gröllchen“. Dazu passt das der Handlungsstrang rund um Marigold und der Familie Drewes weitergesponnen wird. Die Spannungen zwischen Edith, der leiblichen Mutter, und vor allem Mrs. Drewes, der Adoptivmutter Marigolds kurz nach der heimlichen Geburt, sind mehr als spürbar. Auf dem jährlichen Markt in Downton, bei dem ein Schwein der Drewes (und somit der Crawleys) ausgezeichnet wurde, kommt es zur Katastrophe. Marigold wird entführt aber Mr. Drewes behält einen klaren Kopf, zählt eins zu eins zusammen und führt Edith zusammen mit ihren Eltern zum eigenen Hof, wo Marigold friedlich in den Armen von Mrs. Drewes schlummert. Da man diese für beide Seiten unangenehme Situation nicht beibehalten will, ist klar, das die Drewes das Land der Crawleys verlassen müssen.
Ein Thema, welches noch die nächsten Folgen vor allem unsere stets zu Scherzen aufgelegte Dowager und ihre Kusine 2° Isobel Crawley, Matthews Mutter, beschäftigen wird, ist die Zukunft des Downton Cottage Hospitals, welches beide als Präsidentin vorstehen. Es steht nämlich zur Entscheidung an, ob sie das Übernahmegesuch durch das weitaus größere und moderner ausgestattete staatliche Krankenhaus der Grafschaft Yorkshire annehmen wollen oder nicht. Violet kann dem nichts abgewinnen, da sie so keinerlei Entscheidungsbefugnisse mehr hätten und ihrer Meinung nach nicht mehr individuell im Sinne der Bewohner von Downton entscheiden und das Krankenhaus ausrichten können. Ganz anderer Meinung ist da Isobel, die ehemalige Krankenschwester, die die modernen Methoden und Ausstattungsmöglichkeiten im Auge hat und somit zum gesundheitlichen Wohle der Dorfbewohner beitragen möchte. Die beiden Damen geben klar zu erkennen, dass sie nicht gewillt sind, kampflos aufzugeben.
„May the best man win! “ (Dowager Countess of Grantham)
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