US-Präsident Donald Trump ist noch nicht lange im Amt – aber die Liste seiner Aktionen, Maßnahmen und Ankündigungen wird rasant länger und länger. Die EU ihrerseits geht jetzt in jener Branche gegen die USA vor, in der man das Land am ehesten treffen dürfte – die Unterhaltungsindustrie. Am 1. April 2025 soll im EU-Parlament eine EU-Verordnung beschlossen werden, die 25 Prozent Einfuhrzoll auf Streaming-Angebote vorsieht, die in der EU angeboten werden. Heißt also: Disney, Netflix, Amazon Prime Video, Paramount & Co. müssten 25 Prozent berappen, um Zugang zum europäischen Markt zu bekommen. Es sei denn, sie werden sozusagen europäisch – mit Standorten in Europa (die es ja von einigen Streamingdiensten schon gibt), europäischen Produktionen und der Nutzung europäischer Technologie für Produktion und Streaming. Das könnte den Digitalmarkt in Europa erheblich aufwerten – und Fachkräfte der Digital- und Unterhaltungsindustrien in die EU locken.
Die bisherigen Zoll-Maßnahmen des US-Präsidenten Donald Trump im Überblick
Ein koordiniertes Vorgehen der US-Regierung bei der Erhebung von Einfuhrzöllen ist aktuell nicht zu erkennen – wenn man mal von der offenbar einzig relevanten Perspektive absieht, den US-Markt vor äußeren Akteuren zu „schützen“ und einen abgeschotteten Markt für US-Anbieter zu schaffen. Schauen wir mal auf die bisherige Liste – Stand heute, muss man leider dazu sagen:
– Automobile und Autoteile: 25% für Pkw, leichte Lkw und bestimmte Autoteile wie Motoren, Getriebe, Antriebskomponenten und elektrische Komponenten ab 3. April 2025, für Autoteile spätestens am 3. Mai 2025 (CNN).
– Stahl und Aluminium: 25% seit 12. März 2025. Alle Länderausnahmen wurden aufgehoben und die Liste der abgeleiteten Produkte erweitert (Tax Foundation).
Kanadische Waren: 25% auf die meisten Waren, 10% auf Öl und Gas seit 4. März 2025, jedoch verzögert für USMCA-konforme Waren bis zum 2. April 2025.
Chinesische Waren: 20% ab 4. Februar 2025, erhöht am 4. März 2025.
Agrarprodukte: Geplant ab 2. April 2025. (ReedSmith)
Holz und Holzprodukte: 25%, geplant, nach Abschluss der Section 232-Untersuchung.
Medikamente und Pharmazeutika: 25% oder höher; geplant, aber noch nicht festgelegt.
Halbleiter und Computerchips: 25% oder höher; geplant, aber noch nicht festgelegt.
Kupfer: 25%; geplant, nach Abschluss der Section 232-Untersuchung.
Venezuelanisches Öl: 25%, ab 2. April 2025 für Länder, die venezolanisches Öl importieren.
Was Einfuhrzölle auf Streamingdienst-Angebote bedeuten würde
Die „Verordnung (EU) 2025/0815 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1. April 2025 zur Einführung eines Ausgleichszolls auf bestimmte audiovisuelle Online-Dienstleistungen mit Ursprung in Drittstaaten“ wird wie gesagt erst noch verhandelt. Aber: Der Entwurf könnte vorsehen, dass diese Verordnung „einen Ausgleichszoll in Höhe von 25 % auf bestimmte audiovisuelle Online-Dienstleistungen mit Ursprung in Drittstaaten einführt, deren Marktanteil im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 10 % übersteigt. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit audiovisueller Inhalte europäischer Herkunft zu stärken und die kulturelle Vielfalt im digitalen Binnenmarkt zu fördern.“ Auch spannend: Der Zoll soll für Plattformen entfallen, die nachweislich mindestens 50 % europäische Inhalte in ihrem Gesamtangebot bereitstellen.
Klar ist natürlich, dass eine EU-Regelung, die einen Einfuhrzoll von 25 Prozent auf Streamingdienst-Angebote aus den USA vorsieht, ein bedeutender Eingriff in den digitalen Binnenmarkt und das transatlantische Handelsverhältnis wäre. Solche Auswirkungen haben Donald Trump bislang allerdings auch nicht abgeschreckt. Unklar ist, was das aus wirtschaftlicher Sicht für uns Konsument:innen bedeuten würde – vermutlich deutlich höhere Gebühren, wobei wir ja sowieso alle paar Monate mit Preiserhöhungen überzogen werden – wir haben hier im Blog ausführlich darüber berichtet. So soll ein Passus in der Verordnung lauten: „Für Streamingdienstangebote, die aus einem Drittstaat stammen und in der EU gegen Entgelt bereitgestellt werden, wird ein Einfuhrzoll in Höhe von 25 % des auf den Dienst entfallenden Netto-Endkundenpreises erhoben.“ Gut vorstellbar also, dass die Kosten direkt weitergereicht werden. Wobei – wir als Streamingdienst-Nutzer:innen kennen solche Teuerungsraten ja bereits, man denke nur an das mahnende Beispiel DAZN.
Was verspricht sich jetzt die EU von einer solchen Maßnahme? Ziel einer solchen Regelung könnte es sein, europäische Plattformen und Streaminganbieter wie ARTE, die Mediatheken von ARD und ZDF (ach, sorry, die ZDF Mediathek heißt ja gar nicht mehr Mediathek) oder auch Joyn zu schützen und ihnen Wettbewerbsvorteile gegenüber den oft marktbeherrschenden US-Plattformen von Netflix, Disney+ oder Amazon Prime Video zu verschaffen. Weiterer positiver Nebeneffekt aus meiner Sicht: So würde man einen Anreiz für Investitionen in europäische Inhalte und Technologien schaffen, da sich ein geschützter Markt attraktiver darstellen könnte.
Einfach so umsetzen ließe sich die EU-Verordnung vermutlich nicht – ich sehe da einige rechtliche und politische Herausforderungen. Ein solcher Zoll könnte gegen WTO-Regeln verstoßen, insbesondere wenn man mitdenkt, dass digitale Dienstleistungen nicht als klassische „Waren“ gelten und somit nicht unter die übliche Zollgesetzgebung fallen könnten – das wäre sicher noch zu klären. Immerhin wäre zumindest auf diesem Sektor erst einmal nicht mit Gegenmaßnahmen der USA zu rechnen – welches europäische Streaming- oder – weiter gefasst – Kulturangebot hat schon in den USA Fuß gefasst? Einzig europäische Produktionsstandorte für Produktionen der Streamingdienste dürften ins Grübeln kommen – das Studio Babelsberg zum Beispiel, oder auch die verschiedenen Drehorte von „Game of Thrones“ in Irland und Kroatien.
Spannend wird natürlich die schon angedeutete Frage nach der technischen Umsetzbarkeit: Wie definiert man den Ursprung eines Streamingdienstes? Welche Anteile an Infrastruktur, Content-Produktion und Lizenzierung müssten berücksichtigt werden? Und was ist mit der Leistungserbringung, sprich die kreativen Köpfe hinter den Angeboten? Denkbar ist natürlich – und das dürfte man auch hinter dieser Maßnahme vermuten – dass sich so tatsächlich Know-how auf europäischer Seite aufbauen lassen dürfte, was Infrastruktur, Digitalisierung und Attraktivität des Arbeitsmarktes angeht.
Was würden Zollgebühren für die europäische (und deutsche) Kreativwirtschaft bedeuten?
Zu erwarten wäre eine Stärkung der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft: Ein Zoll würde es europäischen Streamingplattformen erleichtern, mit globalen Playern zu konkurrieren. Dazu käme die Förderung europäischer Inhalte: Wenn Anbieter Zollvorteile durch hohe EU-Content-Quoten erhalten, könnte dies zu einem Aufschwung in der Produktion europäischer Filme, Serien und Dokumentationen führen. Die Reagierung Südkoreas geht ja im Prinzip den entgegengesetzten Weg, indem sie massiv in die heimische Kreativwirtschaft investiert, um koreanische Produktionen zu Exportschlagern werden zu lassen (siehe meine Kolumne hier im Blog) – man denke nur an den Hype um „Squid Game“.
Erkennbar sind auch Vorteile digitaler Souveränität: Der Zoll könnte Teil einer größeren Strategie zur Verringerung der Abhängigkeit von US-Technologieunternehmen sein. Und natürlich auch auf die EU-Datenschutzgrundverordnung einzahlen: Europäische Anbieter unterliegen strengerem Datenschutzrecht (z. B. DSGVO). Eine Stärkung dieser Anbieter könnte den Schutz persönlicher Daten indirekt verbessern – dann hätten auch wir Verbraucher:innen etwas davon.
UPDATE: Ihr habt es vermutlich gemerkt – natürlich war diese Nachricht unser diesjähriger Aprilscherz. Aber: Für uns war es dieses Jahr besonders schwierig, das passende Thema zu finden, weil in der heutigen Zeit alles möglich zu sein scheint. Wie abwegig – oder doch realistisch – diese Geschichte ist, werden die nächsten Monate zeigen.
Bilder: KI-generiert / DAZN
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