Die ZDF-Serie „Familie Braun“ hat heute Nacht den iEmmy gewonnen. Die Serie setzte sich gegen die Konkurrenz aus Argentinien, Brasilien und Kanada durch. Die Serie ist ein Produkt der Redaktion „Das kleine Fernsehspiel“ des ZDF, genauer gesagt des dort angesiedelten Formatlabors Quantum, in dem neue und innovative Fernsehformate (mit-)entwickelt und zur Serienreife gebracht werden: „Lerchenberg“ zum Beispiel, oder „Eichwald MdB“. Zum Start von „Familie Braun“ hatten wir seinerzeit die Gelegenheit, mit Lucia Haslauer aus der Quantumredaktion über das für das ZDF ungewöhnliche Serienformat, die kontroverse Thematik der Serie und die gelungene Umsetzung zu sprechen. Hier geht’s zum Interview. In dem Beitrag finden sich auch Statements von Produzent Uwe Urbas, Regisseur Maurice Hübner und Autor Manuel Meimberg.
Inhalt & Kurzkritik
Die sechsjährige Lara ist das „Produkt“ eines One-Night-Stands des Neonazis Thomas Braun mit einer farbigen Frau aus Eritrea. Diese liefert Lara zu Beginn der Serie bei Thomas ab, mit dem Hinweis, dass er sich ab sofort um Lara kümmern muss. Sie selbst könne das nicht mehr, da sie abgeschoben werde: „Ausländer raus! – Kennst Du ja.“ lautet noch ihr markiger Kommentar, ehe sie Lara ihrem Schicksal überlässt. Lara gerät in die WG von Thomas Braun und Kai Stahl – beides bekennende Neonazis, deren Wohnung entsprechend dekoriert, ja im Prinzip schon überladen ist mit Nazi-Symbolen und Hitler-Bildnissen. Laras Anwesenheit ist eine Provokation für Thomas und mehr noch für Kai – beide kommen mit der Situation zunächst gar nicht zurecht. Mit der Zeit entsteht bei Thomas ein Gefühl von Verantwortung für Lara, was für erheblich Frustration bei Kai sorgt. Von da an entwickelt sich eine zunächst witzige und später gefühlvolle und nachdenklich machende Kurzserie, die zurecht als Innovation bezeichnet werden kann.
Mir haben die 50 Minuten „Familie Braun“ sehr gut gefallen – die Serie ist witzig angelegt, macht im Laufe der acht Folgen aber eine Wandlung durch: es wird ruhiger, dramatischer, nachdenklicher. Durch den humoristischen Einstieg machen es einem die Autoren leicht, in die Geschichte einzusteigen. Man möchte sofort wissen, wie es weiter geht, schaut Folge um Folge. Das knappe, lockere Webserienformat ist in der Tat vorteilhaft, um sich diesem durchaus brisanten Thema gut nähern zu können. Wer es am Stück schaut, bekommt die Episoden in Kapitelform serviert – passt auch.
Zusätzlich haben mich Ausstattung und Besetzung überzeugt. Die drei Hauptfiguren sind mit Vincent Krüger, Edin Hasanovic und Nomie Lane Tucker klasse besetzt. Sie schaffen es schnell, dass man sich mit ihnen identifiziert, ja teilweise sogar mitfühlt. Dazu die schon erwähnte Ausstattung – es macht einfach Spaß, im Laufe der Folgen überall neue Anspielungen und Hinweise zu entdecken und im Laufe der Serie zu sehen, wie aus der braunen WG-Zelle ein annähernd normales Apartment mit Cornflakes und gemalten Kinderbildern wird.
Toll sind auch die knappen, zugespitzten Dialoge und die vielen guten Wortwitze, die in die Serie eingebaut worden sind. Durch die Kürze und das Tempo der Serie wandelt man ständig zwischen neu entdeckten Symbolen, grenzwertigen Sprüchen und satirischen Andeutungen – es ist eine Freude, dabeizusein.
Übrigens: Das Projekt ist als Web-Serie entstanden und wurde mit Unterstützung einiger Webvideoproduzenten aus dem Verein 301+ produziert. Neben dem Hauptcast sind einige bekannte YouTuber in kleinen Gastrollen zu sehen: Florian Mundt (LeFloid), Max Krüger (Doktor Froid), Rick Garrido und Steven Schuto (Space Frogs), Zhong To und Florian Balke (CuBirds). Elisa Tölle (alive4fashion) unterstützte die Ausstattung, genau wie Marie Meimberg, die außerdem gemeinsam mit der Band „Fewjar“ (Jako Joiko und Felix Denzer) sowie Marti Fischer (theclavinover) und Max Krüger (frodoapparat) Teile des Soundtracks beisteuerte.
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