„Star Wars“ ist seit meiner Kindheit eine Art medizinische Unterhaltung. Egal, wie schlecht es mir geht, ich konnte und kann „Star Wars“ (die klassische Trilogie) immer schauen und daraus Kraft und Entspannung ziehen. Es sind wie gute alte Freunde, die man gerne von Zeit zu Zeit wiedersieht.
Als Kind ging die „Star Wars“-Obsession teilweise so weit, dass meine Mutter Chewbacca laut verfluchte und nachahmte, weil sie die markerschütternden Schreie des Wookies nicht mehr aushalten konnte. Die Faszination für „Star Wars“ war bei mir riesig. Als Kind gefiel mir Episode 6 mit den Ewoks am besten, je älter ich wurde, desto mehr begeisterte mich „Das Imperium schlägt zurück“. Irgendwann faszinierte mich dann Episode 4 am meisten, mit den ulkigen Kulissen, den 70er-Jahre Frisuren, seltsamen Robotern und Aliens.
„Star Wars“ war und ist ein Anker für mich und da ich die letzten Wochen mit einer Krankheit zu kämpfen hatte, schaute ich mir einige Filme erneut an. Gleichzeitig, durch die Serie „The Acolyte“, geistern gerade diverse Memes herum, in denen als erste Priorität im Falle einer erfolgreichen Zeitreise die Verhinderung des Verkaufs von „Star Wars“ an Disney genannt wird. Eine gute Gelegenheit, sich mit „Star Wars“ auseinanderzusetzen und der Frage nachzugehen, ob George Lucas nicht doch sein Universum hätte behalten sollen.
Me going back in time to stop George Lucas selling Star Wars to Disney (I failed)
byu/FilmStirYoutube inSequelMemes
Also, die letzten Tage widmete ich mich – um schneller gesund zu werden – „Star Wars“. Ich schaute Episode 5 und dann versuchte ich es nach Episode 6 nochmal mit „Das Erwachen der Macht“. Der erste Film unter der Regie von Disney ist am Anfang sogar gar nicht so schlecht. Doch je mehr Kylo Ren in den Vordergrund rückt, desto mehr kommt das Unbehagen auf, dass es irgendwie nicht richtig passt.
Dann sprang ich vor die klassische Trilogie zurück und schaute mir „Rogue One“ an. Selbst nach einer längeren Pause, seitdem ich den Film das letzte Mal gesehen habe, ist er nach wie vor eine Wucht. Abgesehen von der ziemlich bescheidenen CGI von Tarkin und Leia und natürlich dem Ende, welches zwar imposant ist, aber nicht gut zum Anfang von Episode 4 passt. Filme, die ich seit Disney gerne komplett vergesse, sind der Solo-Film sowie Episode 8 und 9. Sie sind bestenfalls unterdurchschnittlich. Aber wenigstens, im Vergleich zu Solo, kann man sich über die neue Trilogie aufregen.
Bei den Serien hat Disney manches richtig gemacht, aber insgesamt auch viel falsch. „Andor“ und „The Mandalorian“ können überzeugen, „The Book of Boba Fett“ und „Obi-Wan Kenobi“ sind unbedeutend, und „The Acolyte“ braucht es einfach nicht. Was ich damit sagen will: Es gab Licht und viel Schatten im neuen Disney-Star-Wars-Universum.
Hätte Lucas also sein Werk behalten sollen? Wenn man dieses Gedankenexperiment durchführt, muss man auch festhalten, dass die Prequel-Trilogie ebenfalls nicht frei von Kritik war und ist. Die CGI in Episode 2 bspw. war für einen Star-Wars-Film unwürdig, gewichtiger waren aber Fehlentscheidungen wie der Charakter Jar Jar Binks oder eine zu schnelle Charakterwandlung von Anakin. Was jedoch für die Prequel-Trilogie spricht, ist, dass es einen klaren Fahrplan gab. Von Anfang an wusste Lucas, was er erzählen wollte. Und rückblickend muss man trotz Kritik festhalten, dass die Prequel-Trilogie gut gealtert ist. Allein schon die Menge an Memes aus den Filmen, die sich nach wie vor halten, spricht Bände.
Der Zeitgeist spielte bei der Ausgestaltung von „Star Wars“ eine große Rolle. In der originalen Trilogie war die Gesellschaft geprägt von den Folgen des Zweiten Weltkriegs, dem andauernden Kalten Krieg und dem Horror des Vietnamkriegs: Gut gegen Böse, westlich gegen kommunistisch – welche Ideologie ist die bessere? Lucas verneinte die Interpretation in einem Interview mit James Cameron, dass das Imperium die USA sein könnten, nicht.
Heutzutage ist die Welt komplexer und Fragen der persönlichen Identität sind wichtiger geworden, ebenso wie die Selbstdarstellung auf sozialen Medien. In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass bspw. „The Acolyte“ diese Themen aufgreifen will – inklusive sexueller Identität – da sie in der Gesellschaft wichtig sind. Doch wenn diese Themen zu viel Gewicht bekommen und darüber hinaus das Storytelling in den Hintergrund rutscht, wird es gefährlich. Ob dies bei „The Acolyte“ wirklich das Problem ist, sei dahingestellt, aber Storytelling ist der springende Punkt bei Disney. Mit der neuen Trilogie gab es keinen Plan, was man eigentlich erzählen will. Man denke nur an die Snoke-Wendungen. Regisseure wurden gewechselt und die Kontinuität zum Star-Wars-Universum wurde verletzt (Stichwort Hyperantrieb-Kamikaze-Angriff).
Und an dieser Stelle, Plan und Kontinuität, hätte uns Lucas nicht enttäuscht. Davon bin ich überzeugt. Ob aus seiner oder unter seiner Feder noch ein genialer Film gekommen wäre, vielleicht nicht, aber ich glaube, es wäre eine solide Unterhaltung ohne Ausreißer nach unten geworden. Allein die Masse an Disney-„Star Wars“-Content ist meiner Meinung nach ein Problem. Lucas hätte es nicht übertrieben.
Am meisten schmerzt aber der fehlende Fanservice der Disney-„Star Wars“-Filme. Da bringen sie schon die gesamte originale „Star Wars“-Band zusammen und schaffen es dennoch nicht, alle gemeinsam im Cockpit des Millennium Falken sitzen zu lassen. Selbst „Star Trek: Picard“ hat es verstanden, diesen Fanwunsch zu erfüllen. Und ebenfalls wäre uns unter Lucas ein enttäuschter Mark Hamill erspart geblieben. Lucas hätte auf ihn gehört und eine glaubhafte Charakterentwicklung umgesetzt.
Manche werden sagen, lieber viel neuer „Star Wars“-Content, bei dem zwar viel daneben geht, aber solange es ein paar Highlights gibt, ist es besser als nichts. Ich für meinen Teil bedauere die Inflation, die Verwässerung und letztendlich den Kommerz. Und das entbehrt nicht einer gewissen Komik, denn Lucas hat mit dem „Star Wars“-Merchandise den modernen Filmkommerz überhaupt erst erfunden (plus ständige Neuveröffentlichungen der Filme). Aber was soll man sagen, der Lucas Kommerz hat sich irgendwie besser angefühlt.
Da wir aber die Zeit nicht zurückdrehen können und Disney weitermachen wird, wünsche ich mir wenigstens, dass Disney sich so frei wie möglich vom bisherigen „Star Wars“ macht und ohne Ballast eine neue Geschichte in diesem wundervollen Universum erzählt. Vielleicht werden die Fans und Disney dann doch noch Freunde.
Bilder: Disney
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