Ursprünglich wollten wir ja nur eine Hassiker-Runde drehen, aber weil das Format doch erfreulich gut ankommt, machen wir einfach so lange weiter, wie wir Formate dazu finden können. Im Rahmen meiner Erstwahl „Mad Men“ hatte ich ja bereits angekündigt, dass da auch weitere Kandidaten kurzauf waren. Nachdem Kira mir bei „Two And A Half Men“ zuvorkam, widme ich mich dann eben dem anderen Dauerläufer und Kassenschlager, dessen Erfolg ich bis heute nicht nachvollziehen kann: „The Big Bang Theory“. Stammt ja immerhin auch von Chuck Lorre…
The Big Lame Theory
Es muss 2009 gewesen sein, als ich nach einigen „Reinzappern“ (ja, Kinder, damals hat man noch lineares TV geschaut) zwei komplette Episoden von „The Big Bang Theory“ gesehen hatte. Eine gemeinsame Kommilitonin von Jonas und mir hatte so geschwärmt und uns überredet, eine Episode auf Deutsch und (weil die halt nicht überzeugte) eine im englischen Original zu schauen. Erste Staffel-Material, das ich einfach nicht mochte. Aber keine Bange, dieser Beitrag enthält eine erschreckende Basis an TBBT-Verfolgung, denn da die Serie zu einer der wenigen gehört, die ich mit meinem Lieblingsmädchen gemeinsam schauen kann, habe ich ab Staffel 3 JEDE Episode gesehen (davor den Großteil). Leider.
(Keine) Lacher
Fangen wir mit dem zentralen Makel dieser vermeintlichen Comedy-Serie an: Sie ist nicht lustig. Ja, auch ich hatte über die Jahre mal den einen oder anderen Schmunzel-Moment, zugegeben, aber der Großteil der Gags ist vorhersehbar, flach und klischeebehaftet (auf plumpe, unironische Art und Weise). So smart die Figuren sind, so unsmart erscheint der Humor (und somit vermutlich auch das Publikum – bis auf den Teil, der das ja nur „ironisch“ schaut, weil es halt gerade auf ProSieben läuft – also immer…).
Die ungemein hochfrequentiert künstlich eingespielten Lachkonserven versuchen darüber hinwegzutauschen, dass teils eigentlich gar nichts Lustiges passiert. Nein, nicht etwa unlustige Witze, die nicht zünden, sondern eigentlich NICHTS, was auch nur lustig gemeint sein könnte. Das merkt man ganz gut bei Videos, die Szenen ihrer Lacher berauben bereinigen:
Hatte gerade anfangs die soziophobe Figur des Sheldon Cooper noch ihren Reiz, wurde das Konstrukt binnen weniger Staffeln totgeschlachtet mit als Running Gags getarnte Ideenlosigkeit, die dem Motto „Wiederholung schafft Qualität“ folgte. Statt Qualität gab es erwartungsgemäße Unerwartet-Reaktionen seinerseits, die nur in den seltensten Fällen passend unpassend waren. Seine schroffe Art entbehrte teils auch den eigentlichen Grundzügen der Figur, da die eigentliche Kontextfähigkeit für Bemerkungen fehlte, was mich zum zweiten großen Fehler der Serie führt.
Raj: „I don’t like bugs, okay. They freak me out.“ – Sheldon: „Interesting. You’re afraid of insects and women. Ladybugs must render you catatonic.“
Nerdish by nature?
Drei mit Abschlüssen und Auszeichnungen dekorierte Physik-Genies und ein smarter Ingenieur, die fast alle Formeln lösen können, nur nicht die für das Leben – und vor allem Frauen. Ja, die Prämisse funktioniert und das Nerdtum einer breiteren Masse aufzuwärmen, ist ja an sich auch nicht verkehrt. Aber das Problem ist, dass die Nerds hier eben keine wirklichen sind. Okay, das klingt jetzt auch diskriminierend, stereotypisch und schubladendenkend, aber sie sind zumindest keine stringent erzählten Nerds. Nicht umsonst wird gerne mal in Fotoshootings mit dem vermeintlichen Coolness-Kontrast gespielt…
Im Laufe der Jahre ist ein ungemeiner Coolness-Faktor hinzugekommen, was ja an sich okay wäre, wenn die Figuren über die Jahre eine entsprechende Entwicklung genommen hätten, aber es ploppt oftmals in Situationen (um den (künstlichen) Lacher zu erhalten) auf, den Rest der Zeit wird versucht, das eigentliche zögerlich-scheuer Nerd-Image aufrecht zu erhalten. Raj‘ Frauendialoge ohne Alkohol waren sicherlich entwickelnd, genau wie Sheldons nach-und-nach-Auftauen, was Intimität und Menschlichkeit angeht, aber beides ist auch der Tatsache geschuldet, dass man sonst niemals elf Staffeln hätte füllen können. Ansonsten ist der Großteil eine Aneinanderreihung klischeebehafteter Dinge, die „Nerds nun mal tun“. Sie machen einfach alles: Comic-Con, Game of Thrones, Star Trek, Sammelkartenspiele, Dungeons & Dragons – wie „richtige“ Nerds halt. Nur mit unpassend coolen Sprüchen zwischendurch und heißen Frauen an ihren Seiten. Oops, stimmt, da war ja was…
Was als „die heiße und dumme Nachbarin von Nebenan“ zur Konflikt-Schaffung zwischen den „Gruppen“ (und vermutlich Identifikationsbindung beim Publikum) dienen sollte, wurde zur Erfüllung des amerikanischen Traums: Jeder noch so große (und körperlich kleine) Nerd kann die unerreichbar scheinende Nachbarin rumkriegen – solange er halt eigentlich gar kein so extremer Nerd ist. Über die Jahre wird sie auf so utopisch antiklimatische Art und Weise eloquenter, wie der einst erfolgreiche Inhaber eines eigenen Geschäftes Stuart zum totalen Loser-Idioten degradiert wird.
Nein, möchte ich richtige Nerds sehen, dann schalte ich „The IT Crowd“ oder „Silicon Valley“ ein.
Eher sexistisch oder rassistisch?
Was ich größtenteils als billiges Ausschlachten von Stereotypen anmarke, überschreitet teils auch gewisse Linien und wird als mindestens dezent rassistisch oder auch sexistisch eingeordnet. Der Pop Culture Detective hat ein passendes Video Essey zu dem Thema gemacht:
Theoretisch gut
Zugutehalten muss man, dass die Dynamik in der Gruppe und die Abwechslung in den Erzählungen durch die Hinzunahme der weiteren weiblichen Hauptfiguren enorm gewonnen hat. Dennoch bleibt der Cast größtenteils limitiert, die Geschichten wiederholen sich und der Humor bleibt vorhersehbar bis plump. Und so bleibt ein Format, das in der Theorie eigentlich ganz gut funktionieren könnte, aber in ihrer für das grobschlächtige US-Publikum breitgemanschten Form zu einer VIEL zu lang laufenden Cashcow wurde, die nur noch in schlechten Selbstreferenzen und inhaltlichen Endlosschleifen umherdümpelt. Ja, da helfen auch die Problem des Älterwerdens und großen Begebenheiten des Lebens (Heirat, Kinder, Tod) nicht drüber hinwegzutäuschen.
Ja, ein bisschen was hat die Serie ja zur Popkultur beigetragen. Dinge wie 3D-Schach oder „Stein-Schere-Papier-Echse-Spock“ sind ins Licht gerückt oder erdacht worden und Running Gags wie „Bazinga!“ oder der dreifache Penny-Klopfer werden vielerorts auf der Welt nachgeahmt. Aber eigentlich ist es ironisch, dass die „besten“ Dinge an der Sendung eben das sind, was sie heutzutage auch in unserer TV-Landschaft ausmacht: Wiederholungen. Habe ich es hundertfach gesehen, finde ich eher Gefallen daran. Ein bisschen, wie das Stockholm-Syndrom. Vielleicht muss ich mal ein ernstes Wort mit meinem Lieblingsmädchen dazu reden. Oder ich schick ihr einfach den Link zu diesem Beitrag.
Bei mir war es zuerst ein „oh Gott ist das dumm“ – dann ist es zu einem „geil, viele Star Trek Jokes“ übergegangen + man konnte der Serie nicht entfliehen (24/7 auf Pro7); inzwischen bin ich bei einer kompletten Verweigerung und Abscheu angekommen, da es IMMER das gleiche ist.
Ist schon lustig, aber ich würde das hier nicht als Hassiker bezeichnen.
Die Serie lief schon ein paar Jahre und ist in der Zeit komplett an mir vorbei gegangen. Dann kam es wie es kommen musste. Jemand aus dem Bekanntenkreis sagte „Waaaas? Du hast die noch nie gesehen? Unglaublich! Musst du unbedingt sehen. Komm mit hoch, fängt gleich an.“ Und ich kam in den Genuß mir meine erste Folge anzusehen. Es war die Folge mit der Zeitmaschine. Ich saß da, schaute es mir an und fragte mich nur, warum es diesen Hype gab. Es blieb bei dieser einen Folge, die Jahre zogen ins Land und alles war gut.
Ein Paar Jahre später war die Serie in meinem Bekanntenkreis immer noch Gesprächsthema und ich wurde neugierig. Also schaute ich mir das von Anfang an, ähm, an. Und irgendwie sprang der Funke über. Mir gefielen die Sprüche von Sheldon und vor allem die ganzen Anspielungen auf nerdige Mainstream-Themen. Angefangen von Star Trek über Game of Thrones bis World of Warcraft und vieles mehr. Mehr als einmal erwischte man sich bei dem Gedanken „Oh je, das mache/habe ich auch. Ich bin ein Nerd….“ Amüsant. Ach ja, ein Kollege von mir hatte auch diesen Gedanken, nachdem er in der Serie die selbe Alf-Plüschfigur entdeckte, die er auch selbst sein eigen nennt.
Außerdem waren die 4 Hauptfiguren mir anfangs sympathisch. Angesehene Akademiker, die trotzdem zu bestimmten Themen das Kind im Manne rauslassen. Sei es zu einer Convention im Klingonenkostüm, oder als Superhelden, siehe Sheldon als Flash. Nebenbei einen schönen Gruß an den Hassiker von letzter Woche. Sheldon trägt sehr oft Shirts mit Motiven von The Flash, und der kleine Assistent in The Flash trägt oft Shirts mit Big Bang Bezug. Mist, ich BIN ein Nerd…..
Aber zurück zu meinem Eingangsstatement. Ich hasse die Serie nicht. Es ist bei mir nur das Gefühl, wie bei Two and a half men, das so langsam alle Geschichten erzählt wurden. Ausserdem hat die Serie einen Wandel durchgemacht. Ging es vorher nur um „Nerd versucht mit der Welt zurechtzukommen“ zu „Nerds haben alle heiße Frauen (weil es ja auf die inneren Werte ankommt), ausser vielleicht Shamy, und werden erwachsen“ Die Umsetzung ist durchaus schlecht mit vereinzelten Highlights.
Als Folge glimmt der Funke nur noch ein wenig, mehr aber auch nicht. Hassiker? Nein. Aber Uninteressant? Ein klares Ja!
Trotzdem danke für diesen Beitrag.
Das Schöne (oder auch Schlimme) ist ja, dass Hassiker, wie alles Meinungsgeladene, subjektiv sind. Wäre es so einfach, würde die Serie ja keiner schauen und wir hätten die guten Momente in zwei Staffeln gesehen und uns wären neun schlechte erspart geblieben. :) Unser Prinzip ist ja allgemein, Serien an den Pranger zu stellen, die unserer Meinung nach zu unrecht von Massen geliebt werden (selbst im Team sind die Hassiker des Einen ja die Lieblinge des Anderen :) ). Aber ja – TAAHM ist nochmal eine Stufe hassenswerter!
Wollte damit ja nicht sagen, das du komplett unrecht hast. Wollte nur zum Ausdruck bringen, das ich deinen Standpunkt nachvollziehen kann. Und kurz meine Geschichte zu dieser Serie erzählen, warum ich sie erst nicht geschaut habe, es dann doch gerne getan habe und jetzt wieder nicht tue.
Mehr nicht. Fand den Artikel trotzdem gut.
Keine Angst, alles so angekommen und gut. :) Dank dir für den persönlichen Einblick.
TBBT hat schon lange mehr mit „Friends“ als „The IT Crowd“ zu tun und das ist im Grunde wahnsinnig schade. Man hätte wohl schon vor 2-3 Staffeln Schluß machen sollen, stattdessen spielen inzwischen 40-jährige Schauspieler ewig junge Pseudo-Nerds und mit jedem Jahr werden mehr Schwächen der Serie sichtbar (Frauenbild, latenter Rassismus, eingespielte Lacher).
Wenn man sich allein mal anschaut wie in der aktuellen Staffel die Tochter von Bernadette und Howard vorkommt, will man sich als Familienvater nur noch an den Kopf fassen. Die kleine Halley dient ausschließlich als Plotdevice und taucht nur dann auf wenn es gerade in die Geschichte passt. Das man sie dabei nie zu sehen bekommt ist dann nur das i-Tüpfelchen, vermutlich wäre so ein Baby zu teuer und aufwendig für die Sendung gewesen. Warte, wie viel verdienen die Schauspieler noch mal pro Folge?
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