Habt Mitleid mit uns. Wir wohnen in einer Dachwohnung. Und während ich schreibe, blastert die Sonne ihre Photonen aus allen Rohren auf unser Haus. Es ist affenheiß. Nicht Baywatch Nights-lauwarm, sondern es herrscht Mount Doom-Hitze. Die Kinder turnen in bester 300-Manier nur in Windeln bekleidet durch das abgedunkelte Wohnzimmer. Schwitzi MacSchwitz kommt zum Kuscheln angekrabbelt und der Junikäfer will meine Weihnachts-Pixibücher angucken. Das ist nicht zum Aushalten. Schnell raus und an die frische Luft. Als dann gefühlte fünf Stunden der halbe Haushalt gepackt ist, diverse Kinder frisch gewickelt und eingecremt sind, geht es endlich los. Nun erlebe ich an solchen Tagen immer wieder dasselbe Phänomen. Kennt Ihr die Scrubs-Folge (S02E05), in der J.D. von einem imaginären Opernsänger verfolgt begleitet wird? Und bei jeder Fehlentscheidung schmettert dieser ariengleich „Miiiistaaaaake“ („Fataaaaal“). Mich begleitet an Hitzetagen Billy Idol durch die Stadt und trällert auf Dauerschleife:
(Stranger, stranger, stranger, stranger)It’s hot here at night, lonely, black and quiet
On a hot summer night
Don’t be afraid of the world we made
On a hot summer night‚Cause when a long-legged lovely walks by
Yeah you can see the look in her eye
Then you know that it’s[Refrain]
Hot in the city, hot in the city tonight, tonight
Hot in the city, hot in the city tonight, tonight
Natürlich hat damals nach Partys die „Summer Night“ mehr Sinn ergeben. Aber, dass wir auf dem Weg zum Spielplatz sind, scheint Billy nicht zu stören. Das Lied fällt zum Glück einigermaßen in meinen Musikstil. Nicht wie das Titellied der Gummibärenbande. Wieder einen Ohrwurm? Gern geschehen. Aber der eigentliche Hintergrund ist tatsächlich ähnlich. Nur dass ich nicht präpubertierte, sondern mittendrin steckte in der tiefsten Teenie-Phase. Zu der Zeit liebte ich 21 Jump Street. Schnuckelige Jungs, echte Rebellen, sensible Außenseiter mit tiefgründigen Blicken. „Hot in the City“ ist die Titelmusik von Booker. Ein Ableger, neudeutsch Spin-Off, von 21 Jump Street. Mäßig erfolgreich, nach einer Staffel vorbei, aber mit einprägsamer musikalischer Untermalung. Leider wurde der Soundtrack später wegen Problemen mit diversen Lizenzen geändert. Das zukünftige Tankgirl Lori Petty, obwohl schon bekannt, übernahm auf der Hälfte der Strecke in der Serie die kleine Rolle der Assistentin. Der Begriff Feminismus fällt hier nicht, denn Bookers erste Assistentin heiratet und da kann man dann natürlich nicht mehr arbeiten. Der noch nicht ganz so bekannte Richard Grieco lieferte eine überzeugende Leistung, die Drehbuchschreiberlinge leider nicht. Wieder einmal wurde Potential vergeudet.
Heiße Rettungsschwimmer
Jetzt könnte man sagen, warum das Summerfeeling an nur einem Lied ausmachen und nicht an einer viel näher liegenden Serie, wie zum Beispiel Baywatch? Natürlich habe ich auch Baywatch gesehen. Als feuereifriger Knight Rider-Gucker war das die logische Konsequenz. Und seien wir ehrlich, wer hat das nicht. Keiner sollte sich deswegen schämen. Wann könnte ein Serienkonzept, das auf hübschen Frauen in Badeanzügen basiert, nicht überzeugen? In fünfzehn Sprachen wurde sie übersetzt und lief sogar im Iran. Ich kann mich gut an rote Badeanzüge und komische Plastikdinger erinnern. Ich meine die Rettungsdinger und nicht die Brüste. Und selbstredend an die üppige Brust…behaarung von Mitch. Sogar einen Film hat die Kultserie dieses Jahr bekommen. Und das, obwohl auch diese Serie fast an der ersten Staffel gescheitert wäre. Wie sinnvoll oder nötig es war, Dwayne Johnson und Zac Efron 2017 in die roten Badehosen zu stecken, könnte man ausdiskutieren. Müssen wir aber nicht. Und es ist nun mal so, dass ich an hitzefreirelevanten Tagen Billys Lied im Ohr habe und nicht Pamelas „Ernie und Bert“ durch die Straßen hüpfen sehe. Schade eigentlich. Solche überzeugenden Argumente hatte Booker leider nicht zu bieten.
Zwanzig Jahre später
Richard Grieco taucht immer mal wieder semierfolgreich auf und ist bekennender Weise lieber Musiker und Maler. „The Hoff“ brilliert am Broadway und ist auch sonst mehr oder weniger schmeichelhaft in den Boulevardblättchen zu finden. So verändert sich alles in zwanzig Jahren. „Hot in the City“ bleibt wohl auch noch die nächsten 60 Jahre mein persönlicher Sommerhit. Allgegenwärtig, unausweichlich und irgendwann etwas nervig. Während ich also „Stranger, stranger, stranger…“ vor mich hin summe, zieht die Karawane gen schattiges Plätzchen auf dem Spielplatz. Ein Gedanke schießt mir durch den Kopf: Wäre es immer so heiß, hätte ich dann ständig diesen Ohrwurm? So laufe ich weiter durch die heiße Stadt und freue mich ein bisschen auf Weihnachten.
Bildmotiv: Thomas Kastadinov
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