Was mir die letzten Wochen beim Serien-Marathon immer wieder auffiel, ist die scheinbar stets präsente Rolle von Alkohol. Wenigstens einer der Hauptcharaktere, so wirkt es, hat ein ernsthaftes Alkoholproblem. Durchaus möglich, dass dies aber nicht als ein solches dargestellt wird, sondern als normales Verhalten (sah man ja auch in dieser Infografik). Klar, wenn ich nach Dienstschluss nach Hause komme, wird natürlich auch zuallererst ein Fläschchen Hochprozentiges geöffnet und mindestens zur Hälfte geleert, so kann der Abend ja nur besser werden. Was ist denn entspannender, als seinen Verstand mittels des legalen und überall dauerhaft verfügbaren Alkohols auszuschalten und dazu dann, temporär verstandsbefreit, die Glotze einzuschalten um irgendeiner belanglosen Unterhaltung zu frönen?
Trinken, wo man hin schaut
Cartoon-Charakter Homer Simpson machte es schon vor gut dreißig Jahren vor: Ein Leben ohne sein DUFF-Bier ist unvorstellbar, lieber verzichtet er auf seine Ehefrau, den ungeliebten Job im Atomkraftwerk und natürlich auch auf die nervigen Kids. Das gute Bier muss aber immer in ausreichender Menge im Haus, respektive Kühlschrank, vorgehalten werden!
„Auf den Alkohol – die Ursache und die Lösung aller Probleme. (Homer Simpson)“
Aber auch betont männlich agierende Machos in der realen Serienwelt, wie beispielsweise eine meiner Lieblingsfiguren, Alvey Kulina aus „Kingdom“, kennt man gar nicht anders als mit einem Glas oder einer Flasche gefüllt mit hochprozentigem Inhalt in der Hand. Nicht nur das: Im Laufe der Serie bekommt man das Gefühl, dass er nichts anderes als Scotch trinkt. Natürlich gibt es dabei die ein oder andere Eskapade, aber im Großen und Ganzen ist die Trinkerei in Ordnung. Oder wie kann man sich sonst erklären, dass Kulina mit knapp 50 Jahren nicht nur frei von Mangelerscheinungen ist, sondern auch noch einen top-gestählten Körper hat, um den ihn selbst die fleißigsten Fitnessjunkies jüngerer Generation beneiden?
Fehlender Realitätsbezug
Dieses Verhalten steht aber im krassen Gegensatz zu den tatsächlichen Auswirkungen von Alkohol auf real existierende Menschen, abseits der Mattscheibe. Jedem Freizeitsportler ist bekannt, dass Alkoholkonsum durchwegs negative Folgen auf den menschlichen Körper hat. Studien zeigen, dass durch Alkoholzufuhr die Ausschüttung wichtiger Wachstumshormone gebremst wird, was das angestrebte Muskelwachstum schwächt. Die Körperkoordination wird negativ beeinträchtigt, angetrunken steigt natürlich auch die Gefahr von Sportunfällen. Zudem ist bekanntermaßen Alkohol eine Kalorienbombe: ein Gramm reiner Alkohol hat 7 Kalorien, diese werden aus gutem Grund auch als „leere Kalorien“ bezeichnet. Die Erklärung dafür, dass die Topathleten aus „Kingdom“ ihre extrem muskulösen Körper mit einem Körperfettgehalt von unter 10 Prozent trotz des gezeigten Alkoholkonsums behalten, kann nur „durch ein Wunder“ lauten. Mit rechten Dingen geht das nie und nimmer zu.
Ähnliches gilt für Kevin Bacon in der Rolle des Jackie Rohr in der aktuell auf Sky laufenden Serie „City on a Hill„. Zwar säuft und kokst dieser wie ein Loch, kann aber trotz des einen oder anderen (kleinen) Hangovers brillante Arbeit verrichten. Alkohol, gerade das harte Zeug, gehört einfach dazu, wenn man ein ganzer Mann sein will.
Doch nicht nur in der harten Männerwelt wird getrunken. Raj, unser allseits beliebter und verklemmter Nerd aus der „Big Bang Theory„, braucht Alkohol, um mit Frauen überhaupt nur ein Wort wechseln zu können (zumindest zu Beginn der Serie) und die Damen von „Sex and the City“ sind immer mit einem Gläschen in der Hand anzutreffen. Unsere Freunde bei „How I met Your Mother“ treffen sich nicht auf einen Kräutertee im MacLaren’s und seinerzeit wurde beim „King of Queens“ Doug Heffernan beim samstäglichen Football-Event in der Garage Bier gereicht, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Welche Auswirkungen der Alkoholkonsum in Serien tatsächlich auf uns, die Serienkonsumenten, hat, kann und soll an dieser Stelle natürlich nicht erschöpfend abgehandelt werden. Allerdings möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass zum Beispiel die von unseren Lieblings-TV-Helden konsumierten Getränke auch in der realen Welt größeren Absatz finden. Nehmen wir „Mad Men„-Charakter Don Draper, der dafür sorgte, dass sich die Marke „Canadian Club Whiskey“ plötzlich zum Verkaufsschlager mauserte. Ebenso verhalf „Sex and the City“-Star Sarah Jessica Parker aka Carrie Bradshaw Anfang der 2000er Jahre dem guten, alten „Cosmopolitan“ zu neuem Ruhm. Seit Jahren kann man DUFF-Bier in jedem Getränkemarkt erwerben und auch das Merchandising von „Game of Thrones“ ist auf diesen Zug aufgesprungen. So erschien mit jeder Staffel eine Sonderedition meist schottischer Whiskeys – für jedes der sieben Königslande und auch die Nachtwache. Gut, dass es acht Staffeln gab…
„Saufen und Lust, kein Mann kann mir darin das Wasser reichen.“ (Tyrion Lannister)
Bitte maßvoll genießen…
Seit 2007 ist in Deutschland Werbung für Tabak in allen Zeitungen und Zeitschriften sowie im Internet verboten. Das merkt man auch daran, dass in den letzten Jahren immer weniger Serienhelden zur Zigarette greifen. Allerdings gibt es kein identisches, erst recht nicht ähnlich tiefgreifendes, Werbeverbot für Alkohol. Ich will hier keine Lanze für Tabakkonsumenten brechen und ein Laster dem anderen über- oder unterordnen, ebenso wenig dürfen die Gesundheitsgefahren beider Produkte verharmlost werden. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass es scheinbar keine wie auch immer geartete Grenze für die Darstellung von Alkoholkonsum in TV-Serien zu geben scheint. Anders lässt sich diese Art der Normalisierung von Alkoholkonsum bei jedweder Gelegenheit, ob nach stundenlangem Fitnesstraining, Sex, dem Feiern von Vertragsabschlüssen, gemütlichen Kneipenabenden, oder selbst kurz vor anstehenden Autofahrten nicht erklären.
„Ich hatte sechs verschiedene Stimmen im Kopf. Jetzt sind es nur noch fünf. Den Moralapostel hab ich nämlich im Alkohol ertränkt!“ (Internetweisheit)
Damit möchte ich nicht als Moralapostel dastehen und jedes Gläschen Alkohol verdammen, sondern nur darauf hinweisen, dass gerade auf unseren TV-Bildschirmen mit dem sensiblen Thema „Alkoholkonsum“ etwas nachlässig umgegangen wird. Auch unsere Kinder haben Zugang zu vielen der hier im Text als Beispiel genannten Serien. Wer kontrolliert denn schon wirklich, ab welchem Alter die Serie, die unsere Kinder gerade anschauen, „frei“ gegeben ist und welche Inhalte diese bietet? Wenn selbst in den unschuldigsten Sitcoms propagiert wird, dass zum Erwachsensein gleichzeitig das regelmäßige Konsumieren von Alkohol zu jeder (un)passenden Gelegenheit gehört und nur die verschrobensten Charaktere (beispielsweise Sheldon aus „The Big Bang Theory“) wirklich so gut wie nie trinken, dann führt es definitiv in die falsche Richtung. Muss denn jeder Anwalt nach einem harten Arbeitstag zum Scotch greifen? Kann man als erfolgreiche Single-Frau nur Spaß haben, wenn man Cocktails schlürft? Schaffe ich es als schüchterner Mann tatsächlich frühestens nach dem zweiten Bier, eine Frau lediglich nach dem Weg zu fragen? Muss beim Fußballschauen wirklich das Bier literweise fließen? Kann nur derjenige, der fleißig mit bechert, als gefestigter Charakter in der ach so harten Welt der Erwachsenen bestehen?
Diese Fragen muss natürlich jeder für sich selbst beantworten. Beim Thema Zigaretten hat das Ganze doch auch so gut geklappt. Es fragt sich keiner mehr, wohin die berühmte Zigarette danach verschwunden ist. Im Gegenteil: Es fällt nicht auf, wenn nicht geraucht wird und passiert es doch einmal, wirkt es eher irritierend als cool. Warum nicht einfach mal den Alkohol weglassen? Ich kann nur jedem Serienfan empfehlen, sich keinesfalls ein Vorbild bei seinen Lieblings-Serienhelden zu nehmen und stets bewusst mit dem Thema Alkoholkonsum umzugehen. Wie sagte schon einst Heinz Rühmann:
„Sorgen ertrinken nicht in Alkohol. Sie können schwimmen!“
Bilder: CBS, Showtime, Disney.
Das ganze kann man auch locker auf das Thema (bestimmte) Drogen erweitern. Was habe ich früher gelacht, wenn Ted und Marshall in How I Met Your Mother mal wieder ein „Sandwich“ gegessen haben.
Wenn ich die Serie heute mit meinem 13 jährigen Sohn schaue, denke ich ganz anders drüber. Kein besonders erwachsener Umgang mit dem Thema Drogen. Fast schon peinlich.
Wobei man diesem besonderen Beispiel ja noch zugutehalten könnte, dass man hier bewusst den Konsum zumindest verschleiert hat, so dass ihn eigentlich nur erwachsene(re) Personen verstehen.
Hallo Oliver. Ich stimme dir da vollkommen zu. Ich wollte nur dieses sehr kontroverse Thema nicht zu sehr in die Länge ziehen. Vielleicht gibt es ja einmal einen Kommentar zum Thema „Verharmlosung von Drogenkonsum“ in Serien.
Warum taucht hier „Californication“ nicht auf? Sex, Drogen und noch mehr von beidem. :-)
Es stellt sich doch die Frage, warum wird in den Serien so viel getrunken?
Meine Vermutung ist:
Kaum eine gute Geschichte beginnt mit „Wir hatten einen echt guten Salat…“
Zweitens will der Zuschauer nach einem mittelmäßigen Arbeitstag noch etwas außergewöhnliches Erleben. Party wie früher, „Helden“ die Dinge für den Zuschauer erledigen, die er selbst nicht machen kann / machen sollte. Und zu guter letzt fühlt sich das einsame Bier alleine auf dem Sofa nicht so traurig an.
Wohl wahr!
Wer würd‘ sich zum Beispiel für eine Geschichte interessieren, die mit „Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen“ anfängt. Absolut Niemand… ;)
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