Wer an einen Pit Bull denkt, dem kommt vermutlich als Erstes ein muskulöser und kampfwilliger Hund in den Sinn. Dabei sind sie intelligente und sanftmütige Hunde, die auch als Familienhunde gelten. Bei dem 41-jährigen Schauspieler und Hundeliebhaber Jon Bernthal lassen sich ähnliche, voreilige Schlüsse ziehen. Äußerlich wirkt er bedrohlich, doch im Kern verkörpert er häufig zerüttete Figuren mit emotionaler Tiefe. Diese Eigenschaften, sind es die mich an dem charismatischen Star faszinieren. Im Rahmen unserer wöchentlichen Rubrik In weiteren Rollen, habe ich mir mal das schauspielerische Schaffen des aus Washington D.C. stammenden Darstellers genauer angesehen.
Die Anfänge
Jon Bernthal, dessen Familie ursprünglich aus München stammt, studierte Schauspiel in Moskau, stand schon auf unzähligen Bühnen in ganz Amerika und begann seine TV-Karriere mit Serien wie „Criminal Intent” und Gastauftritten bei „How I met your mother“, „Boston Legal“ oder „CSI: Miami“. Erste Bekanntheit erlangte er mit der Sitcom „The Class“, in der Bernthal die Rolle des Duncan Carmello übernahm. Die Serie erzählte eine Staffel lang von acht Freunden Ende zwanzig, die sich nach langer Zeit wiedersehen. Duncan trauert seiner Ex-Freundin hinterher, die inzwischen mit einem Football-Star leiert ist.
2009 verlieh er in der kurzlebigen Fantasy-Serie „Eastwick“ als Raymond Gardener drei Frauen besondere Fähigkeiten, wohingegen er in der Crime Mini-Serie „Mob City“, einen Polizisten gab, der in den 1940ern gegen das organisierte Verbrechen in L.A. vorgeht.
Mit „Show me a hero” folgte eine weitere Mini-Serie. Diesmal über den Sozialwohnungsbau in einer amerikanischen Großstadt. Bernthal mimt hier den Harvard-Absolventen und knallharten Anwalt, der sich für die Rechte der schwarzen Minderheit einsetzt.
Shane Walsh in „The Walking Dead“
Im Jahr 2010 bekam er die Rolle des gefährlichen und hinterhältigen Shane Walsh in „The Walking Dead“. Dabei war er einer der ersten, der für die Erfolgsserie verpflichtet wurde. Obwohl er nur zwei Staffeln dabei war, steigerte sein Auftritt seine Bekanntheit enorm. Da von vornherein klar war, dass Shane sterben würde, legte Bernthal Shane besonders vielschichtig an und zeigte, dass er mehr als nur ein eindimensionaler Schurke ist. Insbesondere ab der zweiten Staffel vermittelte Bernthal der Figur eine tiefe Einsamkeit. Nach der zweiten Staffel, fiel ihm der Abschied von der „Walking Dead“-Crew schwer. Gegenüber Entertainment Weekly äußerte er sogar, dass dies der großartigste Job sei, den er je hatte.
Der gesetzlose Frank Castle in „Marvel’s The Punisher“
Seine wohl beeindruckendste Arbeit lieferte Bernthal wohl ab 2016 ab, als er erstmals als Antiheld namens Punisher in „Marvel’s Daredevil“ zu sehen war. Seine brachiale Darbietung kam so gut an, dass ihm gleich eine eigene Serie spendiert wurde. Hierin verkörperte er einen Soldaten, dessen Familie bei einem Feuergefecht des organisierten Verbrechens ums Leben kommt. Fortan zog er los, um auf brutale Weise gegen Kriminelle vorzugehen. Ihm gelang es einerseits den knallharten Killer mit physischer Präsenz und unvergleichlicher Bassstimme zu geben, aber auch mit geringer Mimik, den emotionalen Kern unter der Oberfläche durchschimmern zu lassen. Leider war aus lizenztechnischen Gründen nach zwei Staffeln schon Schluss.
Und sonst so
Auf der großen Leinwand, spielte er beispielsweise schon an der Seite von Brad Pitt im Kriegsdrama „Herz aus Stahl“ und in Martin Scorseses „Wolf of Wall Street“. Im Thriller „Sicario“ mit Benicio Del Toro und neben Ben Affleck im Actioner „The Accountant“. Im coolen „Baby Driver“ war er als lässiger Ganove zu sehen.
Privat ist er mit Erin Angle, der Nichte des Wrestlers Kurt Angle, verheiratet und hat drei Kinder. Außerdem haben sie zwei Pit Bulls, für die sich Jon mit seiner eigenen Organisation stark macht. Sie setzt sich dafür ein, dass die Hunde differenzierter gesehen werden als bislang. Mit seinem Bruder führt er außerdem eine Non-Profit Organisation, die versucht jungen Menschen eine Perspektive zu bieten. Wie ein wahrer Held, ganz ohne Schusswaffen.
Ich muss gestehen, dass ich Bernthal unterschätzt hatte. Erstmals sah ich ihn als Shane in „TWD“ und vermutlich liegt es auch an der negativ besetzten Rolle, aber ich habe ihn als eindimensional und plump im Spiel wahrgenommen. Das hat sich nochmal bestärkt, als ich das eigentlich vielversprechende „Mob City“ gesehen hatte. Da war er für mich als zwar auf den ersten Blick erscheinungsstark wirkenden Charakterschauspieler, eher auf den Typ „Schrank im Hintergrund“ abgestempelt. Zu emotionslos, zu kühl, zu „cool“. Aber im und als „Punisher“ gefällt er mir soweit wirklich gut (bin Mitte Staffel 2). Vermutlich, weil das Script auch einfach besser geschrieben und ihn deutlich menschlicher erscheinen lässt. Natürlich ist er auch dort etwas schroff und obercool, passt aber besser zur Rolle und wird mMn subtiler gelöst, indem er halt einfach mal schweigt und stoisch guckt (das kann er!). Von daher: Zweite Chance genutzt! :)