Vor genau zehn Jahren habe ich meinen ersten Artikel für serieslyawesome.tv geschrieben. Was als lockeres Hobby begann, entwickelte sich zu einer festen Größe in meiner Freizeit: Serien schauen, analysieren und darüber schreiben. Rückblickend kann ich sagen – der Zeitpunkt war perfekt, denn nicht nur meine eigene Sicht auf Serien hat sich dadurch verändert, auch die Serienlandschaft selbst hat in dieser Zeit einen gewaltigen Wandel durchlaufen. Und ebenso hat sich das Bloggen selbst weiterentwickelt. Zeit für einen Rückblick.
Erste Gehversuche als Blogger
Ich bin ein Kind des Nachrichtenjournalismus, komme ganz klassisch aus der Tageszeitungsecke. Das bedeutet: Immer schön nachrichtlich denken, auf den Punkt kommen, Meinung und Nachricht strikt trennen. Und dann saß ich vor meinem ersten Blog-Beitrag – ein Serien-Tipp zu „The Knick“. Damit habe ich mich bei den Blog-Gründern Maik und Jonas sowie dem damaligen Team beworben. Ich glaube, es war damals nicht unlesbar (immerhin ist der Serien-Tipp nachträglich veröffentlicht worden), aber wenn ich so draufschaue, war das schon noch ganz schön distanziert und emotionslos, mehr beschreibend und erklärend. Oder wie es Maik in seiner Bewertung in der Redaktions-Facebook-Gruppe (ja, in den Anfängen waren wir tatsächlich über diese Form organisiert; später Slack, dann Discord) beschrieb: „Okay, bisher wenig „Meinung“.“ Oder, Jonas, noch genauer: „Endlich gelesen, joa, bisschen langweilig, aber auch kein fail.“
Was da auch mit hineingespielt haben dürfte: An der Ruhr-Uni in Bochum hatte ich Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften studiert, hatte also einen geschulten, analytischen Blick auf filmische Produktion, wusste also, warum eine Kameraperspektive so oder so gewählt wurde, welcher Stil an welcher Stelle zu welchem Zweck eingesetzt wurde und wo der Produktion offensichtlich ein Schnitt- oder Analogiefehler unterlaufen ist (damit nerve ich heute noch gerne mein Umfeld beim Serienschauen).
Vielleicht ein bisschen zu analytisch. Egal, wie man schon vermuten kann, habe ich die Testphase als Autor überstanden und bin festes Mitglied geworden. Das wäre übrigens auch schon einige Monate früher möglich gewesen, aber ich konnte es da zeitlich noch nicht einrichten, regelmäßig aktiv zu werden (Zeit wird nochmal Thema sein). Bis heute sind’s immerhin 3475 Artikel im Blog, über die zehn Jahre betrachtet also tatsächlich etwa ein Artikel pro Tag. Wobei es zwischendurch echte Hochphasen mit mehreren Beiträgen am Tag gab, mittlerweile aber nur noch zwei bis drei pro Woche. Denn es ist einfach aufwändig, die Serien zu schauen, sich die Notizen für ein Review zu machen und das dann noch zu schreiben. Ich hoffe, das bessert sich demnächst wieder.
Die Serienlandschaft im Wandel der Zeit
Dazu kommt natürlich, dass es auch einfach ein riesiges Angebot an Serien gibt – da kommt man kaum noch hinterher. Zur Erinnerung: 2014 war das lineare Fernsehen noch die dominierende Plattform für uns Serienfans. Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime Video standen zwar international bereits in den Startlöchern, doch ihre Bedeutung war noch lange nicht so prägend wie heute. Nicht von ungefähr kommt, dass mein erster offizieller Beitrag im Blog vom 3. Februar 2015 damit zu tun hatte, dass Sky auf einem eigenen Sender „Game of Thrones“ rund um die Uhr zeigte. „On demand“ war seinerzeit noch nicht so wirklich das Thema.
Inzwischen hat sich das Zuschauerverhalten vollkommen verändert, und auch die Serienlandschaft. Binge-Watching wurde zum neuen Normal, Serien erscheinen nicht mehr wöchentlich in festen Slots, sondern oft als komplette Staffel auf einen Schlag. Mehrfach haben wir im Blog die neuen Serienformen diskutiert, vielfach auch unter Beteiligung unserer Leser:innen. Auch wenn das selten passiert – das ist natürlich immer noch eine der Besonderheiten des Blogs, dass man direkt mit der Community in den Austausch kommen kann.
In den vergangenen zehn Jahren haben wir damit natürlich auch miterlebt, wie sich das Erzählen von Geschichten weiterentwickelt hat. Produktionen wie „Game of Thrones“ oder „Stranger Things“ haben neue Maßstäbe gesetzt, sowohl in Bezug auf Dramaturgie als auch auf Produktionsqualität. Serien sind inzwischen nicht mehr nur „zweite Wahl“ hinter Kinofilmen, sondern oftmals der Ort, an dem die spannendsten und ambitioniertesten Geschichten erzählt werden. Darsteller:innen trauen sich immer häufiger von der großen Leinwand auf den (oft gar nicht mehr so kleinen) Bildschirm.
Was sich ebenfalls geändert hat, ist die Art und Weise, wie wir Serien konsumieren – das merke ich auch an mir. Die Diskussionen über eine Serie finden heute nicht mehr nur am Tag nach der TV-Ausstrahlung in der Kaffeeküche statt, sondern in Echtzeit auf Social Media. Fan-Communities analysieren Episoden bis ins kleinste Detail, Memes verbreiten sich in Windeseile, und Serienmacher sind direkter denn je mit ihrem Publikum verbunden. Diese Dynamik hat auch mein Schreiben geprägt – und die Art und Weise, wann und wie ich Serien schaue. Immerhin muss man mit dem Schauen mindestens genauso schnell sein, wie die Serienfans da draußen, schließlich möchte man nicht so gerne gespoilert werden.
Das Bloggen über Serien – von der Nische zum festen Bestandteil der Medienlandschaft
Als ich anfing, über Serien zu bloggen, waren Blogs gefühlt die primäre Quelle für tiefgehende Analysen und Diskussionen. Heute konkurrieren wir mit YouTube-Videos, Podcasts, Twitch-Streams usw. Das Medienverhalten hat sich fragmentiert, alles wird schneller, Leser:innen konsumieren Inhalte in vielen verschiedenen Formaten, oft in kürzeren, visuell geprägten Darstellungsweisen. Dennoch sehe ich das so, dass Blogs nach wie vor eine wichtige Rolle haben, besonders für so ausführliche Analysen zu einzelnen Folgen oder Staffeln, wie wir es im Serien-Blog machen, oder auch exklusive Interviews zu dem „Wie?“ oder „Warum?“ – und, klar, fundierte Meinungen, die eine tiefere Auseinandersetzung ermöglichen. Die Herausforderung wird sein, sich in einem digital immer schneller drehenden Umfeld eine eigenständige Identität zu bewahren und gleichzeitig neue Formate zu adaptieren. Blogs wie unsere Seite können auch in Zukunft eine eher eine reflektierte Perspektive abseits der Schnelllebigkeit viraler Inhalte bieten. Aber: Dafür muss man sich Zeit nehmen, als Autor:in wie als Leser:in.
Interview mit Oscar-Gewinner und Grimme-Preisträger, Moderation eines Filmmusik-Panels
Kommen wir zu den besonderen Highlights meiner Zeit bei serieslyawesome.tv – und da gab es einige. Dazu gehören definitiv die Interviews, die ich führen durfte – unter anderem mit Grimme-Preisträger Reinhold Heil, dem Oscar-Preisträger Hauschka oder Comedian Michael Kessler.
Solche Gespräche haben mir tolle Einblicke gegeben, natürlich auch neue Perspektiven auf die Branche und gezeigt, wie vielschichtig die Serienproduktion ist – und es ist natürlich auch etwas ganz Besonderes, mit diesen Personen zu sprechen. Oder mein Besuch bei Christian Kahrmann, der neben der Schauspielerei ein Café in Berlin betrieb und den ich dort besucht habe.
Oder die vielen Begegnungen mit dem „Lindenstraße“-Autor Michael Meisheit (‚Danke‘ an dieser Stelle), mit dem wir gleich mehrere Formate und Beiträge gemacht haben – Interviews wie Live-Sessions. Unser Austausch fiel in die Zeit, als das Ende der „Lindenstraße“ beschlossen wurde – die Serie war für mich immer ein besonderes Thema, auf wenn so eine deutsche Weekly nicht so richtig in den Blog zu passen schien. Aber: Immerhin waren sie mit die erfolgreichsten Beiträge im Blog, neben dem Klick-Klassiker, der „Marvel-Timeline“.
Durch die Arbeit am Blog habe ich mich auch an diverse neue Formate gewagt – die Live-Session (damals über Facebook Watch (!)) mit Michael Meisheit hatte ich schon erwähnt, dazu kam auch noch die Entwicklung einer wöchentlichen Filmmusik-Reihe, wo ich mich regelmäßig mit neuen Soundtracks beschäftigt und eine Spotify-Playlist gepflegt habe.
Daraus entwickelte sich sogar ein Live-Panel beim Seriencamp in München, bei dem wir als Partner unterwegs waren.
Und wir fingen früh an mit Podcasts – nichts für mich, wie ich anfangs dachte, aber nach der ersten Produktion war ich direkt begeistert und immer wieder gerne dabei, wenn wir den seriesly podcAZt (wie hier zum Start von Joyn) aufgenommen haben oder das „Gefaltete N“, einen regelmäßigen Podcast zu Netflix. Ich würde beides gerne wieder aufleben lassen oder neue Formate in Angriff nehmen – an der verfügbaren Zeit wird’s (vorerst) scheitern.
Was mir die Arbeit am Blog aber gezeigt hat: Eine Seite wie serieslyawesome.tv hat den Vorteil, dass sie sich stetig weiterentwickeln kann – und ich mich mit. Die Art unserer Inhalte hat sich im Laufe der Zeit verändert – und genau das macht das Bloggen so spannend: Man geht mit der Zeit und bleibt doch seinem Kern treu.
Meine eigene Entwicklung als „Blogger“
Ich hatte es schon angedeutet, wie sehr ich mich beim Schreiben umstellen musste. Anfangs war mein Ansatz oft eher sachlich beschreibend. Nachrichtliche Texte erfordern eine klare Trennung von Information und Meinung, während ein Blogbeitrag die Freiheit hat, beides zu vermischen, um eine individuellere Perspektive zu bieten. Irgendwann hat sich’s dann eingespielt (ist zumindest mein Eindruck): Heute lasse ich viel mehr persönliche Eindrücke und Reflexionen in meine Texte einfließen. Serien sind für mich nicht nur Unterhaltung, sondern oft auch ein Spiegel der Gesellschaft, ein Medium, das gesellschaftliche Debatten anstoßen kann. Genau diese Meta-Ebene ist es, die mich heute besonders interessiert.
Dazu kommt, dass sich meine Themenwahl in gewisser Weise gewandelt hat. War ich früher vor allem auf einzelne Episoden fokussiert, interessieren mich heute vor allem übergeordnete Trends: Wie verändert sich die TV- und Serienwelt? Wie haben sich Erzählstrukturen verändert? Welche Rolle spielen Algorithmen bei der Serienproduktion? Und welche andere Medien?
Mein Fazit nach 10 Jahren – und ein Blick nach vorne
Zehn Jahre über Serien bloggen – das war eine aufregende Reise voller Lernmomente. Die Serienwelt hat sich stark gewandelt, ebenso wie die Art, wie wir darüber sprechen und schreiben. Ich habe nicht nur viel über Serien selbst gelernt, sondern auch über das Bloggen, die Podcast-Produktion und die Dynamik der Medienlandschaft.
Besonders bereichernd war – und das muss und möchte ich wirklich betonen – die Zusammenarbeit mit dem großartigen Team von serieslyAWESOME.tv – Maik und Jonas als Gründer, dann Kira, Fabio und Chris aus dem aktuellen Team, aber auch die vielen Ehemaligen, die heute nicht mehr dabei sind, zu denen ich aber hier und da immer noch Kontakt habe. Ausnahmslos alle sind wirklich tolle Menschen und starke Charaktere, die für viele verschiedene Richtungen im Blog sorgen, die immer für einen da sind, die auch mal diskutieren, kritisieren und widersprechen können, von denen man viel lernen kann, die am Ende aber auch immer darauf aus sind, einen Konsens zu finden, den Blog weiterzuentwickeln und Spaß am Bloggen und an Serien zu haben. Schließlich ist das immer noch ein reines Freizeitvergnügen für uns alle (der Blog ist sozusagen „ehrenamtlich“ betrieben – für alle, die es nicht wissen).
OK, klingt alles ein bisschen wie ein Abschied – aber: Diese Kolumne soll natürlich kein Abgesang sein. Ich freue mich vielmehr darauf, auch in Zukunft über neue Entwicklungen zu schreiben, spannende Serien zu entdecken und mich mit der Community (und dem Team) auszutauschen. Natürlich macht das Schreiben viel mehr Spaß, wenn es auch Leute gibt, die es lesen. Gebt deswegen unserem kleinen Blog weiterhin eine Chance – lest, kommentiert, gebt Tipps! Denn eines ist sicher: Die nächsten Jahre werden mindestens genauso spannend!
Gratulation zum 10-Jährigen! 🥳 So krass, dass es schon derart lange ist, wow. Wie die Zeit fliegt. Und ziemlich genau 3,5K Beiträge ist auch Wahnsinn. Danke für dein Mitgestalten hier im Blog und diesen wundervoll zu lesenden Rückblick. Sehr interessant zu sehen, wie sehr sich die Zeiten doch immer wieder ändern.