Ich stülpe mir meine Virtual-Reality-Brille über den Kopf, zurre das Gummiband fest und setze meine Kopfhörer auf. Abgeschottet von der Außenwelt navigiere ich mit leichten Kopfbewegungen die Netflix App an. Bevor ich mir einen Serientitel aussuche, wähle ich eine digitale Umgebung aus, in der ich mir den Inhalt anschauen will. Neben einem gemütlichen Cottage mit Kaminfeuer und großem Fernseher, steht auch eine Kinosaal mit gigantischer Leinwand zur Auswahl. Ich nehme im mit roten Sesseln versehenen Saal Platz, tippe mit meinem Finger an meiner Brille, um das Programm zu starten und der vertraute Tudum-Sound läutet das Sehvergnügen ein. Das ist längst keine Zukunftsvision, sondern bereits heute möglich. Als ich mir vor einigen Jahren ein neues Smartphone kaufte, gab es eine VR-Brille kostenlos dazu. Zugegeben die Brille ist eher eine technische Spielerei und gerade die niedrige Auflösung hindert mich (noch) daran Serien tatsächlich in einer virtuellen Umgebung zu konsumieren. Aber in Zukunft könnte dies durchaus eine Art und Weise sein, wie wir Filme, Serien, Musikvideos und vieles mehr schauen werden.
Vor einiger Zeit sprachen Micheal, Maik und ich in unserem PodcAZt über die Zukunft der Serienwelt. Neben ein paar allgemeinen Trends, haben wir auch technische Möglichkeiten angesprochen, die heute noch in den Kinderschuhen stecken, aber schon morgen unser Sehverhalten maßgeblich verändern könnten. In der Zwischenzeit hat Facebook-Gründer Mark Zuckerberg die Arbeit seines Konzerns an einem virtuellen Raum namens Metaverse vorgestellt. Eine künstliche Welt, in der jeder einen personifizierten Avatar steuert. Was bislang nur in Science-Fiction-Streifen wie „Matrix“ oder eindringlich in der „Black Mirror“-Episode „Striking Vipers“ (S05E01) zu sehen war, soll nun Realität werden. Man mag von Herrn Zuckerberg halten was man will, aber sein Vorhaben könnte gewaltigen Einfluss auf die Zukunft der Wirtschaft und damit auch unseres Konsumverhaltens haben. Bereits zu Beginn der 2000er brachte der Entwickler Philip Rosedale mit seinem Onlinespiel „Second Life“ eine virtuelle Welt auf den Markt, die allerdings trotz großer Investitionen scheiterte. Inzwischen ist viel Zeit vergangen und wir Menschen haben heute die perfekten Voraussetzungen geschaffen, um ein Leben in einer virtuellen Realität möglich zu machen. Ob Zoommeetings, die Bezahlung mit Kryptowährungen oder das erstehen von einzigartiger digitaler Kunst (sogenannten Non-Fungible Tokens (NFTs)) sind auch pandemiebedingt zur Selbstverständlichkeit geworden. Hinzu kommt ein immer ausgefeilter Algorithmus, der unsere Vorlieben und Wünsche antizipiert und uns passende Produkte vorschlägt. Mittels Fitnesstrackern werden schon heute Vitalfunktionen ausgewertet und so könnten die Streamingplattformen in Zukunft, mehr als je zuvor, uns unsere Entscheidungen was wir schauen möchten abnehmen. Anhand der gesammelten Daten spielt uns die jeweilige Plattform genau die Serien aus, die wir wollen.
Sind wir doch mal ehrlich: Wir Serienfans würden uns sofort für die blaue Kapsel entscheiden. Also jene, die uns in die Matrix bringt. Wir lieben es dem Alltag zu entfliehen und in neue (oder im Falle von beispielsweise „Stranger Things“ auch alte, vertraute) Welten einzutauchen. Die Erfahrungen im Metaversum könnten intensiver ausfallen als jedes Fernseherlebnis zuvor. Jeder könnte dann beispielsweise einer Live-Show im Studio beiwohnen oder in der vordersten Reihe eines Konzerts sitzen. Denkbar sind auch interaktive Formate, die uns wie in einem Adventure-Game an dem Gesehenen teilhaben lassen und sogar dessen Ausgang bestimmen lassen. Und es wird einfacher sein sich das Kino direkt nach Hause zu holen. So wird unsere Couch zum Sofaplex, in dem wir räumlich von anderen getrennt sein mögen, aber virtuell mit Freunden in den roten Sesseln Platz nehmen können. Die Groupwatch-Funktion einiger Streamer ist nur der Vorbote. All das kann man kritisch sehen, und eine gesunde Portion Skepsis ist durchaus angebracht, aber wir können die Entwicklungen nicht ignorieren. Oder mit den Worten eines berühmten Physikers:
„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.“ – Albert Einstein
Bilder: Netflix
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