Da war doch was! Während der Pandemie kamen ein paar schlaue Köpfchen bei Netflix auf die Idee, den „Überrasch mich“- beziehungsweise den „Shuffle“-Button einzuführen: eine Hilfe für Unentschlossene, sich nicht selbst durch das umfangreiche Film- und Serienprogramm kämpfen zu müssen, sondern vom Streaminganbieter etwas serviert zu bekommen. Ich weiß nicht, wie es bei euch aussieht, aber ich habe tatsächlich nur ein einziges Mal auf diesen Button geklickt und mir eine Serie ausspucken lassen. Es war irgendwas, was damals gerade neu gestartet war und worauf ich gar keine Lust hatte. Danach konnte ich die Existenz dieser „Zufallsfunktion“ ziemlich gut ignorieren. Und vor ein paar Tagen dachte ich mir: Ich bin so gespannt, was Netflix aktuell für mich aussuchen würde, ich werde der Funktion nochmal eine Chance geben. Aber huch, wo ist sie hin? Einige Klicks und eine kurze Recherche später steht fest: Netflix hat den Button heimlich wieder entfernt und zwar schon Anfang dieses Jahres. Der Grund dafür: Die Nutzer:innen haben die „Überrasch mich“-Funktion wohl einfach nicht verwendet. Überraschung!
Schade, gerade jetzt, als ich wirklich gespannt war, was der Dienst für mich im Gepäck hat. Na gut, ist jetzt nicht so, dass ich die Funktion vermissen werde. Aber ich war schon neugierig, was Netflix mir denn mal Neues oder anderes empfehlen würde. Ich stecke nämlich gerade mal wieder in meiner kleinen Bubble aus „Ich muss ‚Vikings‘ mal endlich abschließen“, „Ich will nur kurzweilige Coming-of-Age-Serien sehen“ und „Ein bisschen Reality TV kann nie schaden“ fest. Was macht das denn mit meinem Nutzerinnenprofil? Und kann ein Algorithmus-basiertes System mich überhaupt so richtig überraschen? Ich erinnere mich, dass ich schon das eine oder andere Mal auf der Suche nach einer speziellen Serie war, nicht mehr genau wusste, wonach ich suchen soll und nach einer längeren Weile, die ich mich durch das Menü und sämtliche Kategorien geklickt habe, doch wieder zu den alten Mustern zurückgekehrt bin. Und dann komme ich ab und zu auch noch an der Kategorie „Nochmal ansehen“ vorbei und überlege tatsächlich kurz, ob ich nicht doch nochmal für eine Folge in „Breaking Bad“ oder ähnliche Klassiker reinschaue. Bei all den Algorithmen, die versuchen, uns Inhalte nach unserem Geschmack und Verhalten auszuspielen – was, zugegebenermaßen, häufig auch erstaunlich gut funktioniert – fehlt es Netflix häufig an innovativen Einschüben, die es schaffen, mich zu überraschen.
Am spannendsten finde ich nach wie vor, bei Freund:innen zu sein und die Benutzer:innenoberfläche ihrer Streamingdienste zu erkunden. Da kommen Serien und Filme zum Vorschein, die ich noch nie, also nicht mal in meiner Bedienoberfläche, gesehen habe. Ich kann aber ja auch nicht jedes Mal vor dem eigenen Sofabesuch erstmal irgendwo anders einkehren. Eine neue Idee muss her. Ich hab mir überlegt, dass ich mir einfach mal anschaue, bei welchen Serien und Filmen der prozentuale Anteil der Übereinstimmung mit meinen Interessen besonders niedrig ist. So weit, so gut. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn Netflix glaubt, dass mir eigentlich alles ziemlich gut gefallen könnte. Die ersten Serien und Filme, die ich anklicke, die ich nur anhand ihrer weniger bekannten Titel und eher nicht ansprechenden Vorschaubilder auswähle, haben alle mindestens eine 80%ige Übereinstimmung mit meinen Interessen. Spannend! Aber natürlich auch klar, dass erstmal solche Serien in meine Anzeige rutschen. Bei manchen Serien gibt es leider auch einfach keine Angabe zur Übereinstimmung. Was ich mit ihnen anfangen soll, wird für immer ein Rätsel bleiben. Und dann, nach einigem Klicken und Suchen, werde ich fündig: Die schwedische Miniserie „Quicksand – Im Traum kannst du nicht lügen“ (Originaltitel: „Störst av allt“) stimmt nur zu 56 Prozent mit meinen Interessen überein. Das reizt mich ja nun schon, mal herauszufinden, was mir daran nicht gefallen könnte. Und vielleicht mag ich’s ja sogar!
Wird sich meine Watchlist also künftig vielleicht so zusammensetzen? Wird das meine neue Auswahlroutine werden? Den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen, um neue Impulse zu bekommen? Braucht es überhaupt eine neue Routine? Meine Watchlist ist doch eh schon lang genug! Aber wie komme ich dann nur aus meiner Bubble heraus? Ich spiele den Ball wieder an dich, Netflix. Überrasch mich doch mal wieder. So einfach ist mein Geschmack nämlich gar nicht zu durchschauen. Oder doch?
Bilder: Netflix Bedienoberfläche | Netflix | giflytics | NBC
Der Button hatte auch nicht wirklich etwas gebracht. War eher so eine „Neu und beliebt auf Netflix“ Werbung, die einem nie irgendwelche Filme oder Serien vorschlug, die sich in den Tiefen der Bibliothek befanden, sondern irgendwie immer das, was sowieso schon auf der Titelseite zu sehen war. Sprich: Neue Netflix Eigenproduktionen, Serien wie FRIENDS oder Zeug, das man erst vor kurzem gesehen hatte, sich nun aber nochmal anschauen sollte.
Kann verstehen, dass die Funktion keinen Anklang fand.
Kann ich auch verstehen. Und dann ist natürlich auch der logische nächste Schritt, die Funktion wieder abzuschaffen. Ein bisschen neugierig war ich nun aber doch. Aber es war ja scheinbar wie vermutet eh nicht wirklich hilfreich.
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