Ihr habt das mit Sicherheit in eurem Leben schon das eine oder andere Mal gehört oder vielleicht sogar zu jemandem gesagt: Wenn du noch mehr Fernsehen schaust, bekommst du viereckige Augen! Also wenn das wahr wäre, hätte ich sowas von viereckige Augen. Eigentlich wäre dann alles an meinem Körper viereckig.
Es wissen vermutlich alle, dass die Behauptung, die Veränderung der Form der Augen hinge mit dem Ausmaß des Fernsehschauens zusammen, nur ein Mythos ist. Warnen soll dieser vor allem Kleinkinder, nicht nur vor dem Fernseher rumzuhängen, sondern auch mal etwas anderes zu machen. Rausgehen zum Beispiel. Natürlich sollten wir alle nicht nur vor dem TV rumlungern und uns in andere Welten fliehen. Eine gute Mischung aus Bewegung, frischer Luft, sozialen Kontakten und Unterhaltung ist immer angebracht. Aber ich habe das Gefühl, dass der Drohspruch – der wohlbemerkt mir selbst von meinen Eltern eigentlich nie gesagt wurde – mein Leben lang ein bisschen was hinterlassen hat, einfach nur durch die bloße Existenz. Nämlich ein schlechtes Gewissen.
Früher war das stundenlange interessiert Fernsehen etwas schwerer als heute. Da musste man entweder nehmen, was im Fernsehen lief (und die vielen langen Werbeunterbrechungen über sich ergehen lassen) oder aber den aufwendigeren Weg gehen, in eine Videothek zu fahren, sich VHS Kassetten und DVDs auszuleihen oder das Lieblingsprogramm aus dem TV mitzuschneiden, um bloß nichts zu verpassen. Richtig bingen konnte man früher somit nur, wenn man ordentlich vorgesorgt hatte. Mit einer großen Filmsammlung, Serien-DVD-Boxen oder Sonderausstrahlungen im TV. Und dennoch habe ich früher SO viel Fern geschaut.
Durch die Streamingdienste ist es mittlerweile das Einfachste überhaupt, im Sofa zu versinken und den ganzen Tag das Lieblingsprogramm in sich aufzusaugen. Doch erinnert euch mal an euren letzten Serienmarathon zurück. War der nur mit guten Gefühlen verbunden (von den Rückenschmerzen vom nur auf dem Sofa liegen mal abgesehen)? Wenn ich mit Freund:innen, Kolleg:innen, Familie oder Bekannten darüber spreche, wie schnell man dann doch eine neue Staffel von Serie XY eingesogen, am besten direkt am ersten Veröffentlichungswochenende alles weggesuchtet hat, dann passiert das immer auch mit etwas Scham. Nicht selten wird die Stimme leiser oder es fällt der beiläufige Satz „Das darf man fast gar nicht erzählen, aber ich bin mit der Staffel schon durch“. Natürlich ist das meistens überhaupt nicht kritisch. Was soll’s, wenn das eine Wochenende dann der Fokus auf dem Sofa und dem TV lag? In unserer durchoptimierten, effizienzgetriebenen und leistungsorientierten Welt, gönnen wir uns solche Pausen insgesamt doch eh viel zu wenig. Warum müssen wir uns also dafür schämen, dass wir uns einen ganzen Tag oder ein Wochenende genau das gegönnt haben, was uns unterhalten hat? Genau, müssen wir doch überhaupt nicht!
Lasst uns doch einfach künftig erhobenen Hauptes darüber sprechen, wie gut wir uns unterhalten gefühlt haben, dass wir die neue Serie oder Staffel in einem Stück verschlungen haben! Dass wir es lieben, den Abend nach einem langen Arbeitstag mit einer Serie ausklingen zu lassen. Dass wir uns auch im Urlaub die Zeit nehmen, die neuen Folgen der Lieblingsserie zu schauen, weil wir es wollen und weil es uns Spaß macht. Solange wir uns nicht drinnen vergraben und nie wieder rausgehen oder nie wieder mit anderen Menschen sprechen, ist Serienkonsum doch etwas Schönes, das ich persönlich um nichts in der Welt hergeben wollen würde. Also, ich nehme es mir fest vor: Ab jetzt habe ich kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich mir ein Wochenende voller Serien gönne. Denn wie schade wäre es, sich dadurch den Spaß daran zu nehmen?
Wie geht es euch da? Werdet ihr beim oder nach dem Serien-Bingen manchmal vom schlechten Gewissen geplagt oder seid ihr die „erhobenen-Hauptes-Fraktion“? Erzählt es mir gerne in den Kommentaren.
Bilder: Netflix | Vidme | Paramount | NBC | CBS
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