An die 2. Staffel von „True Detective“ waren viele Erwartungen verknüpft – kein Wunder nach dem großen Erfolg und der wirklich guten Umsetzung der 1. Staffel. Eine erste Überraschung beim Start der 2. Season war dann sicher direkt der Titeltrack – ein mit einem pumpenden Beat hinterlegter Song, getragen von einer alten, dunklen Stimme, mit kurzen gesprochenen Wortfragmenten, eher Gedicht als klassischer Songtext. Es war ein Song des kanadischen Songwriters und Autors Leonard Cohen, den der damals knapp 80-Jährige 2014 auf seinem Album „Popular Problems“ veröffentlicht hatte. Jetzt hatte sich also Musikproduzent T Bone Burnett an diesen Song erinnert und ihn zum Titelsong der 2. Staffel erhoben.
Für Cohen-Fans war der Song 2014 nicht wirklich etwas Neues. Zumindest der Text war schon bekannt – Cohen hatte ihn 2005 zuerst veröffentlicht, im Netz in den Leonard Cohen Files, eigentlich eine Fanseite, auf der Cohen dann und wann aber Arbeitsversionen von neuen Texten und bisher unveröffentlichtes Material online stellte. Das Gedicht hatte er „Never Mind“ betitelt, also in zwei Wörtern, wohingegen der Song später als „Nevermind“ veröffentlicht wurde. Cohen mochte solche Wortspielereien, er nutzte solche sprachlichen Feinheiten oft, um Akzente zu setzen. Ein Jahr später wurde das Gedicht in der Poetry Collection „Book of Longing“ veröffentlicht, der ersten Veröffentlichung dieser Art von Cohen seit mehr als 30 Jahren. Cohen hat sich selbst immer als sehr langsamen Autor bezeichnet. Nicht selten feilte er jahrelang an Texten und Fragmenten, um sie in Form zu bringen, wie es Vulture in einem Beitrag auf den Punkt bringt:
Writing process is like a bear stumbling into a beehive or a honey cache: I’m stumbling right into it and getting stuck, and it’s delicious and horrible and I’m in it and it’s not very graceful and it’s very awkward and it’s very painful and yet there’s something inevitable about it.
So hat er es selbst einmal beschreiben, oder in seinem Song „Slow“, gleich als Intro: “I’m slowing down the tune/ I’ve never liked it fast/ You wanna get there soon/ I wanna get there last.”
Zurück zu „Nevermind“, jenem Song, der in „True Detective“ verwendet worden ist. Cohen spielt in dem Song ein wenig mit der Bedeutungslosigkeit des Lebens, und auch sein Weg zum Rinzai Zen Buddhismus spiegelt sich in dem Song wider. Immerhin war der Text 2005 erschienen, die erste Veröffentlichung nach seinem Zuwenden zum Buddhismus. „I had to leave/ My life behind/ I had a name/ But nevermind“, heißt es entsprechend auch in dem Song, und Cohen hatte den Namen „Jikan“ angenommen, was so etwas wie „silent one“ heißt – auch ein Hinweis auf seine neue Ausrichtung, wenn man bedenkt, dass er in der Welt nicht als stiller Mensch, sondern als berühmter Musiker bekannt geworden war. Dazu kommt noch Donna DeLorys Gesang in „Nevermind“, der einen absolut starken Kontrast zu Cohens „Gesang“ bildet – was Sprache, Melodie und Tonalität angeht. Auch hier drückt sich die Dualität noch einmal aus. Das führt uns wieder dazu, wie es „Nevermind“ in „True Detective“ schaffte. Zur Auswahl des Songs als Titelsongs erklärte T Bone Burnett gegenüber dem Rolling Stone:
To me, ‚Nevermind‘ is the song of the century so far, coming from one of the wisest men in our culture. I look at it as an extraordinary gift to the audience. It feels very much like Los Angeles right now: beautiful, dark, brooding, dangerous, covert. The reason the lyrics change is just because there are a lot of important lyrics in the song that all apply, and we’re doing our best to play the whole song for people.
Worauf T Bone Burnett anspielt, ist eine weitere interessante Facette des Songs: Er ist naturgemäß wesentlich länger, als im Intro zur Serie Zeit vorhanden war. Entsprechend gibt es auch nur einen Ausschnitt zu hören. Aber: Burnett hat zahlreiche verschiedene Versionen des Titelsongs von Cohen produzieren lassen – Kira hat das in diesem Beitrag aufschlussreich dargestellt.
Und sonst?
Ansonsten ist natürlich auch der gesamte „True Detective“-Soundtrack zu empfehlen – wir haben ihn in unserer Soundtrack der Woche-Reihe ausführlich vorgestellt. Und wer auf der Suche von weiteren Cohen-Songs in Sachen Bewegtbild ist: Robert Altman hat 1971 drei Songs vom Album „Songs of Leonard Cohen“ in „McCabe & Mrs. Miller“ benutzt, und Anfang der 90er Jahre wurde Cohen nach seinem großartigen Album „I’m your man“ neu entdeckt – unter anderem in „Pump up the Volume“ mit Christian Slater, und natürlich in „Natural Born Killers“, in dem Songs seines Albums „The Future“ verwendet wurden. Ach ja, und einen TV-Auftritt von Leonard Cohen gibt es auch noch: in Miami Vice!
Leonard Cohen verstarb am 7. November 2016 im Alter von 82 Jahren in Los Angeles.
Bild: Universal
Kommentiere
Trackbacks