Heute war das erste Mal, dass ich Mad Men anderen Serien (wie heute Game of Thrones) in der Anseh-Reihenfolge bevorzugt habe. Der Grund ist einfach: es ist die letzte Folge. Ein letztes Mal fällt Don Drapers Silhouette vom Hochhaus, ein letztes Mal muss ich Zeit damit verschwenden, eine Serie zu schauen, die mich regelmäßig wütend gemacht hat oder beinahe einschlafen ließ. Aber erst einmal zur finalen Folge.
Dabei wird die komplette Dynamik der rund 55 Minuten Nettozeit andauernden Folge in die erste Sequenz gelegt. In die Wüste. Dort rast Don mit einem Auto an einer Stelle, an der der Landgeschwindigkeitsrekord mit 622 Meilen pro Stunde aufgestellt wurde. Das finde ich aber ähnlich spannend wie Sally, hatte ich mir bei der Einstellung in der Werkstatt doch tatsächlich kurz gedacht: Geilo, die haben einen Zeitsprung zur letzten Folge gemacht! Wie genial ist das denn bitte?! Don mit neuer Frau, kleinem Mini-Don, neuer Glückseligkeit und gleich sehen wir alle anderen sieben bis zehn Jahre später und sehen, was aus ihren Träumen und Leben geworden ist!!!!11elf
Aber: nein.
„Do you have any liquor? I’ve been drinking beer all night…“ (Don)
Bis auf den Mini-Gastauftritt von Fiona Gubelmann (Wilfred) hatte das dann doch wenig bis gar nichts zu bieten. Don wäre erst gerne in 622 mph bei der totkranken Betty, dann will er doch noch schnell einen Schlenker in sein eigentliches Zuhause machen. Dick is home. Irgendwie.
„Yell at me slower or in english!“ (Roger)
Roger mag es weiter Französisch, bekommt seine Vorträge nun auch auf Latein übersetzt. Dabei muss ihn nicht erst eine Sekretärin darauf hinweisen, dass das Arbeitsleben gar nicht mehr so geil ist. Zumindest nicht mehr so geil wie ein Leben in Saus und Braus und Kanada.
„I hope he’s in a better place.“ – „He’s not dead, stop saying that!“ – „There are a lot of better places then here…“ (Meredith & Roger)
Joan kokst sich zur Geschäftsidee. Harris Olson Productions?! Da hätte ich tatsächlich nichts gegen ein Spin-Off. Dabei müssen Joan und Peggy erfahren, dass Arbeit nicht alles im Leben ist – oder man nur schlecht Arbeit und Privatglück vereinen kann. Vermutlich die Quintessenz und Moral dieser Geschichte… Wäre da nicht eines dieser zahlreichen wichtigen Telefonate diese Folge gewesen:
„I’m in love with you.“ – „WHAT?!?“ (Stan & Peggy)
Na endlich! Auch wenn Peggy da nicht wirklich souverän drauf reagiert… Schließlich wusste sie bis dato gar nicht, dass sie auch verliebt ist. Verrückt. Irgendwie auch dumm. Aber vor allem verrückt. Happy ending stuff…
Ja und was hat Don eigentlich die ganze Zeit gemacht? Berechtigte Frage, die erst Peggy, dann er sich selbst und die ganze Zeit ich erzürnt meinen Fernseher frage. Er war unterwegs, unkonkret und unbeholfen, ohne Ziel durch die Midlife-Crisis?
„I am not the man you think I am.“ (Don)
Wenigstens gibt es mit dem Schubser einer älteren Dame im „Wie atme ich richtig?“-Seminar einen kleinen Moment der Komik (der natürlich total viel im Inneren von Don-Dick in Bewegung gesetzt hat). Das äußert sich vor allem in zahlreichen Shots von ihm, in denen er in die Ferne guckt und uns Zuschauern seine Schwere visuell auf den Weg gibt.
Am Ende wird Don durch das Schicksal eines Anderen gerettet. Erinnert an wichtige Dinge, Personen und… Atemtechniken. Nach dem obligatorischen Rundflug durch die Figurenriege hätte es dann beinahe mit einer Silhouette Dons geendet. Aber nein, ein glückliches Erleuchtungs-Selbstfindungs-Gesicht muss noch her. Ommmmmmmmm…
Jetzt ne Coke!
1971 hat Coca-Cola den ikonischen „Hilltop“-Spot veröffentlicht mit dem die Serie endet:
Eine Anspielung von Matthew Weiner darauf, dass Don nach der erfolgreichen Selbstfindung zurück gegangen ist um diesen Spot zu erstellen? Oder bleibt es bei der privaten Erleuchtung, dem Ruhestand und dem Rückzug ins Privatleben, so dass vielleicht Peggy und ihr Team den Spot gemacht haben? Oder wer ganz anderes? Oder niemand und Coke hat einfach nur Mengen an Kohle und Dosen springen lassen, damit diese Offenheit am Ende noch mit einem 30-Sekünder bespielt wird? Man weiß es nicht genau. Der Werberomantiker in mir möchte, dass Don das war. Aber der Serien-Fan in mir hätte gewollt, dass Don gar nicht mehr lebt.
Er war quasi bereits so weit. Am persönlichen Ende, im Schock. Frau im Sterben, Kinder quasi außer Reichweite, Job und dessen Erfüllung weg, dazu die ganzen zweifelnden Gedanken an die eigene Vergangenheit – die Klippe war wortwörtlich verdammt nah. Mad Men war immer Don Draper. Und hätte mit dieser Figur enden sollen. Vielleicht hat sie das. Vielleicht gibt es Don nicht mehr und Dick wackelt grinsend von der Wiese in eine neue Welt, ein neues altes „Ich“. Aber eben nur „vielleicht“.
So bleibt es sicherlich ein emotionales Ende. Gerade die Telefonate zwischen Don und Betty/Peggy haben das eindrucksvoll bewiesen. Aber irgendwie fehlte dann doch der finale Schlussstein.
Staffelüberblick
Erneut war die Aufsplittung einer finalen Staffel eine bescheuerte Idee. Neu eingeführt Figuren, wie der vielversprechende Lover von Joan, werden viel zu spät und viel zu beiläufig integriert, ohne wirkliche Relevanz.
Am Ende hat sich die Staffel dann doch noch etwas gefangen, zumindest, was das allgemeine Unterhaltungsempfinden angeht. Gerade kurz vor Schluss wurde Agentur-seitig die Kurve bekommen (auch wenn viel zu viel in viel zu kurze Zeit gequetscht worden ist). Dennoch konnte die Serie leider nie die hohen Erwartungen erfüllen, die sie mit ihrem Beginn damals geschürt haatte.
Goodbye, Mad Men
Das war es, vorbei. Acht Jahre, sieben Staffeln, 92 Folgen. Eine kleine Ära geht zuende, denn Mad Men hat sicherlich herausgestochen und gerade im Pilotjahr 2007 einiges in Sachen Qualitätsfernsehen in Gang gesetzt.
Was ich fühle beim Anschauen der Folge…
Das war okay. Aber nicht gut. Keine Eier, keine Sensationen, lediglich ein blumiges Weichgewaschenes mit Batik-Muster.
Was ich fühle beim Ende dieser Serie…
Mit den Abschiedsgeschenken bin ich etwa so glücklich wie Pete Campbell mit den seinen.
Aber irgendwie freue ich mich dann doch, dass es vorbei ist. Mad Men war von Beginn an eine Art Hassliebe für mich. Betonung auf „Hass“. Ich hätte die erste Staffel nicht zuende geschaut, wenn man nicht zu mir gesagt hätte, dass es zäh ist, aber sich das Durchhalten lohne. Ich hätte die zweite Staffel nicht zuende geguckt, wenn man nicht zu mir gesagt hätte, dass es ab Staffel 3 besser würde. Aber nichts da. Es blieb zumeist zäh, viel zu langatmig erzählt und mit vielen unsinnigen Nebenschauplätzen. Die eigentliche Handlung hätte in der Hälfte der Zeit wunderbar erzählt werden können…
ABER: Schon immer mochte ich den visuellen Stil der Serie. Die Reise zurück in eine Zeit, die ich selbst gar nicht miterlebt habe. Dazu die (hin und wieder ganz dezent unter geschobenen) tatsächlichen Agentur-Insights. Die kreativen Momente, die genialen Schachzüge, die Werbung. Gerade für mich als Agenturmensch (2011-2014) eine sehr interessante Zutat, die viel zu selten geschmeckt werden konnte.
Was ich fühle beim Schreiben dieser Zeilen…
Wut. Wut über nicht ausgespieltes Potenzial. Die Serie hätte so viel mehr sein können. So viel einnehmender, spannender, unterhaltsamer. Das hat sie in Ansätzen immer wieder gezeigt und doch nie langfristig auf die Straße bringen können. Und stets hatte ich auf die „Draper Olson“-Agentur gehofft. Das kleine neue Startup, das alles so macht, wie es möchte. Schade.
Vielleicht ist die Serie auch einfach zu sehr im Vibe der 60er und 70er gemacht worden. Vielleicht ist das einfach nicht meine Auffassung von modernem TV. Aber wie dam auch sei – es ist vorbei. Und das ist gut so. Vielleicht.
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