Corona bringt einiges durcheinander – das wissen wir mittlerweile alle. Und das gilt auch für die Produktion unserer Lieblingsserien. Ich erinnere dabei nur an das Chaos, das die Pandemie ausgerechnet in der von einer Pandemie erzählenden „The Walking Dead“-Welt erzählt. Die schöne Idee von 52 Wochen TWD durch die Mutterserie, „Fear the Walking Dead“ und „TWD: World Beyond“ hat’s mit Corona dahingerafft. Jetzt bekommen wir irgendwie Stückwerk: Das Finale der 10. Staffel „The Walking Dead“ kommt Anfang Oktober, ist aber irgendwie doch nicht das Staffelende, weil Anfang 2021 noch ein paar Folgen nachgeschoben werden, ehe es dann irgendwann später in 2021 mit der 11. Staffel weitergeht, die aber nur 6 Folgen haben soll. Oder „Fear the Walking Dead“: Hier geht’s eine Woche nach TWD weiter, und die Produktion der 7. Staffel steht in den Sternen. Ein ganz besonderes Schicksal ereilt dabei das zweite Spin-Off: Das war schon abgedreht, nur ein bisschen Post-Production fehlte noch, was aber dazu führte, dass die schon fest einprogrammierte Serie „TWD: World Beyond“ erstmal verschoben wurde und jetzt im Anschluss an TWD und FTWD weggesendet wird. Hoffentlich schadet es der Serie nicht, denn sie hat – im Gegensatz zu den etablierten TWD-Serien – nochmal einen frischen, spannenden Ansatz.
Das Durcheinanderwirbeln der Serien zeigt aber für mich auch ein Dilemma, was mich schon seit längerer Zeit nervt: Das immer deutlichere Verkürzen und Verknappen von Serien, damit man von immer mehr Staffeln sprechen kann. Okay, bei „DARK“ verstehe ich’s ja noch – da geht’s um einen Dreier-Zyklus, den man passenderweise in 3 Staffeln aufgeteilt hat. Aber bei vielen anderen Serien verstehe ich’s einfach nicht, wie man da von Staffeln sprechen kann. Wir erinnern uns an „Game of Thrones“, wo wir immer schon nur zehn Folgen präsentiert bekommen hatten, ehe es in den Staffeln 7 und 8 dann mit lediglich sieben bzw. sechs Folgen weiter ging. Die Folgen waren aber mitunter so lang, dass man doch wieder auf die zehn Folgen gekommen wäre – nur hat man durch die Folgendiskussion so nochmal ein bisschen mehr Aufmerksamkeit. Jetzt kann man ja sagen, dass die Studios das mitunter auch aus dramaturgischen Gründen so machen. Ja, da wir heute keine festen Sendeschemata mehr haben, darf eine Folge auch mal 75 statt 45 Minuten lang sein. Trotzdem wundert es mich manchmal, wenn da vollmundig eine neue Staffel angekündigt wird und dann fünf, sechs Folgen dahergekleckert kommen. Und das Thema Midseason-Break, unter dem ja vor allem Maik aus unserer Redaktion schon desöfteren bei „Suits“ gelitten hat, lasse ich hier jetzt lieber ganz außen vor.
Da lobe ich mir doch das Vorgehen von Netflix bei „Haus des Geldes“, wo sorgfältig von „Teilen“ gesprochen wird. Das wird der Erzählweise meiner Meinung nach deutlich mehr gerecht als bei dem Wort Staffeln. Das würde ich mir auch bei Anthologie-Serien wie „True Detective“ wünschen – dann wird auch gleich klarer, dass wir hier thematisch unterschiedliche Teile präsentiert bekommen. Noch besser fänd ich’s, wenn man’s machen würde wie bei „American Horror Story“, wo auch nicht wirklich von Staffeln gesprochen wird, sondern jede abgeschlossene Geschichte einen eigenen Namen bekommt. Dann passieren auch nicht so merkwürdige Dinge wie bei „Lucifer“, wo immer von Staffeln gesprochen wird, egal, ob es sich um „Staffel 3“ mit 26 Folgen handelt, oder um „Staffel 4“ mit nur zehn Folgen.
Ich kann ja verstehen, dass erste Staffeln mal kürzer sein können, wenn man etwas ausprobieren möchte. Oder das „Staffeln“ generell kürzer sind, wenn die Geschichte auserzählt ist oder produktionstechnisch (oder besser kostentechnisch) nicht mehr herauszuholen ist. Dann gebt dem Kind aber doch bitte einen Namen wie bei „American Horror Story“.
Kann natürlich auch sein, dass ich einfach geprägt bin von der Serienkultur der 80er und 90er Jahre, als Staffeln noch schön von September bis Mai liefern und solide 22 Folgen hatten (fast mustergültig ist hier „The Fall Guy“ bzw. „Ein Colt für alle Fälle“ zu nennen). Oder mit 13 Folgen daher kamen, wenn man nochmal eine finale Farewell-Staffel drangehängt hat. Oder wenn es nochmal ein mehrteiliges Special gab wie bei „Remington Steele“ zum Beispiel, als wir zum Abschluss drei Doppelfolgen serviert bekamen. Ich glaube ja, dass die Produzenten von dieser Serienmassenware bei ABC, FOX & Co. immer die Augen verdrehen, wenn die Streamingdienste von heute vollmundig neue Staffeln ankündigen. 3 Staffeln „Stranger Things“ sind nur etwas mehr als 1 Staffel „The Blacklist“. Auch hier würde ich einfach dafür plädieren, bei Serien wie „The Blacklist“ bei dem Ausdruck Staffeln zu bleiben und kurzen Serien-Geschichten einfach Titel zu geben.
Mir ist das bei Comedies wie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ auch negativ aufgefallen, wenn die Hand voll Folgen dann auch noch nur ~20 Minuten lang sind und eine „Staffel“ Spielfilmlänge besitzt. Nett zum Bingen, aber ja, die Bezeichnung trifft weniger zu. Aber sprich mal mit einem Briten oder Tobias, in UK sind „Series“ ja traditionell deutlich kürzer und häufig bei sechs Episoden.
Und die „Teile“ von „Haus des Geldes“ rühren ja daher, dass Netflix aus der ursprünglich in Spanien gelaufenen ersten Staffel nach Umschnitten in kürzere Folgen zwei gemacht hat und das dann schlecht „Staffel“ nennen konnte. Was irgendwo skurril ist, da die Teile ja mit irgendwas um 13 Episoden eigentlich die klassische Dramastaffellänge besitzen. :)
Wenn’s dann dramaturgisch noch irgendwie Sinn macht, 6 Folgen à 20 Minuten eine Staffel oder Serie zu nennen – ok. Ansonsten fühlt sich’s doch mehr an wie ‚da springen wir mal auf den Serien-Zug auf‘. Vor einigen Jahren wäre es vermutlich HTSDOF als Film gewesen + Teil 2 ein paar Jahre später…
Mein Hauptaufreger im Bereich der kurzen Staffeln ist die Wartezeit dazwischen. Die normalen, langen 20+ Folgen Staffeln, laufen von Herbst, bis Sommer, dann kommt die nächste. Heute? 6-9 Folgen, dann ist die Staffel um, und anstatt nur ein paar Monate auf die nächste zu warten, wie es üblich war, müssen trotzdem 1-1 1/2 Jahre auf das nächste Häppchen warten! Das macht doch den ganzen Flow kaputt.
Ah, das ist noch ein guter Aspekt, das stimmt. Deswegen gehen einige Anbieter wohl auch dazu über vorab oder zum Release der nächsten Staffel erstmal Zusammenfassungen zu lancieren, damit man als Zuschauer abgeholt ist. Schwierig!
Michael, du erwähnst die Serienkultur der 80er und 90er Jahre. Ich für meinen Teil habe ich meiner Kindheit und meiner Jugend Serien gar nicht wirklich als Staffeln wahrgenommen. Eine Serie lief halt oder sie lief halt nicht.
War das bei dir anders?
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