Viele Kinobetreiber sind sauer – und auch bei den Kinofans unter den Zuschauern regt sich Unmut, wenn es um die neue Strategie der Filmindustrie geht, Blockbuster nicht mehr exklusiv für eine Kinopremiere vorzuhalten, sondern sie parallel beim – in der Regel eigenen – Streamingdienst zu veröffentlichen. Für teuer Geld übrigens, mit 21,99 Euro ist man zum Beispiel zuletzt dabei gewesen, als Disney vor kurzem den Marvel-Film „Black Widow“ mit rund eineinhalb Jahren Verspätung an den Start brachte. Dafür musste man nicht nur Disney+ Kunde sein, sondern auch ein VIP-Ticket zu besagtem Preis lösen. Rund 3 Millionen Fans haben das am Startwochenende getan, und Disney hat damit 60 Millionen Dollar erlöst (siehe Beitrag hier).
Das ist Geld, das den Kinobetreibern fehlt. Und nicht nur denen, offensichtlich: Scarlett Johansson hat jetzt laut Wall Street Journal den Disney-Konzern verklagt, weil Disney den Film nicht exklusiv ins Kino brachte, sondern parallel streamen ließ. Jetzt ist Scarlett Johansson sicher nicht die erste Kämpferin für Recht und Moral im Film-Business. Sie sieht sich sicher auch nicht als Retterin des Kino aus Ausstrahlungsmedium für große Filme. Aber: Sie klagt deswegen, weil sei einfach persönlich betroffen ist. Denn sie hatte für den ersten Feature-Film im Marvel Cinematic Universe mit ihr in der Hauptrolle einen Deal mit Disney abgeschlossen, der ihr eine Beteiligung an den Einnahmen aus dem Film garantiert – und zwar an den Kinokassen.
Jetzt ist der Deal vor Corona abgeschlossen worden, und an ein Modell wie aktuell mit Kino UND Streamingplattform als parallele Premierenkanäle war bei weitem nicht zu denken. Laut sueddeutsche.de sei bei Vertragsabschluss im Jahr 2017 eine exklusive Filmveröffentlichung auf der Leinwand zugesagt worden – ihr Verdienst basiere auf den Kinoeinnahmen. ‚Schlecht verhandelt‘, könnte man also nun denken, muss das aber mit Blick auf die gerade geschilderte Entwicklung aber auch schon wieder revidieren. Und natürlich kann man auch sagen, dass Scarlett Johansson auch ohne die Einnahmen aus den Kinotickets jetzt nicht arm wird (20 Millionen Dollar an Einnahmen waren ihr für den Film von Disney ohnehin garantiert), aber in gewisser Weise geht’s natürlich auch ums Prinzip – und wie es in Zukunft weiter gehen könnte. Denkbar, dass ihre Verträge für andere Filme in der Zukunft ähnlich gestaltet sind und sie einfach klären lassen möchte, wie sie an Streaming-Einnahmen beteiligt werden kann.
Dass es Sinn macht, genau darüber zu sprechen, zeigen die aktuellen Entwicklungen: Immer mehr Filme starten parallel im Kino und auf den Streaming-Plattformen. Warner will dieses Jahr zehn Blockbuster wie „Dune“ und Matrix 4″ auf diese Weise im Kino und bei HBO Max präsentieren. Haben sich Schauspieler:innen auf eine Beteiligung an der Kinokasse eingelassen, könnte es in der nächsten Zeit für diese genau so blöd aussehen wie jetzt für Scarlett Johansson.
Für die Kinobetreiber ist es natürlich nochmal bitterer: Nach der gefühlt endlosen Pandemie-Phase mit geschlossenen Kinosälen deutete sich gerade eine Erholung an, ehe die Blockbuster jetzt auch für jedermann ins heimische Wohnzimmer gestreamt werden. Dank erschwinglicher Technik und filmverrückter Fans kann man sich auch zu Hause mittlerweile ein okayes Filmfeeling schaffen, so dass sich der eine oder andere den Gang ins Kino sparen dürfte. Ein billiges Vergnügen war das in der Vergangenheit sowieso nicht, aber das Kinofeeling war vielfach noch unschlagbar. Doch so langsam verliert das Medium seine Alleinstellungsmerkmale. Die Filmindustrie hat zuerst umgedacht, jetzt sind die Kinobetreiber an der Reihe – und eben Scarlett Johansson.
Bild: Disney
Was einem so’n bisschen sauer aufstoßen mag, ist der entstehende Eindruck, dass Scarlett Johansson (mit einem geschätzten Vermögen von 150 Millionen US Dollar) offenbar der Ansicht ist, dass sich die pandemiebedingten Gewinneinbrüche in „ihrer Branche“ gefälligst nicht bis auf ihr Bankkonto auswirken soll. Ich bin ganz offen, wenn sich Millionäre mit Milliardären um Kohle streiten hat es aus der Sicht „von hier unten“ immer so‘n bisschen was Groteskes.
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