Wie würden Sie Ihre Serienfigur Jochen Lehmann beschreiben?
Bastian Pastewka: Jochen Lehmann ist 40 Jahre alt, hat eine Frau und drei Kinder, und wohnt in seinem kleinen Haus in Bad Nauheim. Vom Schwiegervater hat er eine Druckerei übernommen, doch der Betrieb läuft schlecht und über seinem kleinen mittelständischen Unternehmen kreist der Pleitegeier. Jochen kann seinen Töchtern keine Schulausflüge mehr bezahlen, im Briefkasten stapeln sich die Mahnungen und seine Ehe ist gefährdet. Doch er stellt sich nicht der Situation sondern igelt sich ein, bespricht die Dinge nicht offen. Sein Standardsatz: „Ich krieg das schon hin!“ Er glaubt, dass er nach wie vor alles im Griff hat und seine Familie vor unbequemen Wahrheiten verschonen muss. Also entwickelt er einen eigenen Plan, um die Dinge anzugehen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Das geht gehörig schief.
Wieviel Bastian Pastewka steckt in Jochen Lehmann, beziehungsweise wieviel Jochen Lehmann steckt in Bastian Pastewka?
Bastian Pastewka: Auch ich kenne das Gefühl, so wie sicherlich die meisten Menschen, wenn man mal mit dem Rücken zur Wand steht und nicht weiterkommt. Aber im Gegensatz zu mir, zieht Jochen die falschen Schlüsse, selbst wenn ich seine Art zu denken in jeder Phase unserer fünfteiligen Geschichte voll und ganz verstehen konnte. Es gibt halt nicht immer nur falsch oder richtig, schuldig oder nicht. Aber zugegeben, in dieser Situation den Plan zu fassen, heimlich Falschgeld zu drucken und in kleinen Mengen gegen echtes Geld umzutauschen, das wäre ein Schritt, den ich nicht machen könnte. Ich habe Jochen Lehmann in dem Augenblick ins Herz geschlossen, als ich beim Lesen des Drehbuchs erkannte, dass er keinen Betrug im großen Stil begehen möchte, sondern sofort aufhören wird, sobald er seine Schulden abbezahlt hat. Und das hätte er sicher auch getan, wenn sich die Frankfurter Unterwelt nicht an seine Fersen geheftet hätte.
Für die Mini-Serie wurden Sie über Nacht zum Familienvater mit drei Kindern – gab es in Vorbereitung auf die Dreharbeiten ein besonderes „Familien-Teambuilding“?
Bastian Pastewka: Da sprechen Sie tatsächlich einen wichtigen Punkt an. Ich konnte mir schwer vorstellen, plötzlich einen Vater zu spielen. Wir fünf Schauspieler/innen haben uns lange vor dem Beginn der Dreharbeiten mehrfach getroffen und sogar einen kleinen Zoobesuch veranstaltet, um uns vertraut zu machen. Im Nachhinein hatte ich das Gefühl, dass ICH derjenige war, der hier eingewiesen werden sollte. Mein Regisseur Martin Eigler nahm mir jedoch alle Sorgen und riet mir, mit den Kinderdarstellern so selbstverständlich wie möglich umzugehen und nichts Künstliches einzuüben wie Abklatsch-Rituale oder kindgerechtes Sprechen. Und es hat hingehauen: Susanne Wolff, Moritz Jahn, Janina Fautz, Katharina Kron und ich – wir sind die Lehmanns, und sonst niemand.
Wenn man wie Sie über einen Drehzeitraum von rund vier Monaten fast die gesamte Zeit mit dem Team am Set verbringt, ist es dann schwer, die Rolle abzulegen?
Bastian Pastewka: Ich erlebe diesen Prozess immer in drei Phasen: Zu Beginn der Drehzeit fällt es mir erst schwer, die Rolle wirklich richtig zu verinnerlichen. Weil alles so neu und noch roh ist. Kurz darauf kommt die Phase, wo die Rolle mich nicht mehr loslässt und ich sie schwer ablegen kann. Gegen Ende der Drehzeit möchte ich immer meinen Charakter variieren oder vor irgendetwas beschützen, was ihm laut Drehbuch widerfahren soll. Da meckere ich dann rum und sage: „Mensch, ist der Jochen wirklich so einfältig?“ Das ist natürlich unsinnig und ich beruhige mich auch wieder. Aber viel schwerer war es, nicht wieder auf einen spontanen Spaß meiner Kollegin Susanne Wolff hereinzufallen.
Können Sie Ihren Bezug zu Geld beschreiben?
Bastian Pastewka: Als ich mein erstes Geld sauer mit einem Knochenjob und Nachtschichten verdient hatte, habe ich mir geschworen, ab sofort auf mich zu achten und niemals von meiner Gehaltsstufe auf mich selber zu schließen. Es war eine Art Trennung in beiderseitigem Einvernehmen. Dabei ist es geblieben.
Jochen Lehmann ist ein sehr guter Tennisspieler. Für Ihre Rolle haben Sie Tennistraining genommen. Wie wichtig ist Ihnen eine genaue Vorbereitung Ihrer Rollen?
Bastian Pastewka: Der Wunsch der „Morgen hör ich auf“ – Autoren Sönke Neuwöhner, Sven Poser und Martin Eigler war, dass Jochen ein geübter Tennisspieler sein sollte. Da ich zuletzt 1985 auf einem Gartenfest in Bonn einen Tennisschläger in der Hand hatte, wusste ich, dass ich ein großes Problem bekommen werde. Ich habe sechs Monate trainiert und bin noch immer nicht in der Lage, einen Spielverlauf entscheidend zu beeinflussen. Glücklicherweise kann man beim Fernsehen ja ein wenig tricksen – aber ich darf mit gewissem Stolz verkünden, dass ich nicht gedoubelt wurde. Übrigens auch nicht bei den Sexszenen. Und die sind komplizierter als Tennis-Sequenzen, aber ich bin ja immer gut vorbereitet.
Was ist Jochen Lehmanns größte Stärke, was seine größte Schwäche?
Bastian Pastewka: Jochen bleibt in den entscheidenden Momenten völlig ruhig und checkt kaum spürbar seine Möglichkeiten ab. Das ist seine Stärke und Schwäche zu gleich. Seine Frau Julia setzt ihn unter Druck, seine Kinder, sein Vertrauter bei der Bank und auch sein naseweiser Nachbar. Doch Jochen kann nicht sagen: es reicht. Um es als Fußballmetapher zu beschreiben: Er verwandelt die Bälle immer im Strafraum, nur ins Tor trifft er nie. Aber nochmal: Ich konnte ihn immer verstehen.
Wenn Sie Jochen Lehmann einen Ratschlag geben müssten, welcher wäre das?
Bastian Pastewka: Bleib wie Du bist. Aber mach alles anders.
Am Set wurde mit reichlich Falschgeld gearbeitet – haben Sie im Team darüber gesprochen, was man damit alles anstellen könnte, wenn es echtes Geld wäre?
Bastian Pastewka: Das hat sich angenehm in Grenzen gehalten. Erstaunlicherweise hat sich mir die Faszination der unendlichen vielen Falschgeld-Berge, die wir zeigen, erst bei Ansicht des Films erschlossen. Beim eigentlichen Drehen waren die 50-Euro-Stapel, Druckplatten und Papierseiten nur Requisiten, mit denen ich fummeln musste. Wir haben sehr genau darauf geachtet, den Druckprozess nicht zu voyeuristisch erscheinen zu lassen und „den falschen Fuffzigern“ nicht zu viel von ihrem Geheimnis wegzunehmen. Bei den Film-Aufnahmen habe ich über Tage die künstlichen Scheine gedruckt, beklebt, zerschnitten, mit Wasser eingesprüht und durch eine Walze gedreht, um sie auf alt zu trimmen; ich konnte das Zeug irgendwann nicht mehr sehen.
Gibt es eine Szene, die Ihnen nachhaltig so in Erinnerung bleiben wird, dass Sie sie auch noch zu ihrem 80sten Geburtstag zum Besten geben würden? Wenn ja, welche?
Bastian Pastewka: Es kann auf diese Frage nur eine Antwort geben: es ist die Szene gegen Ende der 2. Folge, in der Julia und Jochen nachts ein Auto in einem See im Wald verschwinden lassen. Sie schieben den Wagen in den See, er rollt ihnen davon, aber versinkt nicht ganz. Der Kofferraum guckt noch aus dem Wasser und sie haben ungünstiger Weise das Licht angelassen. Meine Figur Jochen fasst sich ein Herz und läuft in den See, taucht unter, steigt in den Wagen, knipst das Licht aus, und zieht ihn unter Wasser tiefer in den See. Wie gesagt: ich wurde in „Morgen hör ich auf“ nie gedoubelt. Aber in dieser kalten Nacht hätte ich alles für einen Stuntman gegeben.
Danke für die Erinnerung sonst hätte ich es gestern vergessen einzuprogrammieren. In gespannt…
Trackbacks