Die Serie – darum geht’s
Bei Carnivale handelt es sich einfach gesagt um eine Serie über einen vagabundierenden Jahrmarkt oder Wanderzirkus, der in den 1930er Jahren in Amerika unterwegs ist und mit allerlei obskuren Personen voller Absurditäten gespickt ist. Mit dabei ist ein Eidechsenmann und eine Skorpionenfrau, dazu Schlangenbeschwörer, siamesische Zwillinge, Zwerge, Wahrsager, Gedankenleser, eine bärtige Dame und das mysteriöse Management des Zirkus‘, von dem nur die Stimme zu hören ist. Insgesamt alles recht obskur angelegt – alles toll ausgedachte Figuren, die in der Serie auch jede Menge Platz zum Agieren haben. Insgesamt ein großer Cast – was die Kosten der Serie in die Höhe getrieben hat. HBO hatte aber ein großes Budget zur Verfügung gestellt, so dass neben dem Cast auch bei der Ausstattung und Produktion viel investiert werden konnte . was man der Serie auch ansieht. Weiterer Vorteil der Platzierung bei HBO: Die Serienlänge war nicht festgelegt, es gab keine Werbeunterbrechungen. So sind die Folgen zwischen 46 und 58 Minuten lang. Zum Cast gehören viele bis dato unbekannte Seriendarsteller. Aber auch einige wenige bekannte Schauspieler schlossen sich der Serie an, zum Beispiel Clancy Brown (The Flash, Sleepy Hollow, Lost), Clea DuVall (The Newsroom, Better Call Saul, American Horror Story) oder Tim DeKay (White Collar, Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.).
Ausgedacht hat sich die Serie Daniel Knauf, ursprünglich Krankenversicherungsmakler und gelangweilt in seinem Job. Er hatte ein Drehbuch zu einem Film verfasst, blitzte aber in Hollywood ab. Dann arbeitete er sein Skript zu einer Serie um – über Umwege wurde das Interesse von HBO geweckt. Da Knauf keinerlei Erfahrungen hatte, wurden ihm bekannte Produzenten an die Seite gestellt. Der Dreh des Piloten dauerte 21 Tage und setzte weitreichende Diskussionen unter den Autoren und Produzenten in Gang – die zweite Episode wurde erst 14 Monate später gedreht, nachdem einige Anpassungen bei Figuren und Handlungssträngen vorgenommen wurden.
Es geht in der Serie aber auch um mehr als diesen Zirkus – vor allem um gute und böse Magie. Idee der Serie ist es, dass in jede Generation eine Figur des Lichts und eine der Dunkelheit geboren wird. Zum Zeitraum der Serie sind das der gute Ben Hawkins, der Teil des Wanderzirkus‘ Carnival ist, und der böse Methodistenprediger Brother Justin Crowe. Beide haben Visionen von zukünftigen Ereignissen und haben unterschiedliche Fähigkeiten. Derweil Brother Crowe Menschen beeinflussen kann, ihm zu folgen, kann Ben Menschen heilen und wieder zum Leben erwecken. Von der Mystik her kommt so ein bisschen Twin Peaks-Stimmung auf – nicht selten wurde die Serie auch mit dem Lynch-Klassiker verglichen. Auch Serienerfinder Daniel Knauf bestätigte, dass es da einen gewissen Zusammenhang gebe – nicht nur wegen Darsteller Michael J. Anderson, der in beiden Serien eine wichtige Rolle spielt.
Klasse Serie insgesamt, wie ich finde, die leider nur zwei Staffeln bekommen hat, obwohl sie von Daniel Knauf auf sechs Staffeln angelegt war. Die Absetzung hat mich damals verwundert, den neben der wirklich hochwertigen Produktion überzeugte die Serie mit einer klasse Story und ausgezeichneten Darstellern. Die Auftaktfolge erreichte damals die höchste Einschaltquote aller bis dato ausgestrahlten HBO-Serien, bekam fünf Emmys, war für zehn weitere nominiert. Trotzdem war nach 24 Folgen Schluss – wohl wegen der hohen Kosten und der im Laufe der Zeit sinkenden Quoten. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Handlung in einem gewissen Rahmen auch abgeschlossen ist, das Ende der zweiten Staffel war aber so offen gelassen, dass auch eine dritte Staffel Sinn gemacht hätte. Ich schätze aber mal, würde die Serie heute laufen, in einer Zeit, in der Serien so hoch im Kurs liegen, würde HBO der Serie sicher weitere Staffeln spendieren. Executive Producer war übrigens unter anderem Ronald D. Moore, von dem auch Battlstar Galactica, Caprica und Outlander stammt.
Der Komponist
Auf Jeff Beal bin ich zum ersten Mal aufmerksam geworden, als ich vor rund zehn Jahren Carnivale gesehen habe. Dann fiel er mir wieder auf, als House of Cards startete. Denn auch hier hat Jeff Beal den Score beigesteuert – und der passt unheimlich gut zur eigentlichen Serie. Es kommen sehr viele Bläser-Elemente drin vor, was für eine unheimliche und mysteriöse Stimmung sorgt und außerdem eine Art Verbindung zu Carnivale ist: Das fanfarenartige Bläser-Element taucht bei beiden Serien auf – gleich zu Beginn des Main Theme bei House of Cards kann man den fanfarenartigen Bläsereinsatz vernehmen, und auch bei Carnivale dauert es nicht lange, bis man damit konfrontiert wird. Die Arbeit an Carnivale hat Jeff Beal großen Spaß gemacht, vor allem wegen der hohen Visualität der Serie:
It’s the kind of synergy you always hope for between a music and pictures. This show was really fun because it’s just visually stunning, you know, on a whole lot of levels– production design and directing and performance.
Jeff Beal hat für seine Score-Arbeit zahlreiche Emmy-Nominierungen erhalten – zuletzt ist ihm für House of Cards die Auszeichnung auch verliehen worden. Zu den Highlights in Sachen Serien-Vertonung gehören neben House of Cards und Carnivale auch die Scores von Rome und Monk, von Medium, Ugly Betty oder zuletzt The Newsroom. Jeff Beal produziert in der Regel jeden Score komplett selbst: Komplett heißt hier, dass er die Musik komponiert, selbst einspielt (vor allem die Trompete, Flügelhorn, Klavier und die Gitarren), selbst dirigiert, wenn ein Orchester zum Einsatz kommt, selbst aufnimmt, mischt und produziert. Die Aufnahmen mit einem 17-köpfigen Streichorchester zu House of Cards hat er bei sich Zuhause in seinem Wohnbereich stattfinden lassen. Man sieht: Er ist also für den kompletten kreativen und technischen Prozess selbst verantwortlich – so bekommen die Produktionen auch die ganz persönliche Jeff Beal Note, wie seine Frau Joan bestätigt, die er während des Studiums kennengelernt hat:
That’s Jeff. That’s his personality. He always has repaired his own car, or taken care of his own taxes. When he became a musician, computers were just starting, so he got the first Macs and he learned how to record himself. He’s been doing this his whole life. It’s not a control issue; it’s that he loves it.
Neben Scores hat Jeff Beal auch eigene Soloalben veröffentlicht; das sind vor allem Jazz-Alben, die vielfach in der Jazz-Szene Beachtung gefunden haben. Dazu kommen mehrere Kammermusik- und Orchester-Werke, die von den großen Orchestern der Welt eingespielt wurden. Oft ergibt sich eine Verbindung zwischen seiner Scoring-Arbeit und der Jazz-Seite – so auch bei Carnivale:
I used to play a lot of jazz improvisation with groups. And I realized at some point, that scoring was a very similar creative experience for me, in the sense that I’m trying to kind of play along with the actors. I very much believe in the power of performance and trying to enhance and expand on that, but not get in its way. The jazz part of my background has served me very well as a film composer. Just the ability to improvise, and it’s also very collaborative art form, you have to be a good listener and you have to be attentive to what other people are doing. I also love classical music, and obviously ‚Carnivale‘ is a great show for anybody that loves literate music, because there are so many great opportunities where the grand gesture is what’s called for.
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