Die Musik
Was direkt auffält, ist, dass Ramin Djawadi mittlerweile deutlich längere Songs für den Score produziert. Gerade bei den Scores zu Staffel 1 und Staffel 2 war alles noch kürzer und zurückhaltender. Die Musik hatte auch nicht so diese Präsenz in der Serie, wie das mittlerweile der Fall ist. „Light of the seven“ ist zum Beispiel ein Zehnminüter geworden, der 1:1 in der Serie so durchläuft; oder „Hold the door“, knapp 8 Minuten lang, und ebenfalls der perfekte Szene für eine in sich geschlossene Szene. Dazu kommen weitere Highlights:
– „Blood of my blood“ – der Opener des Albums, und es geht gleich gut los mit einem Mix aus bekannten Melodien, dramatischen Orchesterpassagen, Chorelementen und Djawadis Vorliebe für Schlaginstrumente. Hier sind wir im Thema von Daenerys und ihren großen Momenten in dieser Staffel. Dazu passt das kurze „Khaleesi“, das quasi die Wiederauferstehung der Sturmtochter musikalisch zelebriert – reich orchestriert und mit Chören angereichert; gleiches gilt für „Reign“ wenig später, ein nicht minder opulentes Werk. Djawadi schätzt die Möglichkeit, diese Dramatik in der Musik aufbauen zu können:
All of these Daenerys moments, for instance, like when she burns down the hut and flies in with the dragon, and the Hodor moment in episode five. All of those could have been finale pieces. They were all big set pieces, and musically, I had opportunities to go with big orchestra and choirs. We opened it up with the score, which was so much fun.
– „Light of the seven“ – definitiv das Highlight des Albums. 10 ergreifende Minuten, angeführt von Djawadis zurückhaltendem Pianospiel; quasi das Begleitthema zu den erschütternden Ereignissen zu Beginn der finalen Folge. Das Klavierspiel wird dann nach der Hälfte überlagert von Gesang und schließlich dem klassischen Kircheninstrument – der Orgel. Der Gesang stammt übrigens von nur zwei Jungen, deren Gesangsspuren übereinander gelagert wurden:
The two boys, they don’t really sing any lyrics. It’s just ‘ah’s and ‘ooh’s. I thought it could be another cool element to add because you see these kids running around [during the opening], and it added a little bit of that haunting feel.
Im weiteren Verlauf baut Djawadi ein großes Klanggebilde mit intensivem Streichereinsatz auf; dabei kommt das Titelthema in mehreren Variationen vor – großartig.
Ramin Djawadi erklärt – nochmal gegenüber dem Hollywood Reporter – diesen speziellen Moment der letzten Folge:
The piano has a huge dynamic range that almost no other instruments have. It can play very low and it can play very high. It has the attack of the note and the long decay of this haunting feel. It all felt like a perfect fit. What’s great about the scene, too, is there’s hardly any dialogue. It’s nine minutes long. I knew I had to start minimal and give it space. Let notes ring, then give it space, and build up the anticipation from there, without tipping in either direction. You want to watch the scene and slowly realize, „Wait, what are these kids doing here? And what’s this?“ And you see the wildfire dripping. You start putting things together, like, „Wait, what’s going on?“ It was very fun to build. We have organ in this, we have cello, we have solo violin. The big orchestra, the strings, don’t even come in until the very last minute or so of the piece. It was so tempting to start earlier, and make it blow up earlier, but I felt like it would be nice to wait until you see the visual of the wildfire and you realize what’s going on.
– „My watch has ended“ – ein ruhiges Stück, vom dunklen Celloton getragen.
– Das schon angesprochene „Hold the door“, das im ersten Teil die gesamte Dramatik der Situation rund um Hodor aufnimmt und am Ende ruhig und bedrückend ausläuft – in der Folge übrigens direkt auch das Episodenende, Wiederaufnahme des Game of Thrones-Themas inklusive.
– „The winds of winter“ – das epische Hauptthema der sechsten Staffel, quasi das Outro von Staffel 6 und auch vom regulären Album. Hier fährt der Komponist orchestral und choral nochmal alles auf, was zur Verfügung stand. Klasse Konklusion der entwickelten Game of Thrones-Themen, der Starks, der Lannisters und der Targaryens.
Am Ende sind noch ein paar Bonustracks zu finden, wobei sich mir nicht erschließt, was daran „Bonus“ ist. Ich weiß nicht, inwiefern man im Zeitalter digitaler Releases noch von Bonus sprechen kann. Bonus zu was? Naja, wie auch immer: Hier finden sich noch einige tolle Tracks, die man ansonsten bei Nichberücksichtigung sicher vermisst hätte. Allen voran natürlich „The Tower“, dessen Melodie an den Moment erinnert, als Samwell Tarly die Bibliothek in Oldtown betrifft, wie natürlich vor allem bei den regulären Tracks „Winter has come“ und „Maester“, beides streicherdominierte, bewegende Stücke. Sehr schön: Auch hier wird jeweils am Ende wieder das Game of Thrones-Thema aufgenommen.
Fazit
Wenn man die Musik dieser Staffel mit der früherer Staffeln vergleicht, fällt schnell auf, dass hier alles ausgereifter, opulenter, größer wirkt. Die Themen haben sich weiterentwickelt, sond vielfach dunkler, dramatischer und trauriger geworden. Der gesamte Score wirkt deutlich dunkler als zum Beispiel noch in Staffel 1. Aus dem Album bestimmte Tracks hervorzuheben, ist hier wirklich schwer gefallen, weil alles wirklich stark inszeniert und komponiert ist. Es ist ein großes Score-Album für eine große Staffel – und man kann gespannt sein, wie sich der Score für die finalen 13 Folgen entwickeln wird. Größer geht es kaum noch.
Das müsst Ihr wissen
Das Album erscheint in Deutschland am 15. Juli auf CD und wird für 15-20 Euro zu haben sein. Parellel erscheint die Digitalversion, die dann wie schon angedeutet mit den „Bonus Tracks“. Bei Spotify ist das Album jetzt schon zu haben: Dort hatte ich ja schon zu Staffel 1 eine Game of Thrones-Playlist mit den Highlights aller Staffeln zusammengestellt. Wenn Ihr der Liste folgt, bekommt Ihr laufend Ergänzungen, wenn wie jetzt neue Stücke erscheinen.
Ramin Djawadi – Game of Thrones Season 6 (Music from the HBO Series)
Main Titles: 1:51
Blood of My Blood: 3:35
Light of the Seven: 9:49
Needle: 2:56
Coronation: 1:46
Feed the Hounds: 3:08
My Watch Has Ended: 2:53
The Red Woman: 3:17
Hold the Door: 7:21
Khaleesi: 3:05
Maester: 2:52
A Painless Death: 3:22
Reign: 3:16
Let’s Play a Game: 5:51
Bastard: 5:05
Trust Each Other: 3:09
Winter Has Come: 3:14
Hear Me Roar: 2:16
The Winds of Winter: 3:29
Lord of Light (Bonus Track): 4:16
Service of the Gods (Bonus Track): 2:48
I Need You by My Side (Bonus Track): 2:36
The Tower (Bonus Track): 2:33
Unbowed, Unbent, Unbroken (Bonus Track) 1:44
I Choose Violence (Bonus Track): 1:48
Hodor (Bonus Track): 2:24
26 Tracks, 2016 HBO
Also ich mag mich auch irren, aber das Stück „The Tower“ bezieht sich nicht auf die Szene von Sam in der Bibliothek, sondern auf den „Tower of Joy“ und damit auf die Szene, in der man den Neffen von Ned Stark sieht… einmal als Baby und dann als Erwachsenen.
Hör nochmal rein, ich bin mir ziemlich sicher.
Peter, ich meinte, dass da das gleiche Thema benutzt wird wie bei „Winter has come“ und „Maester“.
Na dann ist aber „Allen voran natürlich „The Tower“, dessen Melodie an den Moment erinnert, als Samwell Tarly die Bibliothek in Oldtown betrifft“ für mich zu missverständlich.
Ich sehe schon, ich muss beim nächsten Seriencamp wieder Dein Soundtrack-Panel besuchen. Ich hab noch zu lernen ;-)
Peter, dann aber bitte auch auf dem Podium, vllt. bei einem Serien-Soundtrack-Slam oder so. :-D
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