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Die moralisch fragwürdige Netflix-Serie

Narcos – Season 1 Review

23. November 2015, 08:55 Uhr
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Die Netflix Serie Narcos wurde Ende August weltweit veröffentlicht. In 10 Folgen à 50 Minuten wird die wahre Geschichte des kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar erzählt. Dies ist auch der Knackpunkt dieser Serie, denn der eine wird diese Realitätsnähe großartig finden, der andere eher verstörend – dazu aber später mehr. In den Hauptrollen sehen wir Wagner Moura als Pablo Escobar, ein brasilianischer Schauspieler, der international durch einen Auftritt in Elysium mit Matt Damon bekannt wurde. Sein Gegenspieler, ein Agent der amerikanische Drogenfahndung DEA, wird von Boyd Holbrook gespielt. Unterstützt wird dieser von Pedro Pascal, welchen wir noch sehr gut aus der vierten Game of Thrones Staffel kennen (Oberyn Martell aka Viper).

Worum geht es?

Die Geschichte orientiert sich direkt am Leben des Pablo Escobar. Deswegen ist der große, übergeordnete Plot nicht spoilbar, es ist alles bereits passiert und steht in den Geschichtsbüchern oder auf Wikipedia. Damit ist auch das Ende der Geschichte klar, Pablo Escobar wird sterben. Die Serie beleuchtet den Weg vom Aufstieg bis zum Niedergang des rücksichtslosen Drogenboss.

Dieser Weg von Pablo wird in eine Dramaserie verpackt und anhand von realen Ereignissen erzählt und diese sind so extrem, dass eigentlich auch eine Dokumentation gereicht hätte, um den Zuschauer vor dem Bildschirm zum Staunen und Erschaudern zu bringen. Als Beispiel seien die Szenen des wahnsinnigen Reichtums von Pablo Escobar zu nennen. Sowohl in der Serie als auch in der Realität weiß er einfach nicht, wohin mit dem Geld. Im Zenit seines „Erfolgs“ machte seine Organisation mehr Geld als der Autofabrikant General Motors. Der Umsatz wird auf 60 Millionen Dollar am Tag(!) geschätzt! Man sieht in der Serie, wie die Verbrecherbande haufenweise Geld vergraben muss, da alle anderen Verstecke schon voll sind.

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Pablo Escobar (Wagner Moura) und sein unendlicher Reichtum.

Gekrönt wird diese serielle Erzählung des Lebens von Pablo Escobar mit Fernsehausschnitten der damaligen Zeit. Escobar wollte beispielsweise in die Politik und Präsident werden. Kurioserweise wäre ihm das sogar fast gelungen, denn im Volk war er sehr beliebt. Aber auch Szenen von Terrorakten, die von ihm befohlen wurden, werden nicht nur nachgestellt, sondern mit Fernsehbildern aus den 80ern und 90ern untermalt.

Moralisch fragwürdig

Wir feuern Massenmörder wie Dexter an oder hoffen, dass Mafiabosse entkommen, wie in den Sopranos. Warum sollte man sich also moralisch über Narcos echauffieren? Diese Frage stelle ich mir selbst, seit ich die Serie gesehen habe, denn ich bekomme dieses ungute Gefühl aus der Magengegend nicht mehr heraus. Fakt ist, dass Pablo Escobar ein machtbesessener Drogenboss, Massenmörder und Terrorist war. Auf sein Konto gehen mindestens 3.000 Tote und das sind nur die Morde, die sich direkt auf ihn zurückführen lassen, beispielsweise durch die Sprengung eines Passagierflugzeugs oder Auftragsmorde an Politikern und Polizisten. Dazu kommen aber noch die ganzen Drogenopfern oder die Opfer der Beschaffungskriminalität in Kolumbien und weltweit, welche in der Zahl oben gar nicht auftauchen. Damit steht Pablo Escobar den heutigen religiös oder politisch motivierten Terroristen in nichts nach.

Das große Problemder Serie ist, dass sie es leider nicht schafft, diese Tragweite zu offenbaren und Pablo Escobar als den darzustellen, der er nun einmal war. Dies liegt zum einen an den schwachen Antagonisten, den zwei DEA Agenten, welche es nicht schaffen, ein echtes Gegengewicht zu sein. Aber natürlich liegt dies auch an der Erzählweise der Serie. Es wird so gut wie gar nicht Partei der Opfer eingenommen. Außerdem wollen die DEA Agenten Pablo nur, weil er sich über alles hinweg setzt und die USA in Mitleidenschaft durch die Drogen setzt – es ist für sie mehr ein Spiel und Machtgehabe als der Kampf für das Gute. Und meiner Meinung nach wird es der Geschichte nicht gerecht, sie nur als großen Räuber- und Gendarme-Konflikt zu präsentieren.

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Pablo Escobar auf einer Wahlkampfveranstaltung.

Wer jetzt argumentieren mag, dass man es anderes eben nicht hätte machen können und man eine gewisse Verklärung des Bösen nicht verhindern kann, dem seien diverse Gegenbeispiele genannt. „Der Untergang“ aus dem Jahr 2004 schaffte es, Hitler als gebrochenen, verstörenden und tiefgründig-niederträchtigen Mann darzustellen, obwohl alles aus der Sicht des Führerbunkers erzählt wurde.

Die Dramaturgie

Abseits dieser historischen Funktion der Serie und den sich stellenden moralischen Fragen ist Narcos eine Drama-Serie. Im Fokus stehen dabei die zwei amerikanischen Drogenfahnder, die damals tatsächlich hinter dem Drogenboss Pablo Escobar her waren. Man sieht das Leben auf der einen und auf der anderen Seite – gespickt von Mord und Totschlag, ebenfalls auf beiden Seiten. An dem Punkt, an dem die Fiktion mit der Realität zusammenkommt, entsteht das Problem der Serie. Denn während Pablo perfide und sehr überzeugend in Szene gesetzt wird, bleibt die Gegenseite etwas blass, zu blass. Es kann und soll offenbar keinen echten Ausgleich zu Pablo Escobar geben, was auf Dauer etwas eintönig ist. Auch der Aufstieg von Pablo wird sehr schnell erzählt. Ehe man sich versieht, werden die Dollarbündel verbuddelt, während man im Hintergrund coole Musik hört.

Am Ende der ersten Staffel wurden 16 Jahre erzählt, fast die gesamte traurige Geschichte des Pablo Escobar. Übrig bleiben die letzten 16 Monate für die zweite Staffel. Ob das so geplant war und man wusste, dass es eine zweite Staffel geben würde, sei dahingestellt. Fest steht aber, dass das Material für die zweite Staffel nicht gerade üppig ausfällt.

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Pablos Gegenspieler: Die DEA Agenten Javier Peña (Pedro Pascal) und Steve Murphy (Boyd Holbrook)

Fazit

Narcos ist eine spannende Serie, daran lässt sich nicht rütteln. Die Vorlage ist – in Anbetracht der Tragweite und der vielen Toten – „leider“ zu gut, als dass sie nicht für eine mitreißende Geschichte taugen würde, obwohl man an der Dramaturgie der Serie einiges kritisieren kann.

Was die Serie sich aber vorwerfen lassen muss, ist dass sie der einhergehenden moralischen Verantwortung  nicht gerecht wird. Ab und zu ein paar weinende Frauen und aufgebrachte Politiker zu zeigen, reicht meiner Meinung nach nicht aus. Narcos ist eine Pablo Escobar One-Man Show, das muss jedem bewusst sein.

Dass sich bei diesem Spiel mit dem Feuer eine dunkle Faszination entwickelt, welche auch zu der erwähnten Spannung führt, ist klar. Die Glorifizierung des Pablo Escobar muss man aber eben selbst erkennen, selbst reflektieren und auch selbst kritisch einordnen. Dies ist für viele Zuschauer, die sich im Vorfeld nicht über die Serie informieren, zu viel verlangt.

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Beitrag von:
Montag, 23. November 2015, 08:55 Uhr
NarcosReview
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4 Kommentare

  • Peter

    Da ist was dran. Ich fand das teilweise arbeiten mit authentischen Nachrichtenbildern sehr gut, gerade weil es zeigt, wie die Anschläge damals passiert sind, aber im Ganzen ist Wagners Escobar zu sympathisch.
    Bei fiktiven Charakteren wie Dexter finde ich das nicht so wild, aber wie Du schon gesagt hast, war der echte Escobar ein echter Massenmörder mit echten Opfern.

  • Reiner

    Eine moralisierende Geschichte will niemand sehen. Die Serie ist spannend gemacht und insbesondere der Hauptdarsteller überzeugt- weiter so.
    Ich freue mich schon auf die nächste Staffel.

  • Jonas
    Jonas

    Schlecht finde ich die Serie ja auch nicht. Aber wenn man sich schon dieser Vorlage bedient, dann muss man auch erwarten, dass trotz Spannung und Unterhaltung Escobar als der entlarvt wird, der er nun einmal war.
    Wobei ich positiv anmerken muss, dass ich erst durch die Serie über Escobar und die krassen Ereignisse damals informiert wurde – ich hab was gelernt ;-)

  • Peter

    Viel schlimmer als die moralische Fragwürdigkeit der Serie finde ich eigentlich das Design der Webseite der EscoBar in München (http://www.escobar-muenchen.de).
    :D

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