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Eure Meinung: Gehören Mobbing und Selbstmord in eine Serie?

Poll: Ist Netflix mit 13 Reasons Why zu weit gegangen?

21. Mai 2017, 19:13 Uhr

Die Netflix-Serie „13 Reasons Why“ („Tote Mädchen lügen nicht“) schlägt bisweilen hohe Wellen. In der Serie wird das Schicksal eines Mädchens behandelt, das von ihren Mitschülern gemobbt und belästigt wird und in den Selbstmord getrieben wird. Ärzte, Gesundheitsorganisationen und Psychologen warnen seitdem vor der Serie. Sie haben Netflix aufgefordert, die Serie einzustellen und warnen psychisch belastete Menschen davor, sich die Serie anzuschauen. Sie befürchten, dass sich belastete Menschen ein Beispiel an dem Schicksal in der Serie nehmen könnten. Auf der anderen Seite lobten Kritik den Umgang mit diesem sensiblen Thema in dem Format einer Serie. Serienautor Nic Sheff argumentiert, dass die Serie die Zuschauer mit der Realität konfrontiere und zeige, dass Selbstmord keine Erlösung sei. Hauptdarstellerin Kate Walsh geht einen Schritt weiter und sagt, dass die Serie zum Pflichtprogramm in den Unterricht aufgenommen werden sollte.

Auch in der serieslyAWESOME-Redaktion haben wir das Thema ausführlich diskutiert, unter anderem in unserem serieslyPodcAZt. Vor allem Kien und Tobias sind vollkommen gegensätzlicher Meinung. Wir wollen von Euch wissen: Wie steht Ihr zu dem Thema? Stimmt bitte in unserem Voting ab und steigt über die Kommentarfunktion in die Diskussion ein.

ABSTIMMUNG VORBEI! Hier die Ergebnisse:

(70 Stimmen)
Ja, Netflix ist zu weit gegangen. 6
Nein, Netflix ist nicht zu weit gegangen. 64

Pro: Netflix ist mit 13 Reasons Why zu weit gegangen, weil die Serie den Zuschauer all zu sehr allein mit seinen Gedanken alleine lässt!

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Vorbemerkung: Mir ist bewusst, dass meine Meinung durchaus kontrovers diskutiert werden kann. Insbesondere dann, wenn man Menschen kennt, die durch die persönliche Hölle gegangen sind. Das wünscht man niemanden. Ich beziehe mich in meiner Meinung aber nur auf die Serie und wie sie geschrieben wurde und nicht auf das Thema des Mobbings und des Suizids an sich. Das ist aus der persönlichen Sicht natürlich immer schlimm, auch für Außenstehende.
Okay. Haben wir das geklärt? Dann geht’s los.

Eine Serie ist Fiktion, eine Fiktion wird geschrieben, erdacht, mehrmals verfeinert und zu einem logischen Ende gebracht. Diese Serie basiert sogar auf einem Buch, welches auch Fiktion ist. Die Geschichte ging demnach durch verschiedenste Hände und dennoch habe ich das Gefühl, dass die Serie das Thema nicht adäquat behandelt.

Für mich steht die Idee der 13 Kassetten, der persönliche Vergeltungsversuch von Hannah und die in sich verschobenen Zeitebenen deutlich mehr im Vordergrund als das Thema der Serie: Suizid und Mobbing. Die Effekthascherei, die durch diese Spielereien entwickelt wird, überstrahlt in meinen Augen sogar das, was die Autoren des Buches bzw. der Serie mit der Serie transportieren wollten. Oder das, was ich den Verantwortlichen unterstelle.

Natürlich hat das Thema Mobbing und Suizid nun kurz mal Hochkonjunktur, nicht nur im Serienbereich. Aber man streitet nicht über die richtigen Reaktionen, sinnvolle Maßnahmen an Schulen gegen eben Mobbing, man denkt nicht in erster Linie darüber nach, betroffenen Schülern Hilfe anzubieten.

Man streitet eher darüber, dass die Serie das Thema zu leicht auf die Schulter nimmt und betreffenden Jugendlichen eine coole Art des Abschiedes vorspielt. Vielleicht sogar erst Ideen an die Hand gibt. Also man kritisiert das „Wie“ und nicht das „Ob“. So wie ich auch.

Denn für mich sollte man die Serie nicht dafür feiern, dass sie das Thema Mobbing auf die Tagesordnung gebracht hat, sondern sie ist zu kritisieren, wie sie es getan hat.

Ein bisschen reagiert Netflix aktuell auf die Kritik indem entsprechende Hinweise eingestreut und Hilfsangebote prominent platziert werden. Wer britische Dramaserien kennt, der kennt das schon seit Jahren. Da wird am Ende einer Folge, wenn entsprechende Themen angesprochen worden sind, Hilfsmöglichkeiten eingeblendet und dazu aufgerufen, sich zu melden und sich Hilfe zu holen. Niemand ist allein da draußen! Niemand.

Zudem finde ich den Ansatz gefährlich, dass wir die Geschichte nahezu zu 100% aus der Sicht von Hannah erzählt bekommen. Wir nehmen dadurch sofort ihre Sichtweise an und identifizieren uns mit ihr. Aber dadurch wird die Sichtweise der anderen Betroffenen in meinen Augen wiederum zu wenig Raum gewährt. Und der deutsche Titel verstärkt dieses Gefühl auch noch, denn tote Mädchen lügen ja nicht. Ist ihre Handlung daher absolut korrekt und begründet? Nein. Und nochmals nein.

Sollte man bei einer Serie, also einer fiktiven Geschichte, nicht auch diesen Part stärker beleuchten? Sollte man nicht auch stärker Fragen stellen? Ob Hannah mit ihrer Handlung vielleicht falsch liegen könnte? Dass ihre Reaktion, ihr Plan, mindestens genauso falsch ist wie die Aktionen der Personen, die in den Genuss der Kassetten kommen? Ich bin jetzt ein wenig weiter als zum Zeitpunkt des Podcasts und Hannah zeigt immer noch keinerlei Selbstreflexion. Warum unterlässt man dies? Will man damit ausdrücken, dass diese Idee mit den 13 Kassetten korrekt ist? Ein lohnender Ausweg aus der individuellen und emotionalen Einbahnstraße, ein letzter Gang, der mit einem persönlichen Knall endet?

Diesen Eindruck vermittelt die Serie in meinen Augen durchaus und geht hier in eine gefährliche Richtung. Die Serie lässt in meinen Augen den Zuschauer all zu sehr allein mit seinen Gedanken. Netflix hat es viel zu spät erkannt, viele Seriengucker schon weitaus vorher. Der Hype der Serie basiert nämlich nicht darauf, dass sie so gut ist sondern – rein fiktional serientechnisch betrachtet – eher mit Mängeln behaftet ist. Und deswegen zum Streit einlädt.

Ich hoffe nicht, dass wir eine 2017er Version des Werther Effektes erleben werden. Denn, und das ist mein letzter Punkt, der sozusagen den Kreis zu meiner Vorbemerkung schließt, die fiktiven Gründe, die zum Suizid von Hannah führen, sind ein Schlag in die Fresse von Menschen, die wirklich Probleme haben. Und nun denken könnten, wenn man bei den Problemen schon an den letzten Abschiedscountdown denken darf, was mache dann ich?

Die Serie „13 Reasons Why“ rechtfertigt in meinen Augen nicht den positiven Hype, der gerade um die neueste Netflix Serie gemacht wird. Das Netflix immer noch eher das Konstrukt höher hängt als das Thema und den Umgang mit diesem, zeigt sich dadurch, dass nun eine zweite Staffel beauftragt wurde. Wir erinnern uns, die Serie basiert auf einem Buch.

Und dieses Buch ist auserzählt. Nun geht’s nur noch im Profit. Aber das ist wiederum ein ganz anderes Thema.

Contra: Mit 13 Reasons Why ist Netflix nicht zu weit gegangen, weil man durch die Serie bei Betroffenen besser intervenieren kann, statt eine Teilnahmslosigkeit zu entwickeln!

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Meine Antwort auf die Frage, ob Netflix hierbei zu weit gegangen ist, lautet eindeutig: nein. Es wird weder der Selbstmord zelebriert, noch auf Kosten von Opfern aus dem realen Leben sich amüsiert oder irgendwelche zwielichtige Botschaften versteckt. Natürlich können auch hier einzelne Punkte, Handlungen oder Darstellungen missinterpretiert werden, aber: Wo ist der Künstler in der Ausübung seiner Arbeit überhaupt frei davon?

Ich selbst habe mich hierdurch persönlich angesprochen gefühlt, Betroffene besser zu erkennen und zu intervenieren anstatt eine auch in unserer heutigen Zeit nicht unübliche Teilnahmslosigkeit zu entwickeln. Ja, es ist vieles hübsch künstlerisch verpackt, was es aber nicht weniger dramatisch macht. Neben der größtenteils überaus ordentlichen Leistung des Casts habe ich durchweg das Gefühl nicht losbekommen, das eigentlich etwas extrem Trauriges gerade vor meinen Augen sich abspielt und ich niemals mich in der Rolle eines Hinterbliebenen oder in der eines Täters wiederfinden will.

Für mich ist der Vorwurf des schlechten Einflusses der Show so wenig sinnvoll wie eine Diskussion um den Stellenwert und Wirkung von „Killerspiele“ auf die Gewalttätigkeit von Konsumenten. Solche „Experten“ sind in meinen Augen auch jene Menschen, die glauben, dass man den Zugriff auf einen als Waffe definierten Gegenstand haben muss, um jemand anderem oder eben sich selbst etwas anzutun.

Ebenso lächerlich finde ich die Kritik an der angeblich fehlenden Würdigung durch das angebliche Nichtdasein von Authentizität. Ich möchte wetten, dass jeder Kriegsveteran am liebsten seinen Kopf auf den Tisch donnern will, wenn jedesmal Hollywood 120 Minuten an Geschieße und Gerenne rausbringt und der Protagonist zehnmal mit seinem Revolver ballert, ohne einmal nachzuladen. Hier mal Hand auf’s Herz: Juckt das in dem Moment jemand wahrhaftig?

Andererseits wird parallel dazu der Ruf laut, das Ganze sei praktisch schon eine Anleitung zum Suizid, weil viel zu grafisch. Ja, was denn nun? Ist die Serie dem Leben von echten Opfern nicht wirklich authentisch oder ist sie zu real? Ist Netflix damit zu weit gegangen oder aber nicht weit genug? Können sich die Kritiker mal bitte einig werden? Diese Widersprüchlichkeiten nerven nämlich wie blöde.

Einer der Argumente, die ich bisher unter anderem vernommen habe, lautet, dass man durch die Darstellung der Protagonistin ihren Standpunkt fast schon wie von selbst annimmt und sich auf der Stelle mit ihr identifiziert. Mein Gegenargument: Eben nicht; denn warum sonst gibt es Stimmen, die sich vehement dagegen aussprechen und zwar von Anfang an, ohne teils auch nur eine Episode komplett zu sehen? Was ich auch nicht verstehe, ist, warum man bitte einer deutschen Betitelung so viel Gewicht geben kann. Oder hat hier einer „Fargo“ das „This is a true story“ abgekauft, ohne jemals gegoogelt zu haben, ob da tatsächlich etwas dran ist?

Sollten sich unter euch welche befinden, die die erste Staffel noch nicht komplett gesichtet haben: Tut dies und ihr werdet sehen, dass nicht alles, aber doch einiges sich ergeben wird. Solltet ihr euch mit dem Gedanken einer Fortsetzung noch nicht ganz angefreundet haben: Wenn ihr bedenkt, dass dadurch Leuten geholfen werden kann – wem interessiert’s, ob es auch um „finanzielle Ausbeute“ geht? Mich nicht.

Ebenfalls vertrete ich hier den gleichen Standpunkt wie bei Satire: Entweder man macht sich über alle lustig oder über niemanden; entweder man behandelt auch sensible Themen dieser Welt wie Krieg, Mobbing und Selbstmord oder halt gar nichts. Keine halben Sachen, keinen lauwarmen Mist.

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Sonntag, 21. Mai 2017, 19:13 Uhr
Tote Mädchen lügen nichtUmfragen
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