Ich bin wahrlich hin und her gerissen. Der Pilot zu „Quantico“ macht so viel aus meiner Sicht richtig, denn er erfüllt das Hauptkriterium einer Serie, er unterhält. In den knapp 45 Minuten kommt man als Zuschauer kaum zum Luftholen, die Handlung rast nur so durch die verschiedenen Szenen, dennoch schafft es der Pilot, dass man als Zuschauer nicht gänzlich die Orientierung verliert. Auf der anderen Seite könnte man sporthallengroße Logiklöcher bemängeln, die stereotypische Figurenauswahl der Serie kritisieren und der Hauptdarstellerin unterstellen, dass sie noch nicht vollends überzeugen konnte, dass sie eine Serie durch die gesamte Staffel tragen kann. Zudem werden Dinge bereits angeteasert, deren Entdeckung wunderbar einige Folgen bis zum ersten Zwischenfinale (Winterpause) hätten hinaus gezögert werden können, ohne dass die Handlung darunter leiden würde. Aus meiner Sicht sogar ganz im Gegenteil.
Handlung
Die Serie arbeitet ähnlich wie die wunderbare erste Staffel „True Detective“ mit zwei Zeitebenen. In der heutigen Zeitlinie versucht das FBI einen Terroranschlag aufzuklären, in den Rückblicken sehen wir die vermeintlichen Verdächtigen. Das Besondere der Serie ist, dass die Verdächtigen selbst FBI Agenten sind und wir ihre Grundausbildung in den Rückblicken sehen. Erzählt von der Hauptverdächtigen, unserer Hauptdarstellerin. Aber nur in den Augen des untersuchenden FBI Agenten, in den Augen ihrer früheren Ausbildungsleiterin handelt es sich hierbei um einen internen Komplott. Und befreit unsere FBI Agentin Alex Parish aus dem FBI Transporter. Soweit die Kurzform.
Bis zu diesem Ende vergehen 45 Minuten in denen Handlung für zwei Stunden passiert. Daher noch mal die Pilotfolge etwas ausführlicher.
Die Grundausbildung zum FBI Agenten beginnt in Quantico und die neuen Rekruten sammeln sich so langsam auf dem Parkplatz und schlendern in den Hörsaal. Die Folge selbst beginnt aber in der zweiten Zeitschiene, dem jetzt, und da ist ein Terroranschlag in NY sehr erfolgreich durchgeführt worden. Die Grand Central Station ist nur noch 9/11 mäßig Schutt und Asche. Inmitten dieser Asche liegt unsere Protagonistin, sichtlich desorientiert. Sie wird vom ermittelnden FBI Agenten zum Leitungsstab gebracht und mit der Theorie konfrontiert, dass der Verdächtigenkreis sehr klein ist: ihr Grundausbildungslehrgang. Woher der Verdacht kommt, erfahren wir nicht. Sie soll von der Grundausbildung erzählen und die einzelnen Teilnehmer bewerten. Womit wir dann wieder in der Grundausbildung wären.
Die erste Aufgabe der Rekruten ist handlungstechnisch sehr clever angelegt, denn die Aufgabe besteht darin, etwas über einen der Mitrekruten herauszufinden, was noch nicht in der FBI Akte steht. Besser kann man die einzelnen Figuren nicht einführen und charakterisieren. Wir erleben allerdings nicht alle Interviews und eines der Interviews geht auch völlig nach hinten los, wenn ich das mal so sagen darf. Einer der Rekruten erschießt sich vor den Augen seiner Kollegen vor Angst, dass sein Geheimnis herauskommen könnte. Er hatte Sex mit einer Minderjährigen, die schwanger wurde und bei der Abtreibung gestorben ist. Tragischer Weise hatte sein Interviewer keinen blassen Schimmer.
Jeder der Rekruten hat seine dunklen Geheimnisse, natürlich, und die von Alex Parish ist, dass sie ihren Vater als Kind erschossen hat. WTF! Wait! Da er gewalttätig der Mutter gegenüber wurde. WTF! Wait! Beim Interview hatte ihr Interviewpartner gemutmaßt, dass es die Mutter war. Sie hatten dem zugestimmt. WTF! Wait! In einer nachfolgenden Szene vertraut sich Parish dem ausbildenden FBI Agenten an. Sie war es, die ihren Vater erschossen hat. Dieser FBI Agent, O´Connor, setzt daraufhin FBI Rekrut Ryan Booth auf Parish an um sie näher im Auge zu haben. WTF! Wait! Dieser Rekrut kennt Parish sehr gut, da sie nach ihrem gemeinsamen Anflug Sex im Auto hatten. Sie wussten allerdings nichts von ihrer gemeinsamen Zukunft. WTF! Wait! Wie sich herausstellt, war Parishs Vater auch beim FBI.
WTF? Yes!
Eine klein wenig übertriebene Vita? I think so.
Ein weiterer Plot, der bereits angeteasert wurde, ist die Tatsache, dass Rekrutin Nimah Amin (verschleierte Muslima) zweimal anwesend ist. Sie hat nämlich eine Zwillingsschwester, mit der sie sich abwechselt und beide scheinen einen inoffiziellen Auftrag zu haben. Natürlich weiß das nur der Zuschauer. Und möglicherweise die Ausbildungsleiterin. Sie vermute ich nämlich hinter dieser undercover Aktion. Könnte ich aber auch in der Hektik der Szenenabfolgen falsch verstanden haben. Ich denke da an die Szene an der Tankstelle, an den toten Briefkasten im Spülkasten, das Auto, welches Nimah dann gefolgt ist. War das nicht das Auto von Miranda Shawn, der Ausbildungsleiterin?
Die Zwillingsschwester hätte man meines Erachtens wunderbar weiter verstecken können, weiter in kleinen Dosen Andeutungen machen können, dass Nimah die verdeckte Terroristin ist. Dann aufklären können, dass es eine Zwillingsschwester gibt, was unsere Vermutung als Zuschauer nur verfestigt hätte, in der Annahme, dass sie den Terroranschlag gemeinsam geplant und durchgeführt haben.
Am Ende der Folge sind wir wieder in der heutigen Zeit und Parish wird festgenommen, da Beweise vorliegen, dass an ihrer Geschichte etwas nicht stimmen kann. Wir erleben, wie ihre Wohnung aufgebrochen wird und man in dieser Wohnung Blaupausen der Central Station findet, Drähte etc. Also alles, was man wohl für einen Terroranschlag benötigt. WT… Wait! Im Bad findet man einen angeschossenen Agent Booth. Parish ist mehr als desillusioniert und versteht die Welt nicht mehr. Auch ihr Ausbildungsagent, O`Connor, ist anwesend, schenkt ihr aber keinen Glauben. Sie wird fortgeführt, Shaw rettet Parish und Parish kann fliehen. Ende der Pilotfolge.
Und das war auch nur in aller Kürze.
Bewertung
Wie schon gesagt, es gibt Handlungsinhalte, die hätte man wunderbar hinauszögern können. Und verwenden, um den Zuschauer in die Irre führen zu können. Die Sache mit dem Zwilling war für die Pilotfolge unnötig, der angeschossene Booth, unnötig. Da hätte es auch gereicht, dass man nur erkennt, dass es ein FBI Agent ist, man aber nicht weiß, um wen es sich handelt. Woher hatte Eric (der mit dem Selbstmord) seine Waffe? Nach dem Schusstraining nicht wieder zurückgegeben? Fällt sowas nicht auf? Das FBI zeigt sich mal wieder von seiner besten Seite. Da geht immer mal was schief. Auch die Tatsache, dass sich Parish so ohne weiteres aus dem Gefahrenbereich entfernen kann. Großräumige Absperrungen aufgrund eines Terroranschlags stelle ich mir anders vor. Shit happens. Made by FBI. Kennt man schon aus anderen Serien.
Schauspielerisch kann man noch nicht viel sagen. Die Szenen waren gefühlt jeweils nach zwei Minuten vorbei und ein neuer Handlungsstrang begann. Wenig Zeit, sich und seine Figur in Stellung zu bringen. Auch wenn das gar nicht unbedingt nötig ist, da wir hier eine Ansammlung von Stereotypen haben. Allerdings scheint die Chemie zwischen den Protagonisten zu stimmen. Der Cast an sich könnte auch von theCW sein, wohin man im Hauptcast auch schaut, nur attraktive Menschen. Scheint wohl ein Einstellungskriterium beim FBI zu sein. Gut für die Sicherheit des Landes.
Aber auf die kritischen Geschichten will ich gar nicht so eingehen. Denn die Folge unterhält ungemein. Die Interviewsituationen waren super arrangiert und gehören zu den stärksten Szenen im Piloten. Die einzelnen Figuren deuten interessante Entwicklungen an, das Spiel zwischen den Zeitebenen funktioniert für mich und der FBI interne Ansatz gefällt. Und mir geht’s so, dass ich wissen will, wie es weiter geht. Was macht Parish nun, die offensichtlich auf sich alleine gestellt ist? Shaw ist bereits raus aus der Reihe der möglichen Retter. Booth ist angeschossen. Bleiben eigentlich nur noch drei der Protagonisten. Und O´Connor. Wobei dieser für mich der Hauptverdächtige ist.
Zudem ist die Idee, einen Handlungsstrang in der Vergangenheit anzusiedeln und dazu noch in der Ausbildungsschiene des FBI ein kreativer Schachzug. Die Zeit der Ausbildung war doch auch bei uns eine der Schönsten. Oder? Wird die Handlung an mehreren Stellen auflockern und ein wenig die Spannung strecken, mal anheizen, mal völlig zum Erliegen bringen. Je nach Bedürfnis. Und wir werden die Figuren by the way sehr gut kennenlernen.
Für mich hat der Pilot überzeugt und ich werde weiterschauen. Vollends überzeugt? Nein. Vielleicht nicht so sehr hinsichtlich der Logik der Handlung. Scheint schon alles sehr konstruiert. Aber das FBI wird bestimmt dazugelernt haben. Irgendwann bestimmt. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ursprünglich hatte ich sogar nur vorgehabt, den Piloten zu sehen. Diese Meinung habe ich geändert. Die nächsten Folgen werden es auf alle Fälle werden. We will see.
Habt ihr den Piloten gesehen? Wie sieht eure Meinung aus? Bleibt ihr auch erst mal am Ball?
Kommentiere
Trackbacks