Wie lange haben wir mit Breaking Bad verbracht? Fast 48 Stunden, wenn man die Serie am Stück schaut. Bei den Mad Men waren es sogar mehr als 72 Stunden. Die Sopranos bringen 86 Stunden auf die Waage und wer sich Emergency Room komplett angeschaut hat, der war ganze 249 Stunden beschäftigt bzw. ganze 10 Tage. Und das ist nur die reine Sendezeit. Natürlich beschäftigt uns eine Serie viel länger. Eine Staffel bedeutet, mehrere Monate dabei zu sein, danach noch mehr Monate zu warten und auf die Auflösung des Finales der alten in der neuen Staffel zu erleben. Und wenn wir uns so stark involvieren, dann bedeutet das auch, dass wir mit den Charakteren mitfühlen. Dass wir unseren Helden etwas wünschen, dass wir sie nicht mehr als fiktive Person behandeln. Dieses Verhalten, dass wir die Grenzen zwischen Fiktion und Realität emotional überwinden und vergessen, dass es eine ausgedachte Person ist oder uns es einfach egal ist, nennt man auch parasoziale Beziehung.
Ich würde sagen, dass bei den meisten Serien, die wir über mehrere Jahre verfolgen, eine Art von parasozialer Beziehung eintritt. Denn was zieht uns sonst Woche für Woche, Jahr für Jahr vor den Fernseher? Und genau das wollen die Macher von Serien ja auch. Sie wollen, dass wir uns durch tolle Geschichten und Schauspieler an eine Serie binden und dieser so zum Erfolg verhelfen. Das ist legitim und macht ja auch einen nicht unerheblichen Teil der Unterhaltung aus. Was wäre Dexter nur gewesen, wenn wir nicht insgeheim mit dem Hauptdarsteller mitgefiebert hätten und uns stets wünschten, dass er doch nicht ertappt wird? Eine reine platte Aneinanderreihung von brutalen Morden eines plumpen Charakters, gespielt durch einen schlechten Schauspieler hätte das sicherlich nicht vermocht.
Gleichzeitig ist damit aber das Ende einer Serie auch extrem frustrierend. Das Loch, in welches man nach dem Ende einer tollen Serie fällt, fühlt sich nicht selten fast so an, als ob man einen guten Freund verloren hat. Und genau da möchte ich mehr Wertschätzung der Schauspieler und der Autoren sehen. Ich finde, dass es eine Pflicht geben sollte, nach dem Ende einer erfolgreichen und beliebten Serie, dass man noch eine Folge bekommt. Diese Folge sollte 5 oder 10 Jahre nach dem Ende einer Serie ausgestrahlt werden. Es muss darin keine neue Story aufgebaut werden, ich will keine neue Bedrohung, auch keine Überraschung oder großen Knall erleben. Nein, ich will einfach wissen, was aus meinen „Freunden“ geworden ist. Wie ein Klassentreffen. Ich will erfahren, dass beispielsweise Tony jetzt Restaurantbesitzer ist, Jessie eine Fahrschule betreibt und Don jetzt Ernährungsberater für reiche Schauspieler geworden ist. Und das reicht dann auch. Damit weiß ich – wissen wir – es geht unseren Freunden gut oder zumindest, was aus ihnen geworden ist; wir haben Genugtuung und können mit dem Thema abschließen.
Das kann doch nicht so schwer sein? 60 Minuten, vielleicht ein bisschen wie eine Dokumentation aufgebaut. Oder die Charaktere, je nach Serie, treffen sich selbst nach Jahren wieder und erzählen. Und wenn die Charaktere gestorben sind, dann kann man die Auswirkungen der Ereignisse zeigen. Was ist beispielsweise das fiktive Medienecho der Aktionen basierend auf den letzten Aktionen im Breaking Bad Finale gewesen? Argumente wie, es ist ein Kreativprodukt und es wäre viel spannender zu philosophieren, was aus den Menschen geworden, finde ich schwach. Schließlich mussten wir auch die ganze Serie über das konsumieren, was uns davorgesetzt wurde, und hatten keine Interpretationsfreiheit. Insofern sollen sich die Autoren gefälligst anstrengen und uns ein kurzes Wiedersehen schenken.
Diesen Service verdienen wir einfach. Wir die Fans, welche Geld und viel Zeit in Serien investieren. Und dafür sollte es ein Gesetz geben, gerne ungeschrieben, aber dennoch so gut wie verpflichtend.
Bin da ganz Deiner Meinung. Was habe ich mich damals über den versteckten Hinweis in Twin Peaks gefreut, als der Satz fiel „Wir sehen uns in 25 Jahren“. Und 25 Jahre später? Gibt’s eine neue Staffel, mit einem ganz neuen Fall, an dessen Rand aber liebevoll die alten Charaktere noch einmal präsentiert werden, und der Zuschauer weiß, wie es ihnen ergangen ist. Würde ich mir auch für andere Serien wünschen, definitiv.
Apropos 25. Ich bin für ein Gesetz, ob geschrieben oder ungeschrieben, das man eine angefangene Top25-Liste auch zum Abschluss bringt. Ich schaue jetzt mal keinen an, besonders nicht allzu deutlich in Richtung des Autors dieses Artikels…. :-)
;-) Ja, ich muss aufpassen, ich bin auf schon Bewährung. Aber mit dem mir zugeordneten Bewährungshelfer des großen Toplisten-Tribunals habe ich bereits die kommende Star Trek Folge geschaut und Notitzen gemacht. Der letzte Bericht war daher auch durchaus positiv und wenn ich die Liste in den nächsten Wochen abschließe, dann muss ich doch nicht in den Serien-Knast; in welchem man den ganzen Tag California Clan schauen muss. Auch die Selbshilfegruppe zu der ich gehe, die anonymen Toplisten-Nicht-Abschließer, sind mir eine große Hilfe. Und ich merke auch, dass ich noch gut dran bin. Andere haben angefangen und wollten alle Gute Zeiten, schlechte Zeiten Folgen ranken und reviewen. Ein extremer und sehr fast hoffnungsloser Fall, aber daran merke ich, dass ich eine Chance haben. Tschakka, ich schaffe das!
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