„The Day that changed my life.“ Schwarzbild.
Es ist Halloweennacht 1960. In der amerikanischen Kleinstadt Holden greift ein dreifacher Familienvater zu einem Hammer und bringt seine Frau, seine Tochter und seinen Sohn um. In der Blutlache bleibt das dritte der Kinder, ein kleiner Junge, zurück und ist für den Rest seines Lebens traumatisiert.
Mit dieser grausamen Geschichte beginnt das Mystery-Drama 11.22.63. Es ist nicht die Geschichte des Hauptdarstellers Jake Epping, der von James Franco gespielt wird, sondern die von Harry Dunning, einem seiner Schüler. Jake gibt Erwachsenen Unterricht im Storytelling. Bei Harry jedoch brauchte er nicht viel tun, dieser schrieb einfach die traurige Geschichte seiner Kindheit auf, die dem Zuschauer durch Rückblenden noch näher gebracht wird.
Keine 90 Sekunden Laufzeit und schon bin ich drin in der Story. Es hat nicht viel gebraucht, nur einen mitreißenden Anfang. Ich liebe es, wenn Filme und Serien mit Selbstreferenzialität spielen. Und auch der Vorspann ist interessant. Rote Fäden ziehen sich durch jedes der Bilder, von einem Fenster in das Auto, in dem Präsident John F. Kennedy am 22. November 1963 ermordet wurde, von Zeitungsausschnitten über eine Uhr bis hin zum Lauf einer Waffe. Und alle Fäden führen zu dem einen Datum, dessen tragische Ereignisse es gilt im Folgenden zu verhindern: 11.22.63.
Jake ist Lehrer. Er unterrichtet sowohl Erwachsene als auch Kinder. Sein Vater ist kürzlich gestorben, seine Frau will sich scheiden lassen, er ist ein begnadeter Schriftsteller, aber schreibt nicht mehr. Seine Welt ist aus den Fugen geraten. Aber es gibt jemanden, der ihm nahe steht: Al Templeton. Der versorgt ihn in seinem Diner nicht nur regelmäßig mit den besten Burgern, er ist auch sein Freund, sein Mentor – und wird schon ganz bald eine große Veränderung in Jakes Leben hervorrufen.
I’m gonna tell you something that’s gonna seem crazy. – Al
Rabbit Hole
An einem gewöhnlichen Tag bittet der von zwei Minuten auf die andere plötzlich sehr veränderte Al seinen Stammgast Jake in den Kleiderschrank der Küche seines Diners zu gehen und sich dort gut umzusehen. Ja, nicht nur Jake findet das total merkwürdig. Aber er folgt den Anweisungen. Er tritt in die Dunkelheit, kommentiert das alles wunderbar – und fällt plötzlich auf den sandigen Boden von 1960. Ein Kameraschwenk zeigt uns diese Welt – und einen verwirrten Jake. Es erscheint ein Mann hinter ihm. In seinem Hut steckt eine gelbe Karte. Und er gibt Jake sehr deutlich zu verstehen, dass er dort nichts zu suchen hat.
Jake gelangt wieder in die Gegenwart und könnte aufgebrachter nicht sein. Al erklärt ihm, was gerade passiert ist: Durch den Kleiderschrank ist er in die Vergangenheit zurückgekehrt und zwar exakt zum 21. Oktober 1960. Alles, was man dort tut, wen man trifft, was man bewegt, hat Auswirkungen auf die heutige Welt. Egal ob man fünf Minuten oder drei Jahre dort verharrt – kehrt man in die Gegenwart zurück, sind nur zwei Minuten vergangen. Doch begibt man sich erneut in die Vergangenheit, ist alles, was man vorher dort verändert und bewirkt hat, ausgelöscht.
„You’re saying this is a … a time portal?“ – Jake
„Uh, call it a rabbit hole.“ – Al
Doch wozu das Ganze? Warum zeigt Al ihm das? Er ist sich sicher, dass die heutige Welt und auch die Vergangenheit viel besser gewesen wären, wäre John F. Kennedy 1963 nicht umgebracht worden. Daher hat er die letzten Jahre genutzt, um die Vergangenheit zu dokumentieren und einen langen Aufenthalt dort vorzubereiten. Er hält Jake für den Richtigen, sich nun mit dem einen großen Ziel in den Kleiderschrank zu begeben: den Mordanschlag auf J.F.K. verhindern.
Brave new (old) world
Zunächst zögert er, doch ein einschneidendes Ereignis lässt ihn umdenken und die „Reise“ antreten. Und er kann es kaum glauben. Diese neue, alte Welt ist wirklich großartig! Alles schmeckt besser, alles kostet weniger und die Menschen sind so viel besser gekleidet – und niemand will oder braucht Apple-Produkte! Doch es dauert nicht lang, bis sich die anfängliche Euphorie beginnt aufzulösen. Rassentrennung, mysteriöse Unfälle und die Schwierigkeit sich anzupassen, machen Jake das neue Leben schwer. Seine Mission scheint von andauernder Gefahr bedroht zu sein und steigert sich dermaßen, dass er aufgeben möchte. Doch zuvor muss er noch eine Sache erledigen.
Mich hat die erste Episode mitgerissen. Spannung wird hier mit einer passenden Portion Witz, Charme und Ernsthaftigkeit und kurzzeitig sogar kleinen Horror-Momenten kombiniert. Wir leben in zwei Welten: in der grauen Gegenwart und der pastellfarbenen Vergangenheit – und dazwischen sehen wir echtes Found Footage-Material. Wir hören moderne Popmusik und Klassiker der Sechziger. Requisite und Kostüm sind authentisch, die Kamerafahrten richtig cool, die subtile Platzierung des Serientitels immer wieder witzig.
Die Theorien um John F. Kennedys wahren Mörder spinnen sich aus und man gerät zwischen fiktiver Gegenwart, fiktiver Vergangenheit und der Realität ins Straucheln. Dabei werden die historischen Figuren J.F.K. und seine Frau Jackie Kennedy auf sehr respektvolle Art und Weise dargestellt – und ihre Gesichter nie direkt gezeigt. Auch das trägt zur Authentizität der Serie bei.
Butterfly Effect
Ich bin gespannt, ob die Serie das hohe Niveau auch über die weiteren Folgen halten kann. Inhaltlich gibt es auf jeden Fall noch einiges, was erzählt werden kann. Denn natürlich wird sich Jake früher oder später der Warnung widersetzen, niemandem emotional zu nahe zu kommen. Wir haben ja schon die attraktive Sadie kennengelernt. T. R. Knight ist noch nicht aufgetaucht. Und Josh Duhamel haben wir als Frank Dunning erst am Ende der Folge kurz erblicken können. Der wird sicherlich auch noch eine große Rolle spielen. Von den zahlreichen Schmetterlingseffekten ganz zu schweigen.
Und wenn wir wollen, können wir uns am Ende dann auch der in dieser Episode bereits begonnenen Diskussion stellen: Was ist besser, Buch oder Film? Denn Stephen Kings Roman „Der Anschlag“ diente als Vorlage für die Serie. Womit wir wieder bei der Selbstreferenzialität wären. Wunderbar.
Deutschlandpremiere
Am 11. April startet 11.22.63 dann auch endlich bei uns – und zwar auf dem Pay-TV-Sender FOX. Wer bis dahin einen kleinen Vorgeschmack bekommen möchte, kann sich hier die Sneak Peeks ansehen.
Bilder: Hulu
Ich finde die Idee spannend, bin auch gespannt, was sich daraus entwickelt. Die Auftaktfolge fand ich ok, aber nicht überragend. Mir war Jake zu schnell überzeugt, Jahres seines Lebens für die Aktion einzuplanen. Bin auch gespannt, welche Rolle die Figur Harry Dunning spielen wird. :-)
… ja, kann man kritisieren. Aber etwas gesträubt hat er sich ja schon und zudem sind es in der realen Welt ja nur zwei Minuten. Er „verliert“ dadurch ja nichts.
Aber er verliert doch 2 Jahre seines Lebens, oder? Die Lebenszeit des Individuums läuft ja weiter. Wenn er zurückkehrt, ist er 2 Jahre älter, derweil in seinem „Heute“ nur 2 Minuten vergangen sind.
Ja natürlich. Aber wir reden hier auch nur von zwei Jahren, nicht von 20. Zudem hat er ja gerade eh nichts, was ihn in seiner realen Umgebung hält. Hätte er Frau und Kind wäre dein Argument natürlich recht stark, aber so, ist das eher die willkommene Möglichkeit der „Flucht“ aus der eigenen Eintönigkeit.
Und man darf nicht vergessen, die Burger waren deutlich günstiger und schmecken sogar noch besser!
;)
Sehe das eher wie einen feschen Abenteuerkurzurlaub.
Ich bin echt gespannt auf die Serie. Ich fand das Buch wirklich großartig, eins von King´s besten, meiner Meinung nach. Bin gespannt, wie die ganze Handlung und die Nebenhandlungen in sechs Folgen gepackt wird. Aber den Auftakt fand ich schon mal sehr gut (auch wenn er nach meiner Erinnerung nicht allzu nah an der Buchvorlage war), und die schnelle Überzeugung von Jake nur hilfreich, um Zeit für die wichtigeren Elemente der Geschichte zu lassen..
… da ich die Serie schon durch habe, würde mich deine Meinung als Buchkenner durchaus interessieren, also wenn du ebenfalls den letzten Abspann gesehen hast, schlage hier doch noch mal auf und erzähle uns von deinen Gedanken.
Mach ich, Tobias :-)
Kira, gibt es eigentlich von Dir noch Reviews zu den anderen Folgen?
Nice. Und ja, ein abschließendes Review zu 11.22.63 ist noch geplant. Ich glaube aber dass Kira noch nicht so weit ist.
Steht aber auf dem Zettel. Ganz oben. Neben Milch kaufen.
Genau, wie Tobias schon sagt, haben wir ein abschließendes Review zur Serie geplant. Ich bin allerdings auf dem Stand der TV-Ausstrahlung und da läuft heute ja erst die 5. Folge. Also wird wirklich erst die Milch gekauft :)
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