Tobias Meinung
Dear James Franco,
ich glaube, ich muss Ihnen gegenüber Abbitte leisten. Oder zumindest meine bisherige Meinung zur Ihrer schauspielerischen Karriere überdenken. Wenn ich an Ihre Person denke, habe ich nicht unbedingt die besten cineastischen Verknüpfungen in meinen Erinnerungen. Denn dort sind Sie als ungelenker und uninteressanter Schauspieler abgespeichert, wenn ich an Filme wie „Spider Man“, „Spring Breakers“ oder „The Interview“ denke, dann überkommt mich immer eine riesige Müdigkeit und meine Augen klappen zu, schneller, als sie „zweiundzwanzigster November neunzehnhundertdreiundsechszig“ sagen können.
Womit wir beim Thema wären: „11.22.63“. Ihr neuestes, auf Zellulose gebanntes Charakterstück. Produziert für das US Streamingportal Hulu. Und ich muss Ihnen sagen, beinahe hätte ich der Miniserie keines Blickes gewürdigt, da Sie die Hauptrolle spielen. Aus Gründen. Ich habe es aber dennoch getan und bin positiv überrascht, ich würde zwar nicht behaupten, dass ihre schauspielerische Leistung preiswürdig ist, aber ich habe Ihnen die Figur Jake Epping abgenommen, habe mit ihr gefiebert und auch ein wenig gelitten. Allerdings nur in Bezug auf die Beziehung zu Sadie Dunhill, wunderbar dargestellt von Sarah Gadon. Wer wäre nicht gerne an Ihrer Stelle gewesen und hätte Sadie die Bücher getragen. Aber ich schweife ab.
Aber genau das ist auch mein Problem mit der Serie. In meinen Augen sollte Bridget Carpenter dasselbe Zeitportal wie Sie in der Serie benutzen, um noch einmal ganz von vorne mit der Konzeption der Serie beginnen zu können. Vor allem sollte sie sich die Frage stellen, was die Serie eigentlich darstellen will. Eine historisch angehauchte Investigativgeschichte, eingepfercht in einem komplizierten Zeitreiseplot oder einer Romanze zwischen einem Zeitreisenden und einer Frau aus der Vergangenheit, die nicht immer an die richtigen Männer geraten ist.
Die Serie entscheidet sich in meinen Augen nicht wirklich, verkauft sich aber als Ersteres. Aber jene Parts mit Ihnen und George MacKay als Bill während Ihrer Undercoveraktion gegen Lee Harvey Oswald, glaubhaft dargestellt von Daniel Weber, waren für mich immer die schwächsten in den acht Folgen. Vielleicht liegt es auch an meiner romantischen Ader, aber die Teile der Serie, die wir zusammen mit Sadie und Jake verbringen durften, haben mich mehr berührt, hatten mehr meine Aufmerksamkeit. Und sie können Sich vorstellen, wie erbost ich immer genau dann war, wenn Sie eine Szene mit Sadie abrupt beendeten, weil sie ihrem „Nebenjob“ nachgehen mussten. Das war auf seine ganz eigene Art recht störend.
Sie können nun natürlich anführen, dass man hier lediglich der Buchvorlage folgt, die sich auch nicht ganz entscheiden kann. Das habe ich auch gelesen. Aber ich verstehe die Serie als basierend auf dem Roman, nicht diesen 1=1 wiedergebend. Und mit der Aufwertung der Person Bill wurde ja bereits ein eigener Schwerpunkt gegenüber der Romanvorlage gesetzt. Warum hat man das nicht konsequenter fortgesetzt, warum die Serie nicht im Laufe der Folgen immer weiter vom Buch entfernen lassen?
Kreative Möglichkeiten gäbe es da viele. Warum blieb man beispielsweise bei der gängigen Einzeltätertheorie? Hier hätte man doch wunderbar fiktive Verbindungen innerhalb der US amerikanischen Gesellschaft als Thema nehmen können, konspirative Verbindungen mächtiger Militärs, Geschäftsleuten oder Politikern sind nicht so abwegig. Aber hier geht die Serie leider den einfachen Weg so wie das Buch. Natürlich spielt die Geschichte „mit der Geschichte“ und dem Wissen der Zuschauer, aber die wenigen Andeutungen im Umfeld von George de Mohrenschildt reichen hier meines Erachtens nicht aus um wenigstens einen Hauch einer Verschwörung erwecken zu können.
Für mich hätte Hulu und auch Sie persönlich einen noch größeren Hit landen können, wenn man die durchaus geniale Grundidee genommen und sie mit den Möglichkeiten einer modernen Serie meines Geschmacks kreativ umgebaut hätte.
So bleibt bei mir ein guter Ansatz übrig, eine zugegeben unterhaltsame und gute Miniserie, die in meinen Augen aber ein noch größeres Potenzial andeutet, welches leider nicht ausgeschöpft wurde.
Sincerely
Tobias
Bilder: Hulu
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