Nach 10 Stunden „1883“ macht die „Yellowstone“-Welt einen Zeitsprung und landet im Jahr „1923“ – und in einer ganz neuen Serie, die sich an vielen Stellen von der Mini-Serie zu den Anfängen der Duttons in Montana unterscheidet – leider nicht immer zum Vorteil. Zum Eingewöhnen gibt’s immerhin eine vertraute Stimme: Isabel May, die in „1883“ Elsa Dutton gespielt hat, bleibt als Erzählerin aus dem Off dabei. Sie führt uns in das neue Setting ein, das uns nicht nur nach Montana führt, sondern auch nach Afrika.
Denn dorthin hat es Spencer Dutton verschlagen, der noch unter den Auswirkungen des 1. Weltkriegs leidet und nicht nach Amerika zurückgekehrt, sondern als Jäger in Afrika unterwegs ist. Die Handlungen des jüngsten Sohns von James Dutton gehören zu einem von drei Erzählsträngen, die uns präsentiert werden. Zweiter Strang ist die Geschichte von Teonna Rainwater (bei dem Namen dürfte es bei dem einen oder anderen „Yellowstone“-Fan klingeln), die ihrer Familie entrissen und in einem von der katholischen Kirche geführten Mädcheninternat untergebracht wurde. Und dann gibt’s da natürlich noch die Geschichte der Duttons selbst, in Montana, wo auch schon die bekannte Ranch, die es bis in die Neuzeit zur „Yellowstone“-Serie geschafft hat (mehr zur Ranch, die es auch im echten Leben gibt, gibt es in diesem Beitrag).
Die Geschichte der Duttons – 40 Jahre nachdem die Pionierfamilie in Montana gelandet ist – ist geprägt von den wirtschaftlichen Entwicklungen in Amerika – die Wirtschaftskrise, die Prohibition, der technische Fortschritt, dazu noch klimatische Probleme, die der Ranch zu schaffen machen: Jacob Dutton und seine Frau Cara haben’s nicht leicht. Sie sind keine Nachfahren von James und Margaret Dutton, sondern Jacob ist der Bruder von James. Er und seine Frau haben die Kinder von James und Margaret aufgenommen – was it denen passiert ist, wird nicht wirklich aufgeklärt. Aus „1883“ taucht neben der Stimme von Elsa tatsächlich nur John Dutton auf, in „1883“ als Kind zu sehen. Er hat aber keine allzu lange Screentime in der neuen Serie. Wer mehr zu den Verwandtschaftsverhältnissen wissen möchte – hier gibt’s den Stammbaum der Duttons bei uns im Blog.
Dafür aber Jacob und Cara, die von Harrison Ford und Helen Mirren gespielt werden, die immer wieder tolle schauspielerische Akzente setzen. Helen Mirren gehört auch gleich der erste Auftritt, der ähnlich brutal und roh daher kommt, wie man es von „1883“ gewohnt war. „1923“-Showrunner Taylor Sheridan arbeitet hier wieder mit einem Blick in die Zukunft als erste Szene, wie bei „1883“. Allerdings liegt der Moment hier nicht so weit in der Zukunft wie bei der Vorgängerserie. Sinn macht’s aber nicht nur wegen dieser Parallele, sondern weil sie auch das Resultat einer Aktion mit der einzig verbliebenen Person aus „1883“ ist.
Acht Folgen hat diese Staffel insgesamt, und Taylor Sheridan springt immer wieder zwischen den drei Erzählebenen hin und her. Was sie miteinander zu tun haben, bleibt zunächst offen, so dass ich anfangs auch nicht ganz glücklich mit der Konstellation bin. Immerhin wird dann schnell klar, dass Spencer Dutton nach Hause kommen muss, und wie er es erfährt, ist absolut charmant erzählt. Auch danach bemüht sich Taylor Sheridan, die Verhältnisse vor 100 Jahren darzustellen: wie lange es dauert, von einem Ort zum anderen zu kommen oder überhaupt eine Nachricht von einem Ort zum nächsten zu übermitteln. Er erzählt auch viel über die Verhältnismäßigkeiten der damaligen Zeit – wer wozu ein Recht hat, was schnell in Selbstjustiz erledigt wird, und welche Rolle der technische Fortschritt spielt. Das wird mir dann tatsächlich alles etwas zu sehr betont, da möchte Taylor Sheridan gefühlt zu viel, und darunter leidet die Geschichte für mich ein wenig.
Und die Dramaturgie entwickelt sich auch vollkommen anders als zum Beispiel bei „1883“ – einerseits durch die verschiedenen Erzählebenen, dann aber auch in dem Wissen, dass es eine zweite Staffel mit noch einmal acht Folgen geben wird. Die Geschichte bewegt sich recht langsam vorwärts, und an vielen Stellen fühlt es sich so an, als würde die ganz große Geschichte erst noch vorbereitet – und dann in Staffel 2 ausgebreitet.
Das wird vermutlich nicht ohne Verluste über die Bühne gehen, und die eine oder andere Hauptfigur macht ja recht schnell damit Bekanntschaft. Da wird man für Staffel 2 noch einiges erwarten dürfen/müssen. Ansonsten ist der Cast tatsächlich wieder großartig – Harrison Ford und Helen Mirren hatte ich schon erwähnt, auch Brandon Sklenar als Spencer Dutton ist klasse gecastet, und das setzt sich bis in die Nebenrollen fort, bis hin zu Timothy Dalton als Donald Whitfield, der sich zum Gegenspieler der Duttons in „1923“ entwickelt. Story und Dramaturgie bleiben dahinter etwas zurück – vieles wird zwar mit großen Emotionen erzählt, aber diese werden eher nur gezeigt, nicht wirklich gefühlt. Man betrachtet die Ereignisse und fühlt sich nicht wirklich mitgenommen. Da ist sicher noch Luft nach oben, zumal Timothy Dalton als Donald Whitfield den Duttons am Ende ordentlich zusetzt, und so steuert Taylor Sheridan am Ende alle drei Ebenen auf jeweils eigene Cliffhanger zu. Alle drei für sich dramatisch, und ich hoffe, es gelingt ihm, die drei Ebenen dann in der 2. Staffel so zusammenzuführen, dass sich daraus ein großes Finale ergibt. Noch bin ich nicht wirklich zufrieden mit „1923“ – aber es kommen ja noch acht Folgen.
Bilder: Paramount
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