Wir sind zurück in Neukölln, zurück bei Toni Hamady: Die zweite Staffel von „4BLOCKS“ gibt sich die Ehre. Feuer heißt die Auftaktfolge passenderweise – denn es brennt gleich an vielen Stellen in der Familie und in der Stadt. Ein Jahr ist seit dem Ende von Staffel 1 vergangenen, und wir erleben heute einen anderen Toni Hamady: Der Toni, der sich von seiner kriminellen Seite verabschieden wollte, um ein gutbürgerliches Leben aufzubauen, findet sich nicht mehr wieder. Stadtdessen versucht er sich Berlin unter den Nagel zu reißen – mit allen Mitteln.
Trotzdem trägt Toni Hamady, wieder großartig in Szene gesetzt von Kida Khodr Ramadan), zwei Gesichter: Das des skrupellosen Gangsters, der seine Freunde und seine Familie für den großen Coup motiviert, und das des gebrochenen Mannes, der sich mit seinem Schicksal irgendwie nicht abfinden kann. Vor allem der Tod von Vince und die Trennung von seiner engen Familie machen ihm offensichtlich zu schaffen. Oliver Hirschbiegel, der Marvin Kren auf dem Regiestuhl ersetzt, gelingt das mit großartigen Shots und Einstellungen – etwa wenn Toni in Beirut ankommt und in der Wüste betet, oder wenn er durch die Straßen Berlins streift, in seiner S-Klasse, mit gebrochenem, aber zu gleich kämpferischem Blick.
Überhaupt gefällt direkt der Einstieg: Wir sind überraschend nicht in Neukölln, sondern im Libanon, wo sich Toni die Untersützung eines mächtigen Mannes sichert. Stark auch hier, wie der Moment der Vereinbarung inszeniert wird, mit dem sterbenden Vorgänger und den beiden ‚Paten‘, die sich ungerührt in die Augen blicken. Dann gibt es noch einen Flug über die Häuserschluchten von Beirat, so eingefädelt wie sonst der Flug über Berlin – ehe es wirklich in die deutsche Hauptstadt geht.
Toll sind auch die krassen Bilderpaare, wenn es um die Charakterisierung von Toni geht. Hatte er in Staffel 1 noch vor, hochwertige Mietshäuser zu bauen, um so legal sein Geld zu verdienen, lässt er jetzt heruntergekommene Bauten als Flüchtlingsunterkünfte befüllen – „ist gut fürs Image“, wie er sagt. Hatte er sich vor einem Jahr eine solide Eigentumswohnung für seine Familie angeschafft, soll es jetzt ein Protzbau sein, der so gar nicht zum uns bekannten Toni Hamady passt. Ging es ihm vor einem Jahr vor allem darum, seine deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, um die Grundlage für ein solides Leben zu haben, so wedelt er jetzt provozierend mit seinem deutschen Pass vor der Nase der deutschen Polizei, das wie ein Alibi für ihn funktioniert: „Deutschland den Deutschen“, wie Toni Hamady es wunderbar grotesk formuliert.
Einziges kleines Manko aus meiner Sicht ist die Gerichtsverhandlung um Tonis Bruder Abbas (der übrigens auch wieder überzeugend von Veysel gespielt wird): Mir ist die Inszenierung im Gerichtssaal mit der Reportermeute und der abfälligen Richterin zu aufgesetzt, das hätte man eleganter lösen können. Aber auch hier, im Detail, gefallen so Momente wie die Absprache zwischen Toni und Abbas, so dass man insgesamt über die Szene hinwegsehen kann.
Insgesamt aber eine überzeugende Rückkehr von „4BLOCKS“: Man ist gleich drin in der neuen Story, Oliver Hirschbiegel führt Marvin Krens Arbeit sorgfältig fort und setzt zudem eigene Akzente. Beim Casting wurde sorgfältig ausgewählt, und der Gruppe der Hauptdarsteller nimmt man jede Handlung, jeden Dialog, jede Aktion 100-prozentig ab. Es fühlt sich echt an, so dass man darauf brennt, zu sehen, wie es weiter geht.
Klasse, dass 4 Blocks zurück ist!
Hoffe wir sehen im Laufe der nächsten Jahre noch etliche Staffeln. Für mich derzeit die beste deutsche Serie, TNT Serie hat da nach dem schwachen Add a Friend und dem nicht schlechten, aber auch nicht großartigen Weinberg einen richtigen Glücksgriff gelandet. Top Qualität, die bei deutschen Produktionen leider nicht selbstverständlich ist.
Zur neuen Folge: Muss dem Rezensenten bzgl. der aufgesetzt wirkenden Gerichtsverhandlung recht geben. Auch ansonsten gefiel mir die (Serien-)Premiere letztes Jahr etwas besser, was wohl auch damit zusammen hängt, dass Vince fehlt, der gleich zu Beginn einen großen Twist mitbrachte und dessen deutscher Hintergrund in der ansonsten rein arabischen Gangsterfamilie für etliche interessante Situationen und Plots sorgte.
Ich hoffe, die sich nun anbahnende Gangsterboss vs Gangsterboss Story wird nicht zu klischeehaft ausgetragen werden, aber da auch die Geschichte um Tony und Vince ein paar kleinere erzählerische Schwächen hatte, die erste Staffel alles in allem aber trotzdem erste Sahne war, bin ich guter Dinge, dass es spannend weitergeht – Im Gegensatz zum Autor hätte ich aber wohl eher 4 statt 4,5 Sterne gegeben.
Nichtsdestotrotz ein gelungener Einstieg, freu mich schon auf nächste Woche.
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