Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge – das ist nicht neu, hat sicher jeder schon einmal gehört. Wie es aber ist, wenn man das weiß und vor der Frage steht, ob man das Recht bricht, um Recht zu bekommen, zeigt eindrucksvoll der Fall des Superintendent Stephen Fulcher, den die britische ITV-Miniserie „A Confession“ erzählt. In sechs Folgen ermittelt Stephen Fulcher im Fall des Verschwindens von Sian O’Callaghan, und seine Ermittlungen führen ihn in schwere Konflikte, moralischer Art wie juristischer Art.
Davon ist in der Auftaktfolge, um die es hier geht, aber noch nichts zu spüren. Sie konzentriert sich darauf, uns in die Hauptstory einzuführen, die Personen in ersten Zügen zu charakterisieren und zwei Nebenschauplätze auf zu machen. Im Fokus steht das schon erwähnte Verschwinden der 22-Jährigen Sian O’Callaghan in der britischen Kleinstadt Swindon. Superintendent Stephen Fulcher übernimmt die Ermittlungen. Daneben geht es noch um eine Familie aus der unmittelbaren Nachbarschaft von Sians Familie, bei der vor einigen Jahren ebenfalls ein Mädchen verschwunden ist. Ein noch etwas kleinerer Plot besteht aus den Ermittlungen gegen einen Freund und Kollegen von Stephen Fulcher, dem Belästigungen gegenüber Kolleginnen vorgeworfen werden.
Soweit die Ausgangslage. In der Auftaktepisode nimmt sich Autor Jeff Pope, der die sechs Folgen auf Basis von Erzählungen Stephen Fulcher, aber auch auf Basis von Aufzeichnungen aus der realen Vorlage entwickelte, sehr viel Zeit, das alles erst einmal zu sortieren und anzustoßen. Das langsame Erzähltempo wird flankiert vom tollen Score von Niall Byrne, dazu kommen die tollen Einstellungen der Cinematographin Vanessa Whyte, die auch ganz bewusst an einigen Stellen die Handkamera nimmt, um eine besonders dichte Atmosphäre zu erzeugen. Beim Gespräch zwischen Stephen Fulcher und seinem Kollegen zum Beispiel, wo wir extrem dicht an den Gesichtern dran sind – so dicht, dass Vanessa Whyte es in Kauf nimmt, dass die Aufnahmen dann und wann eine kurze Unschärfe bekommen oder dass da einige Wackler drin sind, die es einem fast schon unangenehm erscheinen lassen, so dicht beim Gespräch dabei zu sein.
Wie gesagt – Zeit ist ein Faktor, den sich Jeff Pope gemeinsam mit Regisseur Paul Andrew Williams einfach gönnen – obwohl die Protagonisten in der Serie eigentlich keine Zeit haben, solange sie hoffen, Sian noch lebend zu finden. Zeit brauchen Pope und Williams aber, um uns alles sortiert zu servieren und die Personen zu porträtieren. Dabei helfen ihnen natürlich die exzellenten Darsteller, die ITV „A Confession“ spendiert hat. Fulcher wird gespielt von Martin Freeman, was sich – natürlich – als hervorragende Wahl herausstellt. Die Rolle passt ihm ausgezeichnet; hier und da erkennt man – wenn man möchte – den Dr. Watson aus „Sherlock“ wieder, Freeman versteht es aber schon in der ersten Folge, Fulcher seinen Stempel aufzudrücken und eigene Wesensmerkmale herauszuarbeiten. Wenn er da in seiner Wohnung sitzt und seine Schuhe putzt, oder etwas peinlich berührt seinem klagenden Kollegen gegenübersitzt, das sind schon erste große Momente. Toll ist auch Imelda Staunton als Karen Edwards. Sie hat gleich so etwas Zerbrechliches – stark, wie sie spielt, dass Karen innerlich zerbrochen ist, aber versucht, äußerlich die Fassade ganz zu halten.
So hat Episode 1 am Ende praktisch alles, was eine Auftaktfolge braucht, damit man als Zuschauer dabeibleiben möchte. Ich selbst fühle mich ein wenig wie bei „Broadchurch“ – ein schweres Thema, mit dem man sich in seiner Freizeit eigentlich gar nicht auseinander setzen möchte, aber so gut und wichtig erzählt, dass man es einfach gesehen haben muss. Sehen wir mal, was die anderen 5 Folgen können.
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