Am Mittwoch wurde die letzte Folge von „A Murder at the End of the World“ auf Disney+ veröffentlicht. Die FX-Miniserie hatte mit dem offiziellen Trailer mein Interesse wecken können. Eine augenscheinlich ausgeprägte Cinematography, ein toller Cast und vor allem eine Geschichte, die klassische Whodunit-Elemente mit modernen Elementen sowie einer exotischen Kulisse vereint – klingt gut! Doch leider kann „A Murder at the End of the World“ nicht vollends überzeugen und entpuppt sich eher als „Wäre es doch als Film umgesetzt worden…“-Exempel. Im Spoiler-armen Review (wirkliche Spoiler verstecke bzw. kennzeichne ich entsprechend) möchte ich euch das genauer darlegen.
Langeweile am Arsch der Welt
Mein Hauptkritikpunkt: Die Serie ist zu langatmig. An sich habe ich nicht mal ein Problem damit, dass die Folgen in der Regel über eine Stunde lang sind, auch wenn es seltsam wirkt, dass Episode Fünf mit 76 Minuten Laufzeit daher kommt, die verbleibenden beiden letzten der Serie dann aber als einzige knapp über 40 Minuten andauern. Wollte man so Final-Hektik suggerieren? Das wirkte auf mich eher wie ein ausbleibender Atem auf langer Strecke.
Apropos „Atem“: Da wird eine Reihe smarter Leute in das verschneite Hinterland Islands gebracht, aber niemand stößt sichtbare Atemwolken aus. Die Verwendung von Kunstschnee ist aufgrund der sichtbaren Verhaltensweise offenkundig, vor allem ärgert mich dieses Film-Klischee aber aus zwei Gründen. Erstens: Es geht auch inhaltlich um absoluten High-Tech, der sogar teilweise an Science-Fiction kratzt, größere CGI-Aufnahmen inklusive. Zweitens: Es gibt tatsächlich in einer Szene zwei (allem Anschein nach künstlich hinzugefügte) Atemwolken zu sehen! In Episode Fünf war es also plötzlich kalt-kalt, denn neben der exklusiv für diesen Moment aufgehobenen Atemwolken führt die Figur auch den üblichen Verkreuzte-Arme-und-Hände-über-Oberarme-führen-Move aus und sagt (sinngemäß) „Boah, ist das kalt!“. Doch all die Male, in denen sie oder andere ohne Jacke die mit etlichen Zentimetern Schnee versehenen Balkon öffnet, gibt es keine Regung?! In dem Moment habe ich mich verarscht gefühlt. Es ist technisch möglich gewesen und irgendwem an einem Punkt der Produktion aufgefallen, dass Atemwolken Sinn ergeben könnten, wieso dann nur das eine Mal? Weil es technisch zu kompliziert umzusetzen oder zu teuer ist? Dann lasst es bitte gleich ganz weg.
Erste kleine Gefühle einer unrunden Inszenierung machen sich bei mir bereits in der Eröffnungsszene breit. Hauptfigur Darby Hart kommt zu einer Lesungsreihe, bei der zunächst viele Zuhörer:innen aufstehen und zum Signiertisch eines anderen Autoren gehen, dann aber auf zauberhafte Weise alle wie vereinnahmt wieder zurückkehren. Das war mir zu albern dargestellt. Aber gut, eine Kleinigkeit. Aber vor allem Darbys rücksichtige Erzählungen und ihre Vorgeschichte birgt – neben einiger gefälliger Momente – etliche Längen, unnötige Passagen und vor allem zu lang angesetzte Wiederholungen. Die gefühlte Überlänge rührt aber vor allem aus den lang anhaltenden Shots, die manchmal beinahe Erinnerungen an Nicolas Winding Refn („Copenhagen Cowboy“) erwecken. Gerade in diesen Moment fällt der Fokus oftmals auf Hauptfigur Darby. Emma Corrin – optisch in der Aufmachung eine Mischung aus Kristen Steward und Mae martin – hat alle Hände Augen voll damit zu tun, die Handlung mit skeptischen Blicken zu tragen und Längen zu überbrücken.
Groß aufgezogen, flach ausgespielt
Dabei ist mitnichten alles schlecht an „A Murder at the End of the World“. Vermutlich ist gerade das auch das große Ärgernis. Vieles wird ziemlich epochal und vielversprechend aufgezogen, nach der ausgetüftelten Technik, der krassen Location und der Präsentation all der interessanten Charaktere wird aber schlichtweg nicht geliefert. Vieles fühlt sich oberflächlich an und als hätte man das Potenzial nicht gänzlich ausgeschöpft. Das wirkt, als sei die Hardware total High End, aber auf dem Supercomputer läuft nur Windows Vista…
„And we all know, it’s the software that matters.“ (Andy)
Visuell gibt es einige richtig gute Übergänge zwischen den Zeitebenen zu beobachten, genau wie einige coole Sci-Fi-Dinge, die situativ an die eine ähnliche Ausstrahlung besitzende (aber besser ausspielende) Serie „Devs“ erinnern. Auch gibt es Momente der Spannung, vor allem aber welche des Misstrauens, das sich auf die Zuschauenden überträgt. Das wird mir mitunter aber auch zu plump gestreut, indem Figuren ohne wirklich ersichtlichen Grund Heimlichtuerei betreiben oder sich anderweitig offenkundig misstrauisch verhalten. Einige Figuren tun geheimnisvoll oder werden einfach konsequent rar gehalten, um Verdacht zu streuen. Allgemein fühlen sich viele Nebenfiguren leider auch sehr flach an, obwohl sie eigentlich reizvolle Backstorys besitzen oder gewisse Dynamiken in Situationen und Gruppierungen bringen könn(t)en.
Auch wenn es eigentlich um einen klassischen Mord-Krimi handelt, kratzt „A Murder at the End of the World“ regelmäßig an gesellschaftspolitischen Themen. Die Ausnutzung von Reichtum und Macht, Kontrollmanie von Regierungen und Einzelpersonen, der Klimawandel – da werden schon einige wichtige Themen angesprochen, was mir gefallen hat.
„Why are you such a dick?“ – „Because I’m rich.“ – „Pretty sure you’d still be a dick if you were poor.“ (Darby & David)
Letztlich gibt es auch eine eigentlich ganz nette Auflösung, die mir aber persönlich viel zu schnell abgewickelt wurde. Das wirkt beinahe ironisch, meckere ich hier doch elendig lang darüber, dass die ersten fünfeinhalb Stunden elendig lang sind, um dann zu meckern, dass hinten raus Minuten fehlen. Mir geht es aber vor allem um die inhaltliche Abwicklung. Auch zuvor hat die Serie erzählerisch vieles richtig gemacht, es aber schlicht zu lahm inszeniert bekommen.
Aber kurz konkret zur Auflösung selbst: Dass der Junge (oder Ray) nie zuvor etwas dazu gesagt oder jemand etwas beobachtet hat, ist doch zumindest mal seltsam, oder nicht?! Zumal doch dieser krasse situative 3D-Scan durchgeschaut worden war. Das wirkte mir wie in anderen Momenten doch arg konstruiert. Wo ich euch bereits spreche, die die Serie gesehen haben: Das obige Zitat mit der Software war ein bewusstes Foreshadowing, oder?!
Schade Marmelade. „A Murder at the End of the World“ bietet eigentlich alle Grundlagen für eine hochwertige und überzeugende Serie. Der Miniseriencharakter gepaart mit dem Setup hatte mich gar auf ein absolutes Serienhighlight hoffen lassen. Vielleicht waren das dann letztlich auch die hohen Erwartungen, an denen das Projekt letztlich gescheitert ist. Das hat sich „A Murder at the End of the World“ aber auch selbst zuzuschreiben. Wer nämlich derart aufgebauscht aufbaut, sollte auch letztlich liefern. Und da reichen ein paar schöne Shots und ein toller Cast nicht, wenn die Figuren zu flach und die Geschichte nicht auf Topniveau geschrieben ist. Hinzu kommen einige Logik-Zurechtbiegungen und andere kleine Ärgernisse.
Das macht „A Murder at the End of the World“ dann leider nur zu einer durchschnittlichen Serie, die – mit allem Respekt – dafür einfach ein zu großer Zeitvertreib ist. Anstatt mich rund sieben Stunden zu ärgern, schaue ich lieber etwas anders. Wenn man einige Aspekte besser ausgearbeitet und andere gekürzt hätte, hätte das aber ein richtig guter Serientipp werden können. Oder ein Filmtipp.
Bilder: Copyright 2023, FX Networks / Disney+
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