Diese Erfahrung muss auch Tony (Ricky Gervais) nach dem Krebstod seiner geliebten Frau Lisa machen. Während er sich in der ersten Staffel gerade zu Beginn als absolutes Ekelpaket zeigt, durchlebt er im Laufe der sechs Folgen doch einen Wandel und erkennt in der letzten, dass er es seinen Mitmenschen durchaus nicht leicht gemacht hat. Zeit, diesen einmal danke zu sagen.
„Ich vermisse Lisa. Ich vermisse sie die ganze Zeit. Aber so würde sie das nicht wollen. Nicht so. Mit so viel Schmerz. Aber es wird mit jedem Tag leichter.“
Mit diesem Übergang wird die zweite Staffel eingeleitet, die seit Ende April auf Netflix verfügbar ist und in der Tony zwar noch immer in Trauer lebt und nach wie vor eine ordentliche Portion Zynismus an den Tag legt, aber inzwischen erkennt, dass er wahrlich nicht der einzige Mensch auf der Welt mit Problemen ist. So hat er es vor lauter Selbstmitleid nicht bemerkt, dass die Ehe seines Chefs und gleichzeitigen Schwagers Matt (Tom Basden) ordentlich ins Wanken geraten ist: dieser nächtigt nämlich schon seit Wochen im Büro, will dies aber natürlich geheim halten. Auch bei seinen anderen Kollegen schaut es nicht unbedingt besser aus. Kath (Diane Morgan) bekommt Matts Situation spitz und macht ihm ziemlich deutliche (erfolglose) Avancen, ist aber letzten Endes einfach nur schrecklich einsam und leidet wie ein Hund unter ihrem Dauersingle-Dasein. Sogar sein engster Kollege Lenny, der in Staffel Eins eine glückliche Beziehung mit der Mutter des Nasenflötenspielers begonnen hat, leidet doch auch unter der Situation daheim mit eben jenem Flötenspieler – dieser bekommt nämlich beruflich nichts auf die Reihe und darf aus reiner Gefälligkeit von Matts Seite ein Praktikum bei der „Tambury Gazette“ machen. Hierbei geht er aber der Belegschaft eher enorm auf die Nerven als gezielt zur Hand. Als dann auch noch der Inhaber des Verlagsgebäudes die Zeitung abstoßen will und damit auch allen die Arbeitslosigkeit droht, wächst Tony über sich hinaus und versucht alles Erdenkliche, um diesen Schritt aufzuhalten.
Wie auch schon in der ersten Staffel, so haben es mir in „After Life“ vor allem die vielen skurrilen Figuren mit ihren Eigenarten und Fehlern angetan. Es war vor allem schön zu beobachten, wie sich die Storyline von manchen Charakteren weiterentwickeln durfte und man so mehr über die einzelnen Personen erfahren hat. Während es sich in Staffel Eins in erster Linie um Tony und sein Tief geht, ist dies in Staffel Zwei natürlich noch immer der Aufhänger, aber es wird näher beleuchtet, wie er wieder ins Leben zurückfindet. Indem er eben nicht mehr nur sich sieht, sondern die anderen, die ihm die ganze Zeit wirklich sehr unterstützend zur Seite gestanden sind. Auch wird Tony zunehmend hilfsbereiter, menschlicher und erlaubt sogar dem obdachlosen Postboten Pat, sein Bad zu benutzen. Eine meiner Lieblingsszenen der Staffel. Dieser nimmt das Ganze dann nämlich allzu wörtlich:
„Wissen Sie, wie verrückt das ist? Ein Briefträger, der auf seiner Runde ein Bad nimmt?“ – „Wieso?“ – „Es ist einfach so!“ – „Wieso ist es verrückt, einem Freund zu helfen? Ich muss mir später noch ’ne WG anschauen. Ich bin obdachlos! Ich schlaf‘ gerade in der Post. Ich will da ja nicht total verwahrlost auftauchen. Mit Körpergeruch.“ – „Das ist ja wieder typisch! Ich versuche gerade im Zen zu sein und dann passiert wieder sowas, was mich total anpisst!“ – „Sowas würde der Dalai Lama aber nicht sagen.“ – „Das können wir ja herausfinden. Gehen Sie ihn morgen besuchen und waschen Ihren Arsch in seiner Wanne!“
Im Weiteren Verlauf erfährt man beispielsweise, dass die immer gut gelaunte Sandy (Mandeep Dhillon), die in Staffel Eins eher eine Randfigur darstellt, nicht nur an ihrem Job hängt, weil er ihr so viel Spaß macht, sondern, dass sie damit auch ihre kranken Eltern unterstützen muss – und an den Auszug von zu Hause nicht zu denken ist. Durch ihre eigene Sparte – sie darf quasi Live-Reporterin für die Vorbereitung der Revue der Theatergruppe sein – bekommt sowohl ihre Rolle mehr Raum als auch die der einzelnen Mitglieder dieser Varieté-Truppe. Somit gibt es unter anderem auch ein Wiedersehen mit Tonys vergeigtem Emanzen-Date Rebecca, dem Messie Brian und June, Larrys Lebensgefährtin. Und sagen wir mal so: Die Show läuft dann auch tatsächlich (leider) genauso wie erwartet ab.
Auch die wöchentlichen Aufreißer der „Tambury Gazette“ mit ihren durchgeknallten Individuen, die (leider nur in ihren Augen) Besonderes erlebt haben, sind mit von der Partie, genauso wie Emma, die Altenpflegerin, die es Tony ja doch irgendwie angetan hat. Dabei werden die Geschichten aber nicht langweilig, sondern sind ebenso wie in der ersten Staffel unterhaltsam und werden mit wunderbarem, schwarzem Humor erzählt.
„Die sind falsch, wissen Sie.“ – „Ach, ist das so?“ (namenslose „Schöne“ zu Tony)
Alles in allem hat mich Staffel Zwei ebenso begeistert wie die erste. Den einzelnen Figuren wird mehr Tiefe verliehen (schon allein die Story um Postbote Pat ist das Einschalten wert) und glücklicherweise entwickelt sich Tony wirklich weiter. Zwar immer noch schön zynisch und voller Schmerz, aber eben doch mit dem Herz am rechten Fleck.
Ach, und seit dieser Woche kann man das Ganze übrigens auch endlich auf Deutsch anschauen, wem es auf Englisch zu anstrengend war.
Bilder: Netflix
Das hört sich sehr viel versprechend an.
Bin schon sehr gespaltener.