Seit heute gibt es die erste Staffel von „All of Us Are Dead“ (Originaltitel: 지금 우리 학교는 / „Jigeum Uri Hakgyoneun“) bei Netflix zu sehen. Alle grundlegenden Informationen zur koreanischen Serie hatten wir euch ja bereits hier zusammengefasst und auch die ersten Trailer sahen soweit vielversprechend aus. Jetzt möchte ich euch meinen Eindruck von der ersten Folge schildern. Bis zu einem allumfassenden Staffel-Review dürfte es noch etwas dauern, immerhin umfasst die erste Staffel zwölf Folgen mit jeweils um die eine Stunde Laufzeit.
Ungewohnt impulsiver Start
Zombie-Produktionen eint, dass sie zu Beginn meist mit Klischees und Erwartungen der Zuschauenden spielen und vor allem ihren Reiz in der sich nach und nach entfaltenden ersten aufkommenden Welle an Untoten besitzen. Bei „All of Us Are Dead“ geht es aber ungewohnt schnell untot zur Sache, wobei man sich direkt einige Fragen stellt – denn das Zombie-Lehrbuch scheint sich in Detailfragen zur irren, wie es scheint…
Direkt zum Auftakt bekommen wir ein Mobbing-Opfer zu sehen, das während eines Kampfes rote Augen erhält. War das bereits eine Umwandlung zum Untoten? Wurde ihm zu lange die Luft abgeschnürt, so dass er gestorben ist und sich verwandelt hat? Nicht ganz, er spricht ja noch. Der Zustand scheint auch wieder schwächer zu werden, bis er wieder aufflammt. Nach einem spektakulären Abflug landet der für tot gehaltene Teenager nicht etwa unter der Erde, sondern im Krankenhaus – wieder bei Bewusstsein und menschlich wirkend.
Wir scheinen es eher mit einer Hulk-Situation zu tun zu haben. Wie sich herausstellt, experimentiert der Vater des Jungen mit einem Virus, der bei aufkommender Wut ungeahnte Kräfte und Tötungslust freisetzt. Vermutlich, um seinem kleinen Jungen im Kampf gegen die Bullies zu helfen. Eine im Schullabor des Naturkundelehrers nicht allzu gut versteckte Versuchsratte wird entdeckt und fungiert als Ausgangspunkt für die nahende Apokalypse, indem sie eine Schülerin in den Finger beißt. Etwas ungewöhnlich, dass man die grobe Ursache bereits zu Beginn erzählt bekommt, aber mir gefällt diese Inszenierung.
Ganz viel Schul-Gefühl
Doch statt Zombie-Action steht erstmal Langeweile auf dem Stundenplan. Okay, das ist übertrieben, aber ein Großteil der ersten Folge wird in die Einführung der Figuren und Etablierung der Szenerie investiert. Das funktioniert auch vortrefflich, zeigen die Einblicke in die koreanische Schule nicht nur für uns kulturell exotische Aspekte, wie die Strafpunkte für Zuspätkommen am Schuleingang, sondern entfacht auch erstaunlich viel echtes Schul-Gefühl – ob nun positiver oder negativer Art. Vielleicht finde ich als mittlerweile Mitte-30-Jähriger auch einfach interessant zu sehen, wie heutzutage anscheinend mit Mobiltelefonen im Unterricht umgegangen wird…
Man kann jedoch bereits erahnen, welche moralische Komponente „All of Us Are Dead“ mitbringen möchte. Gemeine Bullies mobben unschuldige Kinder und Teenager, was neben einigen Tränen auch Selbstmordgedanken und vermutlich indirekt sehr viele Tote durch eine Zombie-Apokalypse mit sich bringen wird. Spannend dürfte hier sein, wie der Ober-Bully im Verlauf der Geschichte mit einigen der normalen Hauptfiguren zusammenarbeiten muss und sich gegebenenfalls reuig zeigen und entwickeln wird.
Die Zombies sind schnell…!
Eine der grundlegenden Fragen im Zombie-Sujet ist ja, ob die Untoten nun langsam oder schnell sind. Hier wird direkt klar, dass es um die letztere Variante geht. Unterstrichen wird die dynamische Version der Zombies durch ihre zuckenden Bewegungen. Wenn dann eine Ärztin mit voller Kraft gegen ein Wand läuft, bringt das schon ordentlich Wumms in die Szene. Hinzu kommt der erwähnte interessante Aspekt, dass Personen zwischenzeitlich wieder ihr Bewusstsein erlangen und normal wirken können. Ein Zombie-On-Off-System, das gefährliche Konsequenzen mit sich bringen dürfte.
Auch wenn ich eher Freund der klassisch-langsamen Untoten bin, hat mir die Inszenierung der Zombies gefallen. Es wird nicht mit Blut im Make-up gespart, bleibt aber noch größtenteils un-splatterig-übertrieben. Auch hat die stetige Weiterentwicklung in der Folge gut funktioniert. Immer, wenn man drohte, im Schulalltag zwischen Englisch-Übersetzung und frittierten Hühnerkeulen weg zu dösen, kam wieder ein bisschen mehr Entwicklung hinsichtlich des Zombie-Ausbruches dazu. Bis er dann kam.
Das Ende der Folge hat dann glücklicherweise doch noch den großen Moment des Erstausbruches für uns parat gehabt. Die Szene mit der auf der Dachkante und vor dem Selbstmord stehenden Teenagerin hat gezeigt, dass „All of Us Are Dead“ auch durchaus einen Blick für schöne Bilder besitzt. Ja, einige der Elemente in der Serie sind dann doch recht offenkundig im Computer entstanden und dass es erst super ruhig ist und dann wie abgesprochen in diversen Stockwerken Leute mit Zombies choreografiert durch die Scheiben fliegen, ist auch eher unglaubwürdig… Aber das schaut halt schick aus. Auch wird gekonnt mit Tiefenschärfe gespielt, wie man in den Mensa-Szenen gesehen hat, und Aufnahmen, wie die mit der am Boden zuckenden Ärztin, die am im Wind wehenden Vorhand vorbei gefilmt wird, haben mir sehr gut gefallen. Aber dass es visuell durchaus gefällig werden dürfte, war ja mit der Kamerafahrt zum Einstieg der Folge bereits erwartbar.
Kritisieren könnte man die Länge der Folge. Einige Interaktionen zwischen Figuren wirkten auf mich – ohne den Kontext weiterer Folgen zu besitzen – vorerst als nicht zwingend notwendig. Das dürfte der Etablierung von Atmosphäre und Setting geschuldet sein. Auch ist ein Nachteil der mehr oder weniger offengelegten Basis des Ausbruches halt auch, dass so ein bisschen das Mystery-Element fehlt. Aktuell fühlt es sich zudem auch so an, als hätten die Zombies da bereits ordentlich durchgewischt und es bliebe lediglich die zweite Hälfte des Zombie-Filmes übrig. Was da in den kommenden elf Folgen bzw. Stunden noch passieren soll…?
Insgesamt hat mir der Auftakt zu „All of Us Are Dead“ gefallen. Das war jetzt kein anfixendes Niveau á la „Squid Game“ und wird auch nie und niemand die gleich große Zielgruppe finden, aber das war ja von Beginn an klar. Zombie-Inhalte sind bereits speziell und die koreanische Inszenierung dessen ist nochmal eine Stufe spezieller. Aber genau an dieser Andersartigkeit für viele von uns liegt halt auch der Reiz von koreanischen Produktionen. Ähnlich ist das auch hinsichtlich der Zombie-Darstellung zu umschreiben, die zwar nicht klassischer Varianten entspricht, aber gerade darin ihren Reiz und ihr Potenzial für eine frische Erzählung birgt.
Der ganz große Kracher war es jetzt nicht, den ich erhofft hatte, aber während des Schreibens hier habe ich meine ursprünglich bei 3,5 Kronen liegende Bewertung mal auf vier erhöht, weil es dann doch recht wenig zu kritisieren gibt. Bis jetzt! Denn nun wird erst spannend, wie man mit dem Ausbruch umgeht und ob man es schafft, nicht nur Zombie-Action zu liefern, sondern auch eine komplexe und konsequent erzählte Geschichte drumherum aufzusetzen, die einen auch emotional abzuholen imstande ist. Nur so kann das Rating überhaupt gehalten werden, denn noch fehlen mir die großen Besonderheiten und die Schwächen konnten zwar ausgemerzt werden, existieren aber durchaus. Dazu dann aber mehr in der nächsten Stunde – erstmal in die große Pause mit euch!
Bilder: Yang Hae-sung/Netflix
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