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Nicht wirklich delikat...

Review: American Horror Story – Staffel 12 („Delicate“)

25. April 2024, 11:36 Uhr
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Lange mussten Fans warten, jetzt hat die im September letzten Jahres in den begonnene zwölfte Staffel von „American Horror Story“ ihren Abschluss gefunden. Zumindest in den USA, hier in Deutschland kommen die Folgen verzögert zu ProSieben Fun bzw. Disney+. Die zwischenzeitliche sechs Monate andauernde Midseason-Pause kann man jedenfalls nicht als Ausrede dafür heranziehen, dass der Serie so der Schwung genommen worden wäre. Den gab es nämlich nie so wirklich. Ich habe alle neune Episoden der Staffel innerhalb der letzten Woche geschaut und muss leider meine Befürchtung vom Trailer-Beitrag („das fühlt sich noch etwas flach an, was die Geschichte anbelangt“) bestätigen. In diesem Staffelreview möchte ich euch aufzeigen, weshalb „Delicate“ die bislang schwächste Staffel der Anthologie-Serie ist. Ich habe die Spoiler-Ampel mal vorsichtshalber auf „Rot“ gestellt, da ich ein paar konkretere Beispiele nenne, aber ich versuche, keine elementaren Überraschungen vorweg zu nehmen, so dass ihr den Text auch vor dem Anschauen der Folgen lesen könnt.

Besser als Buch lesen?

Erstmals basiert eine Staffel von „American Horror Story“ auf einer Romanvorlage. Genauer gesagt auf dem 2023er Buch „Delicate Condition“ (Partnerlink) von Danielle Rollins. Und ich kann mir sogar vorstellen, dass die Geschichte als Buch ganz okay funktioniert. Eine größtenteils personenzentrierte Storyline, die mit Wahrnehmungs-Störungen und Unsicherheiten spielt. Eine Adaption zur Fernsehserie war – zumindest in dieser Form – eine falsche Entscheidung. „American Horror Story: Delicate“ mangelt es an Tempo, Tiefe und leider auch Horror.

Das größte Problem ist die Geschichte selbst. Sie fühlt sich mitunter langweilig und enorm langsam an. Vor allem zu Beginn gibt es viele zähe Momente und unnötig in die Länge gezogene Szenen zu beobachten. Ein viel zu langer Schnitt auf ein starrendes Gesicht, ein paar schiefe Streicher, die ertönen, und irgendeine vermeintliche Schusseligkeit oder Halluzination. Das sind die Hauptzutaten, die mich ohne die Tatsache, dass es sich um eine Staffel „American Horror Story“ handelt, wohl nach zwei Episoden hätte abbrechen lassen. Die erste (und leider auch beinahe letzte) wirklich spannende Szene hat sich beim Öffnen einer Kellerluke zugetragen.

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Es wirkt, als hätte man dem Stoff mehr zugetraut, als er tragen kann. Und das muss man traurigerweise so sagen, obwohl die Staffel lediglich neun Folgen umfasst, die jeweils mit für das Format ungewohnt kurzen Laufzeiten daher kommen. Alleine ein Staffelfinale mit lediglich 31 Minuten?! Obwohl diese Folge sogar noch mit großem Abstand das beste Tempo besitzt, gibt es auch hier eine Szene, in der Figuren viel zu lang und wiederholt „What the fuck?!“ rufen und man sich fragt, wann endlich der Schnitt erfolgt. Ein anderes mich nervendes Beispiel war der Waschbär, bei dem man drei Szenen braucht, ehe das passiert, was man bereits bei Szene Eins erwartet hatte.

Handwerkliche Fehler

Neben der viel zu langgezogen und sich wiederholend erzählten Geschichte gibt es auch einige logische und handwerkliche Ungenauigkeiten, die man recht leicht hätte vermeiden können. Das fängt bereits in der ersten Folge an und zieht sich durch die ganze Staffel. Beispielsweise drängt ein Arzt, man müsse so schnell wie möglich handeln, am besten Donnerstag, Hauptfigur Anna will jedoch auf Freitag schieben, er schlägt missmutig 11 Uhr vor, um später dann problemlos auf seinen eh freien Termin um 10 vorzuziehen. Wieso nicht gleich die frühere Zeit, wenn es doch so wichtig ist? Annas Ehemann bemerkt den roten Fleck an ihrem Kinn erst nach zweieinhalb Folgen. Sie schaut eine Live-Übertragung auf ihrem vertikal(!) ausgerichteten Smartphone (und allgemein werden solche Sequenzen immer zum exakt richtigen Zeitpunkt eingeschaltet). Es gibt gleich mehrere äußerst billig inszenierte Situationen, in denen Köpfe extrem unglücklich auf Kanten prallen. Und mein Highlight: Anna holt Eiscreme und Gurken aus dem Kühlschrank. Ja, beides steht im gleichen Fach. Interessanter Weise wird später nochmal Bezug auf dieses übrigens offenkundig als Product Placement ausgenutzte Eis-Debakel genommen. Als reines Voice Over wird in einer Szene von einer Figure gefragt, weshalb das Eis im Kühlschrank lag. Hat da etwa jemand im Zuge der halbjährigen Produktionspause den Fehler bemerkt und so versucht, ihn auszumerzen? Das ist zumindest ein bisschen charmant, zugegeben.

„I need to do the right thing!“ – „Honey, in show business, no one does the right thing.“ (Regisseur & Siobhan)

Allgemein hat die Staffel einige Probleme, was die Konsequenz in der atmosphärischen Färbung anbelangt. Einige Szenen wirken unpassend, wie beispielsweise die Beckenmassage. Auch die eingeworfenen Rückblicke zünden nicht jedes Mal.

Löbliche Grundprämisse

Dabei möchte ich der Geschichte nicht einmal Substanz und vor allem Relevanz absprechen. Im Gegenteil (deshalb auch meine Hoffnung, dass diese als Buch funktioniert). Zu Beginn ist noch reizvoll, was Wirklichkeit und was Einbildung ist. Medikamenteneinfluss oder Manipulation von Außenstehenden könnten Einfluss auf die Wahrnehmung von Hauptfigur Anna haben. Dabei beginnt man auch als zuschauende Person, zu überlegen, welche der anderen Figuren es wohl auf sie abgesehen haben könnte. Selbst ihr Ehemann Dexter wird gekonnt zwielichtig verkörpert, so dass man ihm regelmäßig eine Backpfeife verpassen möchte, so inkonsequent wie er seine Frau unterstützt.

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Aber genau das ist das eigentlich zentrale Thema: Die schwache Position der Frau in unserer patriarchischen Gesellschaft. Ein wichtige Thema, das „Delicate“ an sich gelungen angeht. Wieso wird einer Frau nicht geglaubt? Wieso darf eine Frau nicht Kind UND Karriere haben wollen? Die Staffel zeigt vor allem über Rückblenden gekonnt auf, dass Frauen seit jeher unterdrückt und zurückgehalten werden. Was mir in diesem Zuge allerdings nicht gefällt, ist die Tatsache, dass man mittels der prominenten (und durchaus interessant ausgewählten) Vergangenheitsbeispiele auch in gewisser Weise darstellt, dass Frauen nur zum Erfolg kommen, wenn sie einen Pakt mit dem Teufel eingehen. Für ein feministisches Stück hätte ich mir da eine andere Ausrichtung gewünscht. Man kann es aber auch so deuten, dass sie tragischer Weise keine andere Wahl haben, in der Männerwelt Gehör zu finden.

„Don‘t gaslight a gaslighter, babe!“ (Siobhan)

Eine wichtige gesellschaftliche Message muss aber auch mit Leben gefüllt werden. Emma Roberts spielt vor allem die große Unsicherheit und das wankelnde Selbstbewusstsein enorm gut, wie ich finde. Aber sie ist auch sehr alleingelassen. Einzig Denis O’Hare spielt wie immer großartig, besitzt aber lediglich eine kleinere Rolle. Ansonsten wirken viele Figuren schlicht zu eindimensional und flach. Kim Kardashian spielt Siobhan soweit okay, aber es gibt keine wirkliche Tiefe zu sehen. Und leider ist ihre finale Szene eher lächerlich denn eindrucksvoll (dieses Gewackele!). Dafür, dass Siobhan vermutlich am zweitmeisten Screentime besitzt, ist das zu wenig.

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Allgemein könnte sich die Staffel ein Problem mit dieser starken Konzentration auf eine Hauptfigur geschaffen haben. Das ist eben eher eine Buch-Perspektive. „American Horror Story“ wurde schon immer durch einen größeren Hauptcast stark gemacht. So lastete ziemlich viel auf Emma Roberts, die aber auch keine Wunderdinge vollbringen und alles ins Unendliche tragen kann. In der größer als Rückblick aufgezogenen Folge hat das dann direkt etwas besser funktioniert, da mehr Figuren (und endlich mal nicht zu 90 Prozent Anna) zu sehen waren.

Und der Horror…?

„Jesus, fuck!“ – „Jesus has nothing to do with this, sweetheart. Satan does.“ (Dexter & Virginia)“

Die Serie trägt ja den Titel „American Horror Story“ und nicht „American Society Story“ oder „American Equality Story“ – was ist denn nun mit dem Horror? Neben dem horrorhaften Timing sowie einiger furchterregender Fehler gibt es den eigentlich immer nur im Ansatz zu sehen. Vieles wird angedeutet, weniges wird offenbart. Zu Beginn versucht man vieles noch Übernatürlich wirken zu lassen und mit den betont aufdringlichen Streichern für Atmosphäre zu sorgen, aber letztlich konnte mich da wenig packen. Es ist letztlich ein Thriller, der sich übernatürlichen Figuren und Geschehnissen als Mittel bedient, eine eigentlich andersartige Geschichte anzukurbeln. Und die setzt den realen Horror in den Mittelpunkt, den Frauen Tag für Tag in unserer Gesellschaft durchleben müssen. An sich ist das eine nette Idee, aber da man dieses Grundkonstrukt bereits in Staffel 11 („NYC“) mit einer anderen Minderheit, nämlich schwulen Männern, durchgeführt hat (und das sogar deutlich besser), hätte ich mir dann doch lieber wieder klassischen Horror gewünscht. So hatten wir leider so oft in der jüngeren Vergangenheit die Promo-Visuals sowie das Intro zur Staffel mehr Horror als die eigentliche Serie zu bieten. Schade.

„You‘re a monster!“ – „Oh no, babe. I am so much worse.“ (Anna & Siobhan)

Abschließendes

Über Eli Roth als Gaststar bei einer Awardverleihung habe ich mich sehr gefreut, um so enttäuschter war ich dann jedoch, als bei einer viel größeren Awardverleihung niemand (zumindest mir) Bekanntes zu sehen gewesen ist. Da hätte man doch auch super ein paar Darstellende aus alten AHS-Staffeln einbinden können. Das hat selbst „Dave“ besser hinbekommen.

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Gefallen hat mir dafür, wie man das Goldwasser-Spray sowie die Schlafmaske am Ende nochmal rausgeholt hat. Das war zwar vom Ton her auch wieder komplett unpassend, aber an dieser Stelle hatte ich eh bereits längst mit der Staffel abgeschlossen und die Absurdität hatte was. In gewisser Weise war das ja auch nur eine Visualisierung dessen, dass das die Gegebenheiten des modernen Show-Businesses nichts anderes sind, als einen Deal mit dem Teufel abzuschließen.

Das Finale selbst fand ich in Ordnung, aber auch nicht ganz zufriedenstellend. Ein visueller Effekt war ganz nett (nach dem lächerlichen Wackeln…), ansonsten kam die auf epische gestimmte Situation nicht wirklich groß rüber. Zumal ich wenig überzeugt davon bin, dass es dann reichen soll, einen gewissen lateinischen Satz mehrfach zu wiederholen, um ein über Jahrhunderte laufendes episches Böses besiegen zu können. Letzten Endes passt es dann ganz gut, dass wir in der letzten Einstellung ein gähnendes Baby zu sehen bekommen. I feel you!

Ne, so wirklich „delicate“ war das nicht. Meiner Meinung nach war das auf einem Level mit der äußerst schwachen zweiten Hälfe der Jubiläumsstaffel. Vielleicht hätte die Geschichte damals sogar auf fünf Episoden reduziert besser funktioniert. So bekommen wir aber leider eine viel zu langgezogene Geschichte geboten, die einen nie so recht gepackt bekommt. Zu wenig Tempo, zu wenig Substanz, zu wenig Horror. Irgendwer muss einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sein, um zu glauben, dass diese Umsetzung erfolgreich werden würde. Das einzig wirklich Erschreckende an Staffel 12 von „American Horror Story“ ist ihre Qualität. Award-Nominierungen dürfte es dieses Mal allerhöchstens für die nett gestalteten Kostüme geben.

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Wird es eine 13. Staffel „American Horror Story“ geben?

Bereits Anfang 2020 hatte FX im Zuge einer Paketbuchung bis einschließlich Staffel 13 vorausgebucht, so dass wir uns auf eine weitere Staffel „American Horror Story“ freuen dürfen. Hoffen wir mal, dass man es schafft, wieder mehr back to the roots zu gelangen. Ansonsten sehe ich schwarz für eine weitere Verlängerung dieser Art. Für die rund 300.000 US-Amerikaner:innen, die zur Hauptzeit einschalten, dürfte sich der Aufwand nicht mehr lohnen. Aber vielleicht reicht es auch, was an weiteren Distributions-Erlösen darüber hinaus rumkommt. Ich für meinen Teil könnte jedenfalls auf eine weitere Geschichte wie diese gut und gerne verzichten.

Bilder: FX / Frank Ockenfels

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