Bevor es in den Review-Modus geht eine kleine Anmerkung. Ich finde Babylon Berlin bisher sehr gelungen. Spannend, gut gedreht und vor allem hervorragend gespielt. Was ich aber nicht verstehe ist die Veröffentlichungspolitik von Sky. Warum versendet man diese Perle so schnell? Reicht nicht auch eine Folge pro Woche? Bei 16 Folgen für die Staffel haben wir am Ende gerade einmal acht Wochen Spaß (wenn man sich nicht zurückhalten kann). Das könnte man strecken. So wirkt es wie „wir müssen das schnell los werden“. Finde ich ein wenig schade.
Nun denn. Auf ins Review.
Nach einem gelungenen Serienauftakt nimmt die Handlung ordentlich Fahrt auf. Die Bögen spannen sich und die Cliffhanger am Ende der Folgen machen wirklich Lust auf viel mehr. Doch was haben wir alles?
Lotte geht anschaffen. Ihre nächtlichen Ausflüge ins Moka Efti sind offensichtlich nicht nur zur Bespaßung, sondern auch um das dringend benötigte Geld nach Hause zu bringen. Gerade an dieser Stelle zeigt die Serie ihre großen Stärken. Wir bekommen neben all den Handlungen auch noch einen kleinen Geschichtsunterricht mit auf den Weg. Die goldenen Zwanziger waren schlussendlich gar nicht so golden, wie man es immer glauben mag. Alles hat seine Kehrseiten. Besonders in Episode Vier ist eine Begegnung in Lottes Handlung wirklich prägnant für die Umstände der Zeit. Sie trifft auf eine alte Freundin, Greta, die am Straßenrand Berlins nach Arbeit sucht. Bei der Kamerafahrt sehen wir viele Menschen mit Schildern stehen. „Nähe Alles“ oder „Suche Arbeit“ ist zu lesen. Hier wird wieder klar, was der spätere Nährboden für die NSDAP und deren Aufstieg sein wird. Besonders diese Details machen Babylon Berlin zu einer rasanten Entdeckungsfahrt in die Vergangenheit.
Neben dem Geschichtsunterricht passiert natürlich auch noch mehr. Lotte findet Gefallen an der Mordkommission. Das stumpfe sortieren von Fotos reicht ihr nicht. Die Schreibarbeit gibt sie an ihre Freundin ab, natürlich weiter mit Profit auch für sich selbst. Cleveres Mädchen. Bei der Protokollarbeit einer Obduktion kommt der Detektiv in ihr hoch. Sie hilft Gereon und wie ich schon bei den ersten Folgen vermutete, wird sie irgendwie in die Fälle verstrickt. Leider jedoch nicht unbedingt im Guten. Raths Kollege, Wolter, ist der ganze Fall des Kölners suspekt und besticht kurzerhand die arme Lotte. Spurt sie nicht, wird ihr heimlicher Nebenjob an die Sitte gemeldet und vielleicht auch der ganze Laden hoch genommen. Das haut rein. Die Tür zur Korruption stand bei Wolter gefühlt seit der ersten Folge offen. Jetzt hat er sie komplett eingetreten und gibt der Beziehung zu Rath einen großen Batzen Pfeffer. Ich denke, dass das sehr interessant wird und ich bin sehr auf den großen Showdown gespannt. Dafür warte ich auch gerne eine ganze Staffel.
Apropos warten. Der Zug aus Russland ist eingetroffen und der zusätzliche Waggon hat es in sich. Ohne Zögern wird dem Zuschauer gleich gezeigt, was das große Geheimnis ist, was die Konterrevolutionäre durch das Land zu Trotzki schmuggeln wollte: Gold. Eine große Menge Gold. Dafür ist die Sängerin Nikoros also bereit ihre Liebe aufs Spiel zu setzen und ihre Genossen in den Tod laufen zu lassen. Dumm nur, dass sie selbst kurzerhand ins Gefängnis wandert. Der Moment mit dem falschen Lokführer und der Pistole war auch ein wenig absurd. Selbst in den Zwanzigern wird man nicht ohne Folgen mit einer Waffe auf eine Person zielen können und erwarten, dass man ungestraft davon kommt. Ein Wunder, dass sie in Episode Vier schon wieder auf freiem Fuß ist und den werten Genossen Musiker wieder um den Finger wickelt. Die Konterrevoluzzer Geschichte hat mich noch nicht vollends überzeugt. Wobei sie aber mit dem Goldwaggon einen interessanten Touch bekommt und auch Lars Eidinger aka Alfred Nyssen auf den Plan ruft. Der will seinen Chemiezug als bald im Werk sehen. In der korrupten Welt von Babylon Berlin wird hier aber sicherlich noch mehr dahinter stecken als nur ein Unternehmer, der seine Ware sicher am Ziel sehen will.
Und was macht Gereon? Er trifft auf einen Russen, dem falschen Lokführer, in seinem neuen Mietzimmer. Der wurde natürlich von der russischen Botschaft verfolgt. Eine kleine Actioneinlage später und der arme Kommunist sitzt in den Händen der „Bösen“. Hände platt gefahren und Informationen preis gegeben taugt er nichts mehr und wird in der Spree entsorgt. Durch Zufall trifft Rath in der Leichenabteilung wieder auf ihn und sorgt für private Ermittlungen bei dem Kölner. Interessant. Ich frage mich allerdings gerade, was aus seinem eigentlichen Fall geworden ist. Wirklich stören tut mich das nicht, da der Russen-Fall viel Potential bietet, aber ich hoffe die Serienmacher verstricken sich nicht in zu viel Dingen auf einmal. Der kleine Ausflug zum 1. Mai und der absurden Polizeigewalt könnte auch eine aktuelle Kritik sein. Die Linken und die Polizei, das verträgt sich nicht und hat sich scheinbar auch noch nie vertragen. Das hier aber einfach so drauf los geschossen wird, weil die Polizei sprichwörtlich zu viel „rot“ sieht, geht mir ein wenig zu weit. Wieviel Realität hier drin liegt, würde ich noch einmal hinterfragen. Falls es wirklich so war, uff. Falls nein, okay, kann man für den Spannungsbogen einbauen, muss man aber nicht. In der Sterbeszene mit der unschuldigen Balkonzivilistin kommt zumindest eine erste menschliche Emotion von Rath hervor. Noch kein Tränenmoment, aber ich bin der Meinung, dass er Mimik im Gesicht hatte.
Grundsätzlich soll die fehlende Emotion bei Rath aber nicht negativ zu sehen sein. Im Gegenteil, ich finde, dass schauspielerisch die Serie weiterhin mit Top-Leistungen aufwartet. Besonders die Mischung aus bekannten und unbekannten Gesichtern tut den Episoden sehr sehr gut. Der Unterhaltungs- und Entdeckungswert bei Babylon Berlin bleibt hoch. Auch die dritte und vierte Episode kann sehr wohl überzeugen und in vielen Momenten bin ich gespannt auf den Ausgang der Geschichten. Sicherlich gibt es hier und da mal ein paar kleine Dinge über die man sich beschweren könnte. Ein paar Effekte sehen nicht zu 100 Prozent überzeugend aus und manche Charakterreaktionen sind noch etwas merkwürdig, aber im wirklich großen Ganzen nichts Gravierendes. Ick finds jut!
Bilder: Sky/ARD
Zum Thema „Versendung“: Kann es nicht sein, das Sky nur ein kleines Exklusivitäts-Fenster, weil es, pünktlich zur Weihnachtszeit oder zum neuen Jahr auch in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gesendet zu werden?
Interessanter Gedanke. Sky hat aber scheinbar die Exklusivrechte für fast ein Jahr. Zumindest wird aktuell von einer Ausstrahlung im Herbst 2018 auf ARD geredet.
Dann weiß ich es auch nicht. Komisch, dass man es dann so schnell versendet. Vielleicht ist man im Hause Murdoch doch nicht so überzeugt von der Serie? Von wegen deutsche Serie, das kann nichts werden. Keine Ahnung, aber danke für die Info.
Das Fiese ist ja: man könnte sich selbst ja zurückhalten und nur eine Folge pro Woche gucken. Macht man ja aber nicht und guckt direkt beide Folgen weg ;-)
Zum Thema Realismus bei der Demo-Szene: Das ist in die Geschichte als der Blutmai eingegangen. Offiziell sind in den Tagen vom 01. bis zum 03. Mai 1929 33 Menschen während der Unruhen getötet worden.
Sentsationeller Schreibstil den du da hast Matthias! Haut voll rein :-)
Mach weiter so, du solltest Schriftsteller werden (falls du es noch nicht bist)!
Autor:innen gesucht!
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