In der Nacht zum heutigen Montag ist die vierte und letzte Staffel der Dramedy-Serie „Barry“ angelaufen (sowohl in den USA als auch parallel hierzulande über Sky). Nachdem die dritte Staffel eine äußerst überraschende Entwicklung genommen hatte, habe ich den Entschluss gefasst, die finalen Folgen dieser großartigen Serie einzeln zu rezensieren. Mal schauen, ob mir dieser Entschluss noch auf die Füße fallen wird, zum Start gab es jedenfalls direkt mal eine Doppelfolge, so dass ich mir eigentlich keine Gedanken über zu wenig zu Besprechendes machen sollte.
Barry S04E01 „yikes“
An das neue Setting müssen nicht nur wir uns erst einmal gewöhnen. Barry sitzt im Gefängnis und macht ein paar eher erfolglose Anrufe. Kleine Details wie die Bandansage „Dieser Anruf stammt von ‚Sally, Ich liebe di-‚“ haben mir dabei genauso gefallen, wie die Darstellung der Situation mit Sally im Flieger. Erst der gruslig anmutende Traum, dann die Notification-Flut auf dem Handy. Getoppt werden konnte das Ganze noch durch Sarah Goldberg überzeugend gespielte Panikattacke, die trocken von Sallys Mutter mit einem Augenrollen zur Seite geschoben wird. Allgemein war der Besuch im Elternhaus schrecklich anzusehen.
„I… can’t… breathe!“ – „You’re all done?!“ (Sally & Mutter)
Im Gefängnishof beginnt Barry, sich die Schauspielgruppe einzubilden. Das choreographierte Verlassen der Statisten hat was Theater-Artiges an sich, das zieht sich auch bei den weiteren Vorstellungsszenen dieser Doppelfolge durch.
Interessant ist das Aufeinandertreffen mit Fuches, der im gleichen Gefängnis untergekommen ist. Barry realisiert so langsam den Ernst der Situation und will sich letztlich selbst bestrafen, als er eine der Gefängniswachsen, die ihm beinahe in Fanboy-Manier positiv gegenüber gesinnt ist, gegen ihn aufbringt.
„They put me in prison with the guy who wants to kill me – what’s that about?“ – „That’s a common problem with people in prison, Mr. Fuches.“ (Fuches & FBI-Agent)
Hank hat derweil NoHo Sand in Sandta Fe, wo er mit Cristobal untergetaucht ist. Dafür trägt er eine total dezente Statement-Brillenkette. Auch ihn plagen Albträume, seine Verbundenheit zu Barry ist aber noch nicht erloschen. Die Chemie zwischen den beiden Großkriminellen ist einfach genial und immer wieder für unterhaltsame Szenen gut, auch wenn es sich in dieser Folge zunächst – wie bei so ziemlich allen Aspekten – noch um eine eher verhaltene Einleitung gehandelt hat.
Barry S04E02 „bestest place on the earth“
In der zweiten Hälfte der Doppelfolge bewegen wir uns von einer Bestandsaufnahme hin zu einem ersten Anrollen der eigentlichen Geschichte. Dabei bekommen wir auch endlich wieder abstruse Momente zu sehen, wie beispielsweise in Fuches Fremdschäm-Rede vor dem Fernseher. Interessanter dürfte auf lange Sicht allerdings das Engagements des ruchlos dargestellten Anwaltes werden.
„For real, I don’t like nicknames!“ – „Then you’re Jason.“ (Nicht-Jason & Fuches)
Es geht aber auch tiefer in Barrys Psyche sowie vor allem Vergangenheit. So bekommen wir unter anderem zu sehen, die der noch kleine Barry als Junge Fuches vorgestellt bekommen hat. Die visuelle Darstellung mit der Wüste als wiedererkennbares Settings ist eine schlaue Wahl.
Einen wichtigen Ankerpunkt für zukünftige Entwicklungen bekommen wir in der Szene geboten, in der Barry von Sally im Gefängnis besucht wird. Ein erstes Indiz dafür, dass Sally noch nicht ganz losgelassen hat und sich aller Voraussicht nach noch für Barry einsetzen dürfte. Extrem charakterisierend war für mich jedoch vor allem dieser Satz von Barry:
„You made me feel… like a fucking human.“ (Barry)
Sally selbst findet sich erneut in einer vermeintlichen Sackgasse ihrer Karriere wieder, wobei es wohl auch bei ihr noch dauern dürfte, bis sie die Tragweite der Situation erfasst hat. Allgemein prasselt in dieser Folge ziemlich viel auf die Figuren ein, die von Barrys Handeln beeinflusst werden. Das ist positiv, wird in Serien bei großen Offenbarungsmomenten doch oftmals das in Sekundenschnelle für alle Figuren als gegeben dargestellt, was wir Zuschauende über Jahre mitangesehen haben.
„You have two high profile strikes against you and on top of that you have integrity. I’m so sorry.“ (Sallys Agentin)
Mein absolutes Highlight und Absurdität Nummer Zwei war die Präsentation von Hank und Cristobal in der Sports Bar. Einfach großartig, wie man dort mal wieder Welten hat aufeinander und die weiche Seite der harten Gangster gezeigt haben, die freudig mit Stofftieren aus dem Arcade-Bereich in den „Talk“ gekommen sind.
Dass auch Hank noch über das Sandgeschäft hinaus aktiv eingreifen wird, wird in dieser Folge gleich doppelt klar. Erst will er Barry aus dem Gefängnis befreien, dann schwenkt nach der Info, dass Barry mit dem FBI zusammenarbeiten würde, das Motiv um. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass es sich um ein „Missverständnis“ handelt und Barry nie und nimmer Hank ausplaudern würde. Die berappeln sich schon wieder. Oder? ODER???!!
„We have to kill Barry.“ (Hank)
Einen seltsamen Arbeitstag hat ein Reporter der Vanity Fair erlebt, der nach einer missglückten (und denkbar dämlich gedachten) Schnitzeljagd eine mehrstündige Vorführung über sich ergehen lassen musste. Wobei, den Zwischenaufnahmen mit Snacks in der Hand nach zu urteilen, hat er Genes Ein-Mann-Theaterstück genossen. Anders sieht das bei Sally aus, die Teile der Vorführung unerwartet mitbekommen hat. Die Situation wirkte auf mich dann doch ein bisschen sehr inszeniert vom Timing her, aber erklärbar ist ihr Auftauchen grundsätzlich schon.
Das war ein guter Auftakt, auch wenn das große Feuerwerk zunächst ausgeblieben ist. Bei der fundamental veränderten Grundbasis der Geschichte ist das aber auch kein Wunder. Mir gefällt, dass man sich die Mühe macht und Zeit nimmt, zu zeigen, wie die Figuren mit der Veränderung konfrontiert werden und umgehen. Hinzu kommt die clevere Wahl einer Doppelfolge – so werden wir an den Start der eigentlichen Handlung gerollt und bekommen eine Länge zu sehen, die für das mittlerweile zum ernst(er)en Drama mutierten Format deutlich angebrachter ist.
Neben den mal wieder extrem gut getakteten Dialogen hat mir auch der Edit gut gefallen, da er in gewisser Weise kurzweilige und kunstvolle Elemente hat vermengen können. Bill Hader führt in der kompletten Staffel Regie, das dürfte sich also so durchziehen, sehr schön. Die erste Folge hat er zudem (wie auch die kommenden Episoden Fünf sowie das Staffelfinale) federführend geschrieben.
Zentral dürfte das Spiel mit Informationen werden. Viele Leute sind in die Machenschaften Barrys involviert und sei es auch nur als passiv Wissende. Oder Neugierige, wie das FBI. Das dürfte die Grunddynamik für die kommenden Folgen darstellen, wobei ich mal gespannt bin, wie schnell alle Charaktere zusammenprallen werden. Ich bin noch etwas skeptisch, ob die halbstündigen Folgen dann wirklich für Einzelreviews taugen, bin aber optimistisch, dass da noch richtige Highlights auf uns warten, die besprochen werden sollten!
Bilder: HBO
Du denkst, dass Sally aus Restzuneigung zu Besuch kam? Dann wäre sie bei seiner Liebeserklärung nicht einfach aufgestanden und gegangen.
Sie kam aus zwei Gründen:
a) Um sicher zu gehen, dass die Leiche des Bikers sicher verschwunden ist und nicht das FBI morgen bei ihr auftaucht, weil sie DNS darauf gefunden haben.
b) Um Barry zu zeigen, dass sie ihn nicht verraten hat und auch nicht mit dem FBI zusammen arbeitet (deshalb ihr Spruch, sie fühle sich bei ihm sicher). Sie will auf keinen Fall in seine Todesliste kommen jetzt wo sie weiß, wie gefährlich und (für sie) unberechenbar) er ist.
Nein, reine Zuneigung natürlich nicht! Die ganze „Muffin“-Geschichte kam ja eh hinzu, absolut richtig, aber das wurde ja offen und direkt angesprochen, daher hatte ich es im Review ausgelassen. Aber ich hatte persönlich eben auch das Gefühl, dass da noch eine gewisse Verbundenheit von ihr in Richtung Barry ist – und wie es scheint, sieht man das auf Seiten der Produktion auch so: https://www.tvinsider.com/1089312/barry-season-4-sally-prison-visit-fuches-fbi-deal-hank/amp/
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