Nach der ereignisreichen letzten Folge stand vor allem die Frage im Raum, wie es nach der letzten zu sehenden Szene weitergehen würde. Tatsächlich handelte es sich dabei nicht um eine Ausblick in eine entfernte Zukunft, sondern einen handfesten Zeitsprung.
Acht Jahre nach ihrer gemeinsamen Flucht leben Barry (aka Clark) und Sally (aka Emily) mit Sohn John irgendwo im Wüsten-Nirgendwo. Im Haushalt werden keine Videospiele gespielt und stattdessen christliche Werte vermittelt. Passend zur Tatsache, dass Barry mittlerweile deutlich besser seine Gefühle im Zaum halten sollen kann, steht auf einem in typischer Motivational-Bullshit-Schriftart beschrieben Schild „unrage“ (oder lese ich das falsch?):
Für einen kurzen Moment hege ich den Gedanken, die beiden würden lediglich Familieneltern spielen – in einem Theaterstück oder eine TV-Aufzeichnung. Aber nein, Sally setzt sich aus Identitätsgründen tagtäglich „Harre auf ihre Haare“. In der ersten Szene dieser Art wird mal wieder wunderbar mit der visuellen Hintergrund-Ebene gespielt, in der Barry und John gemeinsam versuchen, einen Pfahl einzuhämmern.
Barry ist paranoid und vor allem bedacht, seinen Sohn von negativen Einflüssen aka der Außenwelt fernzuhalten. Dieser hat nicht mal einen großen Baum zu sehen bekommen und als er es wagt, einen Baseball-Handschuh zu verstecken, gibt Barry ihm zur Abschreckung ein paar harte Little-League-Unfälle zu sehen. Außerdem kontrolliert Barry, welche Informationen zu John gelangen. Im Homeschooling lernt er aber mindestens genausoviel wie sein Zögling, unter anderem über ehemalige Präsidenten. Gerade dieser – der Episode ihren Titel verleihenden – Thematik folgend wird uns veranschaulicht, dass oft mehr an Personen und ihrer Geschichte hängt, als man zunächst auf den ersten Blick glauben mag. Und dass Vermächtnisse eben „tricky“ sind.
„What else did you guys learn about?“ – „You mean, what else did I teach him?“ – „uhum.“ (Sally & Barry)
Bei Sally liegt emotional noch mehr im Argen. Sie muss jeden Tag eine Rolle anlegen und für den Unterhalt der Familie in einem Diner arbeiten. Depressionen, Alkoholsucht und klassische Eheprobleme stapeln sich bei ihr. Die Kirsche auf der Sahnespitze ist dann noch die ehemalige Schauspiel-Mitschülerin, die prominent im Fernsehen zu sehen ist.
„There’s happy cry and then there’s sad cry… and then there’s, uh… well, there’s mom cry and that can be very loud and scary.“ (Barry)
Das Fass läuft irgendwann über, was Sally dazu bringt, mit einem Arbeitskollegen rumzumachen. Ihre Emotionen sind mittlerweile aber auch derart verkorkst, so dass aus einer anfänglichen Affäre ein versuchtes Erwürgen wird. Letztlich sorgt sie dafür, dass ihr Diebstahl aus der Diner-Kasse dem (Jetzt-nicht-mehr-)Kollegen angehaftet wird.
Dass der seltsam anmutende Exkurs ein baldiges Ende haben würde, wird mit einem lautstarken Klopfen an der Haustür klar gemacht. Barry holt eine Pistole aus der Wand, wobei Sally ihm sagen muss, hinter welchem Bild sie versteckt ist, was zeigt, wie lange sie dort in Ruhe gelebt haben. Der eigentlich harmlose Klopfstreich ein paar lachend davonziehender Kinder reicht aus, dass Barry bis Morgengrauen wie versteinert vor dem Haus steht und Sally samt John in der Badewanne schlafen lässt.
Und plötzlich sind wir zurück bei den Filmstudios und laufen schnurstracks in einem schönen Shot an bewegten Videoplakatwänden zu „MEGA GIRLS 4“ und „Larry Chowder – The Magical Boy“ vorbei. Das Ziel ist ein in Sachen Haupt- und Gesichtshaar ordentlich verlängerter Gene, der eigentlich als vermisst und mutmaßlich verstorben gilt.
„I don’t know – both dudes are old!“ (Wachmann)
Während Barry John erzählt, er wäre im Krieg Medic gewesen und hätte niemanden getötet, erhält Sally einen Google News Alert zu seinem Namen und vergisst im Moment, dass Barry ja eigentlich einen Kasenamen trägt.
„BARRY!!“ – „Who’s Barry?“ (Sally & John)
Die News? Es soll ein Film über das Leben von Barry gedreht werden. Das passt herrlich zur bisherigen „Berichterstattungs“-Geschichte Genes. Statt einfach kurz und knapp alles zu Barry und dessen Geschichte auszuplaudern, hat er bereits einem Reporter ein stundenlanges Ein-Mann-Theaterstück aufgeführt, jetzt kommt es also zum aufwendig gedrehten Biopic. Eine wunderbare Idee, um den Schauspiel-Kreis zu schließen und die Geschichte gewissermaßen zum Ende und doch auch wieder zum Anfang zu führen. Ich bin bereits sehr darauf gespannt, wer Barry spielen wird. Ach ja, und wie der echte Barry Gene konfrontieren wird.
„I’m gonna have to kill Cousineau.“ (Barry)
Nach den zwei sehr starken, vorangegangenen Episoden ist „Barry“ diese Woche etwas schwächer unterwegs. Das liegt offenkundig daran, dass man uns in diesem Exil-Exkurs einen bewusst trocken gehaltenen Kontrast zum vollgepackten Ereignis-Spektakel bieten möchte. In „tricky legacies“ geht es um das surreal anmutende „Was wäre wenn?“-Leben zweier Geflüchteter, die vor allem im Zusammenspiel mit ihrem Sohn extrem vieles über sich selbst preisgeben. Das Setting wirkte allgemein sehr durchdacht ausgeschmückt, so dass es viele subtil vermittelte Andeutungen zu entdecken gab.
Erneut haben wir einige gelungene Dialoge und Kameraeinstellungen zu sehen bekommen, insgesamt hat sich das aber doch etwas gezogen und ich war froh, als der Exkurs letztlich vorbei war. Nicht, dass die Folge schlecht gewesen wäre, aber die großartige Mixtur, die die letzten zwei Episoden ausgemacht hatten, hat hier spürbar gefehlt. Dennoch war das eine gelungene Abwechslung und das Schauspiel von Sarah Goldberg als Emily/Sally war grandios.
Bilder: HBO
Ich fand es interessant wie Barry plötzlich nach seinem Streit mit Sally über ihren Alkoholismus anfing, mit seinem Sohn über die Schattenseiten seiner Helden und seine Vergangenheit zu reden. Vermutlich erwartete er, dass sie aufgrund ihres Zustandes bald Fehler machen würde und wenn die Bombe dann platzt, soll sein Sohn wenigstens wissen, dass er trotzdem ein „guter Mensch“ ist.
Im Großen und Ganzen fühlte sich die Folge eindeutig wie „die Ruhe vor dem Sturm“ an. Was auch immer in den nächsten drei Folgen passieren wird, ich bezweifle, dass es weiterhin so gemächlich zugehen wird.
Ja, denke auch, dass es ab jetzt ordentlich zur Sache gehen dürfte. Dabei darf man sich wirklich nicht sicher sein, wer ein Happy End erfährt und wer nicht…
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