Kürzlich ist die letzte Folge der ersten Staffel von „Beast Games“ bei Amazon Prime Video veröffentlicht worden. Die vor knapp einem Jahr angekündigte Spielshow von und mit dem welterfolgreichsten YouTuber MrBeast hat viele Rekorde brechen können. Sei es das höchste in einer Spielshow für eine Einzelperson gewinnbare Preisgeld oder das umfangreichste Kamerasystem. Aber konnte die an dem aus „Squid Game“ bekannten Wettbewerbskonzept ausgerichteten Produktion auch abseits der Rahmenaspekte auf inhaltlicher Ebene punkten? Wer sich eine eigene Meinung zum Format bilden möchte, kann mittlerweile die ersten drei Folgen auf dem YouTube-Zweitkanal von MrBeast anschauen. Ansonsten hier meine Spoiler-freie Einschätzung zur ersten Staffel von „Beast Games“.
Hastige „Squid Game“-Kopie
Nach dem großen Überraschungserfolg der koreanischen Netflix-Serie „Squid Game“ war MrBeast einer der ersten (von vielen), die die Spiele in großer Manier nachgestellt haben – weit bevor Netflix sich quasi selbst mit „Squid Game: The Challenge“ auf Reality-TV-Manier kopiert hat. Die „Squid Game“-Spiele-Mixtur hat sich perfekt in das oftmals auf Challenges und Geldgewinne basierende Contentsystem des YouTubers eingereiht. Entsprechend ist es wenig verwunderlich, dass eine Plattform wie Amazon Prime Video gerne den Namen des weltbekannten YouTubers auf ein Format pappt. Doch wie viel Einflussnahme die Streamingplattform auf den Inhalt nehmen konnte, ist mir nicht bekannt. Letztlich fühlt sich das von Jimmy Donaldson (MrBeast) und seinen Buddies entwickelte Format schlicht wie das an, was man auch auf YouTube zu sehen bekommt. Nur eben nochmal etwas größer und vor allem länger.
Dass man dennoch eine gewisse „Squid Game“-Inspiration für die Umsetzung hat einfließen lassen, wird auf den ersten Blick klar. Da stehen 1.000 Kandidat:innen (nachdem bereits 1.000 in Vorab-Duellen rausgeflogen sind) in blauen Trainingsanzügen, die sich zunächst alle nur mit ihren darauf gedruckten Nummern ansprechen, drumherum gibt es „Wachen“ mit minimalistisch gehaltenten Masken, und am Ende kann nur eine Person gewinnen, nachdem alle anderen nach und nach ausgeschieden sind. Wobei, hier gibt es tatsächlich gewaltig Abwandlung – nicht nur eine Person gewinnt.
5 Millionen Dollar – und mehr!
Ja, es gibt ihn, den supergroßen und in der Sendung allgegenwärtigen Hauptgewinn von 5 Millionen US-Dollar für die Person, die die „Beast Games“ gewinnt. Aber fernab dessen wird munter mit Geld um sich geworfen. Bestechungen für Vorab-Ausstiege (und nicht selten das Mitreißen anderer), Belohnungen für Missionen oder in anderer strategischer Manier. Das ist auf der einen Seite super, da so mehrere Leute etwas mit nach Hause nehmen können. Auf der einen Seite wirkt es aber auch seltsam. Geldgeilheit unter den Kontrahent:innen ist genauso förmlich greifbar wie die „Sind doch nur ein paar Millionen…“-Einstellung eines Mannes, der mit einem YouTube-Video mehr verdient als andere in mehreren Jahren.
In gewisser Weise fungiert diese Geldgier aber auch wie bei „Squid Game“ selbst. In manchen Momenten hat man gar das Gefühl, Teilnehmende nehmen den Abschied von der Millionenhoffnung ähnlich schwer wie ein Ausscheiden in der Netflixserie. Tatsächlich wirkt es mitunter fraglich, wie emotional fragil manche Kandidat:innen bereits in den ersten Episoden der Folge sind. Das mag daran liegen, dass man bei 1.000 Personen eben immer jemanden findet, auf den die Kamera gehalten werden sollte, um solche Momente einzufangen, oder ggf. auch an den den Anschuldigungen nach folgend nicht astreinen Produktionsbedingungen.
Klar ist: „Beast Games“ stellt Emotionen ins Rampenlicht und versucht diese so impulsiv wie möglich zu generieren. Immer und immer wieder. Frei nach dem Motto „Höher, schneller, weiter“ wird immer noch einer drauf gesetzt. So lange, bis selbst die Teilnehmenden bereits beinahe genervt wirkend und mit den Augen rollend „Klar, bei Jimmy muss natürlich noch ein Twist kommen…“ vor sich hin murmeln.
Mögen die Spiele beginnen… und nie enden
Einer meiner Hauptkritikpunkte an „Beast Games“ ist, dass viel zu viel in viel zu kurzer Zeit passiert. Die Produktion wirkt hektisch und vollgepröttelt. Das fühlt sich nicht wie die auf TV-Standard hochgezogene Produktion eines YouTubers, sondern ein schlicht über einen anderen Kanal und in die länge gezogenes YouTube-Video. Jetzt mag man sagen, dass ich einfach zu alt bin und YouTube nicht verstünde. So sei es. An sich habe ich nichts gegen eine solche Aufmachung, wenn es eben insgesamt kurz und knapp bleibt. Hier hat man aber jede Menge Potenzial verspielt, indem man das höhere Budget an Geld und Sendezeit vergeudet hat, indem man möglichst viel hintereinander gepackt hat, statt mehr in die Tiefe zu gehen und Substanz zu erarbeiten.
Ein Paradebeispiel dafür ist, dass man mitten im eigentlichen Wettstreit um die 5 Millionen US-Dollar eine Zäsur macht. Dann macht ein Großteil der Spielenden Urlaub, während ein paar um eine Privatinsel kämpfen – erneut in mehreren Spielen, bis nach und nach nur noch eine Person übrig bleibt. Ja, das ist natürlich schon irgendwo cool, aber ist eben auch komplett unnötig. Stattdessen hätte man deutlich mehr Zeit in den Aufbau von Spielerbeziehungen stecken können.
Die Kandidat:innen sind einem nämlich erschreckend lange erstaunlich egal. Zu wenige Gesichter, Namen und Geschichten werden aufgezogen. Das ist bei 1.000 Personen natürlich auch nahezu unmöglich, erschreckend schnell findet man sich aber mit nur noch 21 Personen wieder. Da kommt allgemein das Gefühl auf, dass man die 1.000 nur aufgezogen hat, um ein paar Rekordmarken zu brechen und die Werbetrommel rühren zu können.
Die Spiele selbst sind aber immerhin erfreulich abwechslungsreich. Tatsächlich gibt es auch ein paar nette Twists. Persönlich hätte ich gerne deutlich weniger der sozialen Betrugskomponente. Natürlich lassen sich so leichter Emotionen einfangen, aber für meinen Geschmack hätten da deutlich mehr Skill Games rein gesollt. Natürlich bieten Situationen, in denen Leute, die aus Geldgier einfach selbst weiter kommen wollen, andere mit einer Pseudo-Moralität („Opfere dich für das große Ganze!“) manipulieren, schon einen gewissen Ekel-Charme. Schrecklich.
Schrecklich fand ich auch einige der völlig unnötigen visuellen Effekte und dass mir Prime Video „Wide Receiver“ mit „Torwart“ untertitelt ist auch ein mittelschwerer Skandal. Aber gut, gibt Wichtigeres. Zum Beispiel „FÜÜÜÜNF MILLIOOOOONNENNN DOLLAAAAAARR!!“. Einige Spiele haben mir gut gefallen, andere waren zumindest vom Konzept her interessant, wieder andere hätte man sich sparen können. Am Ende bleibt ein Format, das mehr sein möchte (und nach Außen zu sein angibt), als es ist. „Beast Games“ fühlt sich wie ein supersonderlanges YouTube-Video von MrBeast an, das einfach einige Stockwerke höher abdreht und sich an seiner eigenen Überdimensionalität aufgeilt. Das Ergebnis ist für die Rahmenaspekte aber viel zu flach geraten.
Dank einiger reizvoller Spiele, der ein oder anderen dann doch emotional bindenden Geschichte und Figuren im Teilnehmendenfeld und dem allgemeinen „Mal schauen, wie die das aufziehen“-Reiz ist „Beast Games“ durchaus anschaubar. Ich bereue es nicht, die Staffel gesehen zu haben. Dennoch hat mir „Squid Game: The Challenge“ deutlich besser gefallen. Allgemein fühlt es sich an, als hätte man hier deutlich mehr Qualität hinbekommen können. So bleibt es ein zehn Episoden umfassendes Geldscheine-vor-der-Nase-Wedeln, das in gewisser Weise die Missstände unserer modernen Gesellschaft widerspiegelt. Hier, armer Mensch, ein Schein – jetzt tanze für mich!
Kommt eine 2. Staffel von „Beast Games“?
Offiziell ist noch nicht bekanntgegeben worden, ob eine zweite Staffel von „Beast Games“ in Planung ist. MrBeast selbst hat wohl nichts dagegen, aber die letztliche Entscheidung liegt bei Amazon. Tatsächlich hätte ich selbst auch nicht einmal etwas gegen eine Neuauflage und würde wohl hineinschauen. Dafür sind einige Challenges einfach zu interessant. Und wenn man an ein paar Stellschrauben dreht, könnte das Format sogar richtig gut werden. Ich befürchte jedoch, dass das allen Beteiligten komplett egal ist, solange Millionen Leute einschalten.
Bilder: Amazon Prime Video
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